Ladenburg. Stolpersteine gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Der Kölner Künstler Gunter Demnig startete das Projekt 1992, um mit im Boden verlegten Messingtafeln an das Schicksal der Menschen zu erinnern, die während des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Bei seinem Besuch 2007 in Ladenburg, wo seitdem 42 Stolpersteine verlegt wurden, sagte Demnig: „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“
Am Sonntag, 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938, sollen im Gedenken an die Familie Kapustin vor den Häusern Neue Anlage 1 und Schwarzkreuzstraße 8 sechs weitere Stolpersteine hinzukommen. Ein direkter Nachfahre der Familie Kapustin hat sich angesagt und will aus Israel anreisen.
Ziel: allen 88 früheren Mitbürgern jüdischen Glaubens zu gedenken
Am selben Tag ist eine ökumenische Gedenkstunde geplant, bei der eine Theatergruppe an den Gewaltausbruch gegen Juden erinnert. „Nur mit Steine verlegen ist es nicht getan“, sagte Bürgermeister Stefan Schmutz am Mittwoch im Gemeinderat. Die Mitglieder setzten mit ihrer Zustimmung zu weiteren Stolpersteinen ein klares Zeichen gegen das Vergessen der NS-Verbrechen. „Wir sind immer noch nicht am Ziel“, erklärte Schmutz.
Der Arbeitskreis Jüdische Geschichte hat es sich zur unterstützenswerten Aufgabe gemacht, möglichst allen 88 früheren Mitbürgern jüdischen Glaubens zu gedenken, die 1933 noch in Ladenburg lebten. Spenden aus Geschichtsspaziergängen mit Jürgen Zieher und Ingrid Wagner tragen zur Finanzierung bei. Stolpersteine kosten jeweils 120 Euro. Alle Zahlungen werden auf das Konto der gemeinnützigen „Stiftung – Spuren – Gunter Demnig“ eingezahlt, von der der Künstler ein Festgehalt bekommt.
Die Geschichte der Familie Kapustin in Ladenburg ist eng mit der von Ruth Steinfeld, geborene Krell, verknüpft, die Ladenburg zuletzt 2024 besuchte. Der heute 92-jährigen Zeitzeugin wurde am 3. Juni 2025 in Berlin das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik offiziell verliehen. Am 19. Oktober soll es ihr feierlich ausgehändigt werden, und zwar im Holocaust Museum Houston, das sie mit ihrer Schwester Lea 1996 in ihrer neuen Heimat in den USA gegründet hatte.
Beide waren Enkeltöchter von Jakob Kapustin, der in Ladenburg eine Werkstätte betrieb und dem die Flucht aus Nazi-Deutschland gelang – im Gegensatz zur Familie seiner Tochter Anna und deren Ehemann Alfred Krell. Nach dem Krieg holte Kapustin die 2018 verstorbene Lea, verheiratete Weems, und Ruth zu sich nach New York. Auch sein Sohn, der in Ladenburg geborene Rabbiner Max Kapustin, entkam dem Nazi-Terror. Seine Ehe mit Brunhilde Rosenfelder war die letzte, die in der 1938 demolierten Ladenburger Synagoge geschlossen wurde. Die Familie Kapustin wurde danach auseinandergerissen, etliche Mitglieder starben in Auschwitz, andere flohen aus Gurs und wurden von französischen Bauern versteckt – wie Lea und Ruth.
Alle Ladenburger Ratsfraktionen würdigten die Initiativen des Arbeitskreises und betonten, wie wichtig es sei, aus der Geschichte zu lernen und Demokratie zu schützen.
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