Mannheim. Sie wurden mitten aus dem Leben gerissen, sichtbar für alle Bürger an öffentlichen Plätzen zusammengetrieben, in enge Güterwaggons gepfercht, in das Lager Gurs in die Pyrenäen verschleppt und von dort aus meist in Vernichtungslager: Am 22. und 23. Oktober 1940 lief die Deportation von über 6500 badischen, pfälzer und saarländischen Juden durch die nationalsozialistische Diktatur. Zum 85. Jahrestag gibt es, beginnend am Sonntag, zahlreiche Veranstaltungen. Zudem läuft derzeit im Marchivum eine Ausstellung dazu.
Am Sonntag, 19. Oktober um 10 Uhr (Treffpunkt: Eingang) bietet Volker Keller, zweiter Vorsitzender vom Verein Stadtbild Mannheim und Autor des Standardwerks „Bet Olam - Haus der Ewigkeit“ über den jüdischen Friedhof (Verlag Waldkirch), eine Führung über diesen östlichen Teil des Hauptfriedhofs an. Der Rundgang durch die Grabfelder veranschaulicht die jüdische Bestattungskultur und macht mit vielen dort zur letzten Ruhe gebetteten Persönlichkeiten bekannt, die entscheidend zum kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung Mannheims beigetragen haben.
„Die Tat im Bild – Die Deportation von Jüdinnen und Juden aus der Pfalz nach Gurs“ heißt der Titel des Buches, das am Montag, 20. Oktober um 19 Uhr in der Jüdischen Gemeinde Mannheim, F 3, 4, vorgestellt wird. Herausgegeben hat es das Marchivum gemeinsam mit dem Stadtarchiv Ludwigshafen und der Stiftung Topographie des Terrors. Es enthält die am 22. Oktober 1940 in Ludwigshafen erstellte Fotoserie, die mit 21 Aufnahmen zu den umfangreichsten fotografischen Zeugnissen einer Deportation aus Deutschland gehört. Neben neuesten Erkenntnissen über den Kontext und Ablauf der Deportation liefert der Band Informationen zur Überlieferung und Nutzung der Bilder. Die Autoren des Buches stellen die Publikation an diesem Abend vor.
Verlegung von weiteren Stolpersteinen in Mannheim
Am eigentlichen Jahrestag, dem Mittwoch, 22. Oktober, werden dann in Mannheim Stolpersteine verlegt. Sie gehen auf den Künstler Gunter Demnig zurück, der damit an Opfer des Nationalsozialismus – Juden, Sinti und Roma, Widerstandskämpfer, Zwangssterilisierte und viele mehr – erinnert und gelten als das weltweit größte dezentrale Mahnmal. Bisher sind in 27 europäischen Ländern 100 000 der kleinen Steine mit den auf Messingblech graviertem Namen sowie Lebensdaten und -orten verlegt. Seit 2007 werden Stolpersteine auch in Mannheim verlegt; über 330 sind es schon. Nun kommen weitere hinzu. Die Aktion erstreckt sich von 9.15 bis 14.45 Uhr auf acht Orte in der Innenstadt, der Oststadt und der Schwetzingerstadt.
Am Mittwoch um 18 Uhr, findet dann auf den Planken (P 2) in Mannheim ein bewegendes Gedenken an die Deportation nach Gurs im Jahr 1940 statt. Gestaltet wird die Veranstaltung von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Rhein-Neckar gemeinsam mit Schülern des Karl-Friedrich-Gymnasium am Mahnmal auf den Planken vor dem Quadrat P 2, auf dem die Namen der deportierten und getöteten jüdischen Mannheimer aufgeführt sind. Oberbürgermeister Christian Specht wird eine Ansprache halten. Cornelia Weber, Rita Althausen und Bernhard Boudgoust, die Vorstände der Gesellschaft, wollen damit „nicht nur ein Zeichen der Erinnerung, sondern auch ein Zeichen für das Heute und Morgen setzen“.
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