Jubiläum

30 Jahre Moschee: So entwickelte sich das Gotteshaus im Mannheimer Jungbusch

Die Yavuz-Sultan-Selim-Moschee in Mannheim feiert 30 Jahre Akzeptanz und Integration in der Stadtgesellschaft. Der Weg dahin war weit.

Von 
Kilian Harmening
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Seit 30 Jahren ist die Yavuz-Sultan-Selim-Moschee am Luisenring Teil des Mannheimer Jungbuschs. © Kilian Harmening

Mannheim. Kamil Yilmaz ist stolz. Stolz auf seine drei Töchter und seinen Sohn, der in diesem Jahr als letztes der vier Kinder sein Abitur ablegt. Dabei ist das keine Selbstverständlichkeit. Als Yilmaz 1971 als Gastarbeiter kam, konnte er sich nicht ausmalen, dass er hier einst vier Kinder großziehen wird. Sie wachsen in einer Gesellschaft auf, die ihre Familie oft als „anders“ wahrnimmt. Der Zugang zu Aufstiegschancen, Bildung und Integration bleibt bis heute umkämpft. Doch Fortschritte wurden erzielt, da ist sich Yilmaz sicher – Fortschritte, die es seinem Sohn nun ermöglichen, von einer Karriere als Staatsanwalt zu träumen.

Yilmaz ist Redaktionsleiter einer türkischen Zeitung, die hier monatlich für das Rhein-Main-Gebiet erscheint. Als Ludwigshafener ist er zwar kein Gemeindemitglied der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee im Mannheimer Jungbusch, trotzdem kann Yilmaz qua Beruf mit am besten beurteilen, wie sich die Moschee in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Am 4. März 1995 öffnete das Bauwerk erstmals seine Pforten – nach langem Widerstand. Dieser Tage erfreut sich das muslimische Gotteshaus einer deutlich größeren Akzeptanz und feiert sein 30-jähriges Bestehen.

Herausforderungen überwunden: Eine Mannheimer Moschee wird Vorbild

Dieses Stadium der Akzeptanz zu erreichen, war herausfordernd – ähnlich herausfordernd wie es für Yilmaz‘ Kinder war, trotz Migrationshintergrund einen akademischen Bildungsweg einzuschlagen. Jahrelang gab es vor dem Bau in den 1980er- und 1990er-Jahren Proteste, vor allem aus Angst vor der unbekannten Religion, dem Islam. Über zehn Jahre lang kämpften die Verantwortlichen für eine Baugenehmigung und sahen sich mit Vorurteilen und Ablehnung konfrontiert. „Oft schien es, als würden wir gegen eine unsichtbare Mauer rennen“, blickt Osman Özay, ehemaliger Gemeindevorsitzender zurück. Doch: „Wir haben standgehalten, mit Geduld.“

Zu Zeiten ihres Baus war die Yavuz-Sultan-Selim-Moschee die größte in Deutschland – inzwischen wird sie etwa von der Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh oder der Ditib-Zentralmoschee in Köln überragt, die beide in Gewerbegebieten liegen. Die Mannheimer Moschee ist dagegen zentral im Herzen der Stadt verankert – und in Sachen Kapazität weiter Nummer eins bundesweit, freut sich Kamil Yilmaz. Erst diesen Sonntag, als gläubige Muslime das Ende des Fastenmonats Ramadan feierten, bot das Gotteshaus mit der markanten Kuppel Raum für mehr als 2.000 Menschen. Insgesamt zählt die Quadratestadt heute mehr als zwölf muslimische Gebetshäuser.

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Auch Bildungsbürgermeister Dirk Grunert ist zum Jubiläum zu Gast in der „prächtigen Moschee“, wie er sie selbst nennt. Er lobt die Modell- und Vorbildfunktion, die das Gebäude weit über Mannheim hinaus genieße. Heute sei die Yavuz-Sultan-Selim-Moschee integraler Bestandteil des Jungbuschs. Als unverzichtbar erachtet Grunert auch das Konzept der „offenen Moschee“: Es ist der Versuch, ausdrücklich auch Nicht-Muslime willkommen zu heißen. Etwa macht die Moschee beim Nachtwandel mit, ermöglicht aber auch zu anderen Gelegenheiten Führungen.

Der Gebetsraum der Yavuz-Sultan-Selim-Moschee in Mannheim. © Kilian Harmening

Etwas, das man hier über die Religion erfährt, ist die hohe Bedeutung, die das tägliche Gebet (Salāt) einnimmt. Als eine der fünf Säulen des Islam ist es eine der religiösen Pflichten und dient der direkten Verbindung zu Allah. Muslime ziehen sich hierzu ihre Schuhe aus, um auf dem Teppich des riesigen Gebetsraums Platz zu nehmen, dessen prächtige Architektur den Raum mit einer spürbaren spirituellen Präsenz erfüllt.

„Ich glaube schon, dass wir in der Stadtgesellschaft angekommen sind“, sagt DITIB-Gemeindesekretär Cem Yalçınkaya. Die jüngere Generation sei hier geboren und aufgewachsen – und ist Ingenieur geworden, Lehrer, Meister. Etwas, von dem die Gastarbeiter aus der Zeit des Wirtschaftswunders nur träumen konnten. Nun blicken sie stolz auf ihre Enkel. Für Osman Özay ist die Moschee auch ein „Symbol dafür, was möglich ist, wenn Menschen sich die Hand reichen, anstatt Mauern zu errichten“.

Muslimische Integration und Bildung in Mannheim stärken

Gemeindevorsitzender Hızır Oymak schätzt es, hier seit vielen Jahren die eigene Kultur und den eigenen Glauben ausleben zu können. Er zitiert den Schriftsteller Max Frisch, der auf die menschliche Dimension der Gastarbeiter-Zeit hinwies: „Wir riefen Arbeiter, und es kamen Menschen.“

Kamil Yilmaz ist Redaktionsleiter einer türkischen Zeitung und lebt seit 1971 in Deutschland. Alle seine vier Kinder machen Abitur, erzählt er stolz. © Kilian Harmening

Diese Menschen, sie haben auch bewegt, dass es seit 2013 mit „Lâlezâr“ in der Neckarstadt-West den ersten muslimischen Kindergarten in Mannheim gibt. Yalçınkaya benennt es als eine der großen Herausforderungen, in den nächsten Jahren weitere Bildungsinfrastruktur aufbauen, um die Aufstiegschancen für Migranten zu verbessern.

Mit der Liebfrauenkirche, der Hafenkirche und der Synagoge seien von der Moschee aus nun „alle Weltregionen fußläufig erreichbar“, so Yalçınkaya. Nach ihrer Eröffnung 1995, berichtet der Gemeindesekretär, habe die Skepsis schnell nachgelassen. „Die Leute haben ja Angst vor dem, was sie nicht kennen. Dann haben sie gesehen: Das sind ganz normale Leute, die kommen normal gekleidet, die gehen normalen Jobs nach.“ Und so kommt es, dass die ehemaligen Gastarbeiter, die blieben, in Mannheim ankommen durften und Teil der Stadtgesellschaft wurden – auch als Muslime. Und nach und nach aufhörten, sich fremd zu fühlen. Auch wenn Herausforderungen, etwa wenn politische Konflikte religiös aufgeladen werden, bleiben.

Mit Gästen aus dem Gemeindeleben und der Lokalpolitik feierte die Yavuz-Sultan-Selim-Moschee ihr 30-jähriges Bestehen. © Kilian Harmening

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