Mannheim. Die ersten öffentlichen Treffpunkte sind Anfang der 1970er Jahre der Wasserturm und die Lauerschen Gärten. Dort wird damals in erster Linie gekifft, Heroin steht da weniger im Vordergrund. Studenten, junge Arbeitslose, Ausreißer. Die Polizei sei am Anfang etwas hilflos gewesen, erinnert sich Wolf Preißner. Man habe nicht gewusst, wie man diese jungen Menschen erreiche. Recht schnell sei jedoch klargeworden, dass sich nicht die Ämter um sie kümmern sollen. Sondern ein Verein. Das führt vor 50 Jahren, am 5. Mai 1972, zur Gründung des Mannheimer Drogenvereins.
Preißner, heute 78, arbeitet damals schon - wie sein weiteres Berufsleben - als Bewährungshelfer. Es waren „seine Jungs“ damals an den Treffpunkten. Der Mann mit der sanften Stimme, viele Jahre selbst im Vorstand des Drogenvereins, hat jetzt zum 50. Geburtstag eine mehr als 500 Seiten starke Chronik mit vielen Interviews und Zeitungsartikeln zusammengestellt, die die Entwicklung nachzeichnet.
Der Verein und das Jubiläum
- Der Drogenverein mit Sitz in K 3, 11-14 betreut in Mannheim die Konsumenten illegaler Drogen – aktuell sind es laut Geschäftsführer Philip Gerber knapp 1300 Personen pro Jahr. Rund 650 davon sind heroinabhängig, 300 konsumieren Haschisch oder Marihauna, weitere 90 Personen Kokain und rund 80 Amphetamin. Die übrigen sind Angehörige.
- Der Verein hat aktuell knapp 30 Beschäftigte in Voll- und Teilzeit. Der Etat beträgt knapp zwei Millionen Euro jährlich. Mit 1,2 Millionen Euro steuert die Stadt den größten Anteil bei, in den Etat fließen aber auch Landesmittel und Bußgelder.
- Zum Jubiläum gibt es an diesem Mittwoch, 4. Mai, von 16 bis 18 Uhr in der Abendakademie einen Festakt für geladene Gäste. Sprechen werden dort unter anderem Gesundheitsdezernent Dirk Grunert, Dorothea Aschke von der baden-württembergischen Landesstelle für Suchtfragen sowie der Erste Vorsitzende des Drogenvereins, Günter Urbanczyk. Von 18 Uhr an lädt der Verein dann zu einem Fest im Innenhof des Gebäudes in K 3 ein.
Eigentlich wollen die Verantwortlichen damals mit Ludwigshafen ein gemeinsames Angebot machen, einen gemeinsamen Verein gibt es bereits. Doch am Ende findet man nicht zusammen, auch weil Mannheim der „Clean-Anspruch“ enorm wichtig ist - also das Hauptziel, die Menschen auf jeden Fall weg von der Droge zu bringen. Auch wenn das, wie sich später zeigt, nicht einzuhalten ist. So kommt es zur Gründung des Mannheimer Vereins mit Jürgen Mangold als erstem Vorsitzenden, sehr schnell steigen auch Stadtverwaltung und Diakonie in die Finanzierung ein. „Man brauchte damals ein spezialisiertes Angebot für die Betroffenen“, sagt Philip Gerber. Er ist heute der für die Inhalte zuständige Geschäftsführer. Vor rund 25 Jahren hat er als Praktikant im Verein angefangen.
Was bringt die Legalisierung?
Es gibt zunächst eine therapeutische Wohngruppe in der Diffenéstraße, deren Aufgabe später die entstehenden Therapie-Fachkliniken übernehmen. Die erste Beratungsstelle ist in der Herzogenriedstraße. Vieles im Umgang mit Drogen, sagt Gerber, sei damals im Entstehen gewesen, man habe ausprobieren müssen.
Anfang der 1980er Jahre wächst der Verein, die Stadt finanziert vier weitere Stellen. Das ist auch die Zeit, in der sich das Heroin als Droge „ausgebreitet und etabliert hat“, wie Gerber erzählt. „Mit allen Begleiterscheinungen der Beschaffungskriminalität wie Diebstahl und Prostitution.“ Westlich der Breiten Straße trifft sich die Szene damals. 1985 wird in Mannheim der Runde Tisch Drogen initiiert, ein regelmäßiger Austausch von Drogenverein, Polizei, Stadt, Kliniken und Zentralinstitut für Seelische Gesundheit. Ein Jahr später zieht der Verein in das Gebäude in K 3, in dem er heute noch sitzt. Mitte der 1990er Jahre kommt dann die gesetzliche Grundlage für die sogenannte Substitution, also die Behandlung von Heroinabhängigen mit dem Ersatzstoff Methadon. In Mannheim macht eine Schwerpunktpraxis dieses Angebot. Die dafür vorgeschriebene psychosoziale Begleitung der Patienten übernimmt der Drogenverein.
Durch sein Angebot „von Prävention, Beratung, Unterstützung, Therapie und Begleitung von Familienangehörigen und Kindern“ biete der Verein „elementar wichtige Hilfen“ für Abhängige, würdigt Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) in der Chronik die Arbeit. Gesundheitsdezernent Dirk Grunert (Grüne) hebt den immer stärker gewordenen Einsatz des Vereins für Kinder und Jugendliche in Suchtfamilien hervor. Schließlich seien Suchterkrankung von Eltern „ein besonders hohes Entwicklungsrisiko“ für Kinder.
Und was bringt die Zukunft? Geschäftsführer Gerber beunruhigt, dass für Jugendliche heute alle Substanzen über das Darknet viel besser verfügbar seien als früher. Dazu komme, dass es bei vielen Jugendlichen eine größere „Experimentierbereitschaft“ gebe. Die von der Koalition in Berlin geplante Freigabe von Haschisch und Marihuana unterstützt Gerber - auch wenn viele Fragen der Umsetzung noch unklar seien und die Legalisierung auch neue Konsumenten bringen werde. Aber für Gerber überwiegen die Vorteile ganz klar. Es gebe keinen illegalen Markt und keine verunreinigte Ware mehr. „Und Teilzeit-Konsumenten werden entkriminalisiert.“
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheimer Drogenverein hat viele Leben gerettet