Mannheim. „Das will ich gar nicht beschönigen“, spricht Ralf Eisenhauer Klartext: „Wir sind aktuell an den Grenzen unserer Möglichkeiten“, bekennt der Baubürgermeister auf der jüngsten Online-Sitzung des Bezirksbeirates Rheinau zum Alten Relaishaus. In Sachen Erhalt oder gar Wiederaufbau des abgebrannten historischen Bauwerks im Herzen des Stadtteils gibt es keinen wesentlich neuen Sachstand. Und die wenigen Neuigkeiten, die es gibt, sind keine guten.
Eine lange Geschichte geht also weiter. Am 21. Oktober 2015 wurde das historische Bauwerk durch ein Feuer schwer beschädigt, der Eigentümer im Jahr darauf wegen Brandstiftung zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Das Grundstück gehört ihm nach wie vor, wird nur notdürftig gesichert - von der Stadt.
Warten auf Regierungspräsidium
Diese bauliche Sicherung werde monatlich überprüft, „so dass zumindest eine Verschlechterung des Gebäudezustandes verhindert werden kann“, wie Bürgermeister Eisenhauer glaubt. „Es ist mittlerweile ein enorm hoher Rahmen, in dem wir uns da bewegen“, ergänzt Steffen Schumann vom Fachbereich Baurecht und Denkmalschutz zu den aufgelaufenen Kosten, die der Stadt Mannheim entstanden sind. Eine genaue Höhe nennt Schumann diesmal nicht, doch schon 2017 war von 70 000 Euro die Rede. Zu deren Rückerstattung läuft derzeit ein Zwangsvollstreckungsverfahren.
„Aber dies gestaltet sich schwierig“, betont Schumann. Daher sei es „bislang nicht gelungen, die Gelder, mit denen die Stadt in Vorlage getreten ist, zurückzuholen.“ Ein Problem: Nach Schumanns Worten „liegen auf dem Grundstück andere Sicherungen, so dass die Stadt Mannheim mit ihren Forderungen nicht an erster Stelle steht.“
Und was ist mit einer Enteignung? Dies sei ein Instrument, das in einem solchen Falle noch nicht eingesetzt worden sei, Erfahrungswerte lägen daher nicht vor, erläutert Schumann. Eine solche Maßnahme werde „von Juristen als nicht zielführend eingeschätzt“, dämpft auch Eisenhauer zu hohe Erwartungen.
Rückendeckung erhält er dabei von Roseluise Koester-Buhl: „Die Voraussetzungen der Enteignung sind schlicht nicht erfüllt“, betont die Grünen-Bezirksbeirätin, selbst Juristin. Der andere Jurist im Gremium, Christoph Hambusch (CDU), sieht das optimistischer und fordert die Stadt daher auf, diesen Weg weiter zu prüfen, „obwohl ich normalerweise nicht für so etwas bin.“ Mit seiner Forderung befindet er sich in seltener Einigkeit mit der Linkspartei. „Ich bin der Meinung, dass die Stadt wirklich diesen Versuch wagen und hier Neuland beschreiten sollte“, meint deren Stadtrat Dennis Ulas.
Vom Bauernhof über das „Raumschiff Enterprise“ zur Ruine
- 1768-71: Das Gebäude wird von Josef Kißel als Bauernhof errichtet. Es ist daher heute das älteste noch bestehende Bauwerk Rheinaus.
- 19. Jahrhundert: Eröffnung einer Gaststätte, die den Namen der einstigen Pferdewechselstation „Relaishaus“ (vom Karlsplatz) übernimmt.
- 1980er Jahre: Sanierung des Gebäudes, vor allem Modernisierung im Inneren.
- 1990er Jahre: Unter seinem damaligen Betreiber ist das Relaishaus Stützpunkt eines Star Trek-Fanclubs. Im September 1994 ist sogar James Doohan („Scotty“) hier zu Gast.
- März 2006: Landesinnenminister Heribert Rech besichtigt das unter Denkmalschutz stehende Gebäude.
- 21. Oktober 2015: Das Gebäude brennt völlig aus. Die Feuerwehr ist 14 Stunden lang im Einsatz. Nur die Außenmauern bleiben übrig.
- 11. Oktober 2016: Prozess wegen schwerer Brandstiftung gegen den Eigentümer und zwei Mitangeklagte beginnt. Staatsanwaltschaft fordert für Eigentümer elf Jahre Gefängnis.
- 25. Oktober 2016: Der Eigentümer wird zu acht Jahren verurteilt, die Mitangeklagten zu fünf Jahren bzw. zu zwei Jahren mit Bewährung.
- Ende 2017: Stadt nimmt auf eigene Kosten Sicherungsmaßnahmen vor.
- 13. Januar 2018: Bürgermeister Lothar Quast kündigt Kaufverhandlungen mit dem Eigentümer an.
- 18. Juni 2018: Sparkasse sagt Zwangsversteigerung des Gebäudes ab. Grund: Eigentümer kann seine Zahlungsverpflichtungen erfüllen.
- Ende 2019: Eigentümer sichert Instandhaltungsmaßnahmen zu, führt diese aber nicht durch.
- 17. Juni 2020: Verfahren zur Bebauungsplanänderung beginnt.
- November 2020: Denkmalschutzrechtliche Anordnung zur Wiederherstellung des Gebäudes.
Gang durch alle Instanzen
Die Verwaltung hält jedoch einen anderen Weg für erfolgversprechender: Im November 2020 erließ sie gegen den Eigentümer die denkmalschutzrechtliche Anordnung, das Gebäude in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen - ein bislang seltenes Vorgehen. „Das ist eine Anordnung gewesen, die so in Baden-Württemberg in den letzten Jahren und Jahrzehnten noch nicht durchgeführt wurde“, betont Schumann. Denn erstmals wurde nicht die Wiederherstellung nur eines denkmalgeschützten Gebäudeteils wie etwa einer Tür gefordert, sondern eines gesamten Gebäudes.
Gegen diese Entscheidung der Stadt hat der Eigentümer Widerspruch beim Regierungspräsidium Karlsruhe eingelegt, über den noch nicht entschieden ist. Schumann zeigt sich jedoch „guter Hoffnung“, dass die Aufsichtsbehörde die Anordnung der Stadt bestätigt.
Doch noch sicherer ist er sich, dass „der Eigentümer auch hiergegen seine Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpfen“, also das Verwaltungsgericht anrufen werde. „Das ist für uns frustrierend, dass wir dabei immer wieder an unsere rechtlichen Grenzen stoßen“, gibt Schumann die Stimmung seiner Kollegen wieder. Und auch Eisenhauer betont: „Es ist in der Tat so, dass wir im gegenwärtigen Rechtsrahmen klar unsere Grenzen erreicht haben.“
Eigentümer beharrt auf seiner Kaufpreisvorstellung
Einen anderen Hoffnungsschimmer bietet das Baurecht, konkret der neue Bebauungsplan, der für dieses Grundstück eine umfassende, mithin ertragreiche Wohnbebauung verbietet. „Der Bebauungsplan steht“, teilt Schumann mit. Und durch diesen werde verhindert, „dass das Grundstück großflächiger genutzt wird und rentable Projekte möglich wären“, wie Schumann versichert:. „Dafür wird er kein Baurecht bekommen.“
Verbunden mit dieser Maßnahme ist die Hoffnung der Stadt, dass der Eigentümer vor diesem Hintergrund das Grundstück an die Stadt verkauft. Parallel zu den rechtlichen Anordnungen nahm die Verwaltung daher die Verhandlungen über einen Verkauf des Grundstücks wieder auf. Zu einer Einigung sei es jedoch „auf Grund der überhöhten Kaufpreisvorstellungen des Eigentümers nicht gekommen“, beklagt Eisenhauer. Schumann bestätigt: „Er beharrt auf seinen Kaupreisvorstellungen, die immens überhöht sind.“
Dennoch denkt die Verwaltung schon weiter. Über mögliche Fördermittel für den Wiederaufbau hat sich die Stadt bereits erkundigt. Vom Denkmalschutz gibt es allerdings nur Geld, wenn geschädigte Bausubstanz restauriert wird; Neubauten werden nicht gefördert. Allerdings gibt es Stiftungen, die auch solche Projekte unterstützen.
Bezirksbeirat frustriert
Voraussetzung hierfür ist aber ein schlüssiges Nutzungskonzept. Auch darüber hat sich die Stadt schon Gedanken gemacht, allerdings die ursprüngliche Idee einer Kindertagesstätte inzwischen wieder verworfen - aus finanziellen Gründen: „Das bewegt sich in einer wirtschaftlichen Größenordnung, die nicht mehr vertretbar ist, wenn wir an anderer Stelle mit dem gleichen Geld deutlich mehr Kindergartenplätze finanzieren könnten“, erläutert Eisenhauer.
Im Bezirksbeirat sorgt die ganze Sache für Enttäuschung. „Seit Oktober 2015 laufen wir an dieser Ruine vorbei“, bringt Ulrike Kahlert (SPD) die Stimmung im Gremium auf den Punkt: „Und es passiert nichts.“ So äußert sie die Sorge, dass „die Menschen auf der Rheinau es (das Gebäude) mittlerweile völlig abgeschrieben haben.“
Auch Rheinaus Stadtrat Thorsten Riehle sieht „keine wesentliche Fortentwicklung zu den Ständen vor einem, zwei oder drei Jahren.“ Und der SPD-Fraktionschef bekennt: „Es ist eine Schande, wenn man daran vorbeifährt oder vorbeiläuft.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Relaishaus Mannheim-Rheinau: Kein Grund zu Pessimismus