Mannheim. Die Kalmit-Apotheke schließt – überraschend bereits zu Ende Juli. Die Kundinnen und Kunden sind schockiert, und die Inhaberin, Bettina Schenk, ist es auch: "Seit einem Jahr zahle ich nur noch drauf", sagt die Apothekerin. Gerne hätte sie weitergemacht, aber es rechne sich hinten und vorne nicht mehr. So geht an der Ecke Meerwiesenstraße und Donnersbergstraße – die namensgebende Kalmitstraße liegt ein paar Meter entfernt - eine mehr als 50 Jahre lange Apothekengeschichte zu Ende. Vor Bettina Schenk hat ihre Mutter die Apotheke geführt, 2009 hat dann die Tochter die Leitung übernommen. Sie bedauert, dass in wenigen Wochen für immer Schluss sein wird. "Damit geht auch ein sozialer Treffpunkt im Viertel verloren." So habe sie nicht nur Patienten mit Medikamenten, sondern auch mit Ratschlägen versorgt, sie habe Impfungen verabreicht, Blutdruck gemessen, auch mal einem Hund eine Zecke entfernt und Traubenzucker an die vorbeihüpfenden Schulkinder verteilt. "Wir kannten die Menschen, die zu uns kamen, und die Menschen kannten uns und hatten Vertrauen." Nun werden die Wege weiter, die nächsten Apotheken sind in Neckarau in der Rheingoldstraße oder auf dem Lindenhof in der Meerfeldstraße. Was mit dem Ladenlokal passiert, ist laut Bettina Schenk noch ungewiss.
Laut dem Landesapothekerverband Baden-Württemberg ist die Kalmit-Apotheke damit eine von vielen Apotheken, die vor dem Aus stehen. Den Angaben zufolge haben 2024 bundesweit 530 Apotheken geschlossen, in Baden-Württemberg waren es 79. "Das sind beängstigende Zahlen, denn die Versorgungsdichte geht dramatisch zurück", teilt der Verband auf Anfrage mit. Immer weniger Apotheken stünden für die tägliche Versorgung beziehungsweise den Nacht- und Notdienst zur Verfügung. Die Wege zur nächsten Apotheke seien für viele Menschen mittlerweile fast unzumutbar weit. Während im europäischen Mittel 30 Apotheken auf 100.000 Menschen kämen, seien es in Deutschland gerade noch 20 Apotheken.
Honorar in den vergangenen 20 Jahren nur einmal angepasst
In aller Regel seien wirtschaftliche Gründe für die Entscheidung der Apothekerinnen und Apotheker verantwortlich, ihr Geschäft aufzugeben. In den vergangenen mehr als 20 Jahren sei das apothekerliche Honorar nur einmal um drei Prozent angepasst worden. In derselben Zeit seien die Kosten, vor allem die Personal- und Betriebskosten, um ein Vielfaches gestiegen. "Für viele Apotheken bedeutet das, dass sie wirtschaftlich nicht mehr tragfähig sind oder nicht mehr an eine Nachfolge übergeben werden können."
Mehr als 80 Prozent des Umsatzes wird laut Landesapothekerverband mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln erwirtschaftet. Medikamente der Selbstmedikation, die von Patienten ohne Rezept in der Apotheke erworben werden, seien das zweite wirtschaftliche Standbein. Hier stünden die Apotheken allerdings – anders als bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln, für die es in Deutschland eine Preisbindung gebe - im Wettbewerb unter anderem mit dem Online-Handel. Wie der Verband weiter betont, verdient ein angestellter Apotheker in einem Krankenhaus, dessen Bruttogehalt bei niedrigster Einstufung bei rund 83.000 Euro im Jahr liegt, teils mehr als ein Apothekeninhaber.
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