Mannheim. Ein besonderes Jubiläum wurde am Wochenende in der Alten Feuerwache gefeiert: Die AWO Mannheim lud zur großen Festveranstaltung anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens ein. Unter dem Motto „Solidarität, Toleranz, Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit“ feierte die Organisation nicht nur ihre bewegte Geschichte, sondern setzte auch ein kraftvolles Zeichen für die Zukunft der sozialen Arbeit.
Moderatorin Frauke Kühnl und Markus Sprengler vom AWO-Kreisverband Mannheim führten gemeinsam durch den Nachmittag und erinnerten gleich zu Beginn daran, dass diese Werte heute aktueller seien denn je.
Ein Höhepunkt war die Weltpremiere eines emotionalen Imagetrailers, der eindrucksvoll die Geschichte der AWO Revue passieren ließ. Der Film verband persönliche Geschichten mit historischen Meilensteinen und verdeutlichte, dass die AWO seit jeher dort anpackt, wo Hilfe gebraucht wird – ob in der Nachkriegszeit, im Aufbau der sozialen Infrastruktur oder in der heutigen, zunehmend herausfordernden Gegenwart.
Marie Juchacz, Visionärin und Wegbereiterin der AWO
Ein zentraler Moment des Rückblicks galt Marie Juchacz. Mit den Worten „Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Juchacz“ wurde sie am 19. Februar 1919 zur ersten Frau, die im deutschen Parlament sprach – ein Meilenstein für Frauenrechte und politische Teilhabe. Doch Juchacz war weit mehr als Symbolfigur: Sie war Sozialpolitikerin, Kämpferin für Gerechtigkeit und Visionärin. In einer Zeit, in der Millionen Menschen hungerten und das Land nach dem Ersten Weltkrieg am Boden lag, gründete sie die Arbeiterwohlfahrt – aus tiefer Überzeugung, dass soziale Not nicht hinzunehmen ist, sondern mit solidarischem Handeln beantwortet werden muss.
Wir sind keine träumerischen Idealisten, sondern Realisten mit Haltung – verantwortungsvolle Anpacker, die hinschauen, helfen und gestalten
„Wir sind keine träumerischen Idealisten, sondern Realisten mit Haltung – verantwortungsvolle Anpacker, die hinschauen, helfen und gestalten“, sagte AWO-Kreisvorsitzender Alexander Manz in seiner Ansprache. Er selbst kennt die Organisation von innen: Als ehemaliger Zivildienstleistender bei der AWO ist er ein echtes Eigengewächs. Heute führt er die Einrichtung mit rund 650 Mitarbeitenden, 35 sozialen Diensten und Einrichtungen, 750 ehrenamtlichen Mitgliedern und über 100 freiwillig Engagierten. In ihrer täglichen Arbeit deckt die AWO ein breites Spektrum ab – von Kinderbetreuung über Altenhilfe bis zur Unterstützung Geflüchteter oder wohnungsloser Menschen.
Manz erinnerte auch daran, dass sich die AWO in der Zeit des Nationalsozialismus nicht vereinnahmen ließ und ihre Grundwerte nie aufgegeben hat – ein historischer Verdienst, auf den die Organisation bis heute stolz sein kann. „Vielfalt ist unser Merkmal“, sagte Manz. „Bei uns arbeiten Menschen aus über 70 Nationen – unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Religion. Wir setzen uns für Menschen ein, die sonst niemand sieht oder hört.“
Zu den Ehrengästen der Feier zählten zahlreiche politische Persönlichkeiten, darunter Dr. Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, die in ihrer Festrede auf die Rolle sozialer Organisationen in der Verteidigung der Demokratie einging. Weitere Grußworte kamen von Dr. Ute Leidig, Staatssekretärin im baden-württembergischen Sozialministerium, Claudia Mandrysch vom AWO-Bundesvorstand sowie von Uwe Pressler, Vorsitzender des AWO-Bezirksverbands Baden-Württemberg.
Vertreterinnen und Vertreter der kommunalen Politik zeigten sich in großer Zahl. Alexander Manz konnte die Bundestagsabgeordnete Isabel Cademartori, die Landtagsabgeordneten Dr. Susanne Aschoff und Dr. Stefan Fulst-Blei sowie Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht begrüßen. In seinem Grußwort betonte OB Specht die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der AWO: „Die AWO ist dort, wo die Menschen sind – nah an den Bedürfnissen, mitten im Leben. Das ist auch an der Otto-Bauder-Anlage deutlich spürbar, wo aus guter Partnerschaft konkrete soziale Wirkung entsteht.“
OB Specht: Ehrenamtliche sind Rückgrat der sozialen Arbeit
Mit Nachdruck würdigte der Oberbürgermeister auch die Arbeit der über 100 Ehrenamtlichen, die sich tagtäglich mit Herzblut engagieren: „Was hier geleistet wird, ist unbezahlbar – ohne diese Menschen wäre vieles nicht möglich. Sie sind das Rückgrat der sozialen Arbeit vor Ort.“ Ein besonders emotionaler Moment war die Verleihung des AWO-Sozialpreises durch den Präsidenten des Kreisverbands, Stefan Höß. Ausgezeichnet wurde der „Wünschewagen“ des ASB Rhein-Neckar, der schwer kranken Menschen einen letzten Herzenswunsch erfüllt.
Für den musikalischen Rahmen sorgte die Band AWO & Friends, eine hausinterne Band der AWO. Zum Abschluss der Veranstaltung erklang ein Lied, das nicht nur historisch bedeutsam, sondern auch heute ein starkes Symbol ist: „Die Gedanken sind frei“. Alle Gäste sangen mit – ein bewegender Moment der Verbundenheit und Zuversicht. Ein würdiger Schlusspunkt für einen Festtag, der die Geschichte ehrte, die Gegenwart feierte und den Blick mutig in die Zukunft richtete.
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