Mannheim. Vom kräftigen Grün und leuchtenden Rot, vom rieselnden Wasser, das an den stählernen Stelen herablief, ist nichts mehr zu ahnen: abgeplatzter, ausgebleichter Lack, Rost, und ein teilweise beschädigtes Straßenpflaster sowie morsche Fragmente von Sitzbänken - das ist alles, was von dem offiziell namenlosen Gemeinschaftsplatz in der Thüringer Straße, gleich neben der katholischen Zwölf-Apostel-Kirche, geblieben ist.
Ein Schandfleck, sagen viele, ein „lost place“, ein verlassener Ort, ein trauriges Zeugnis der heute längst überholten Vorstellungen, mit denen Stadtplaner in den 1960er Jahren ans Werk gegangen sind.

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Elsa Hensseler-Etté kann sich noch gut daran erinnern, wie der Platz vom gewerkschaftseigenen Baukonzern Neue Heimat dem Stadtteil geschenkt wurde: „Das war damals eine tolle Sache“, berichtet die 76-Jährige. „Der Platz war sehr schön, mitten im nagelneuen, modernen Wohngebiet.“ Die Nachbarschaft habe sich hier gerne getroffen, Kinder hätten zwischen den Säulen gespielt, im Sommer sei es „einfach herrlich“ rund um die Röhrenplastiken gewesen.
Diese hatte der Künstler Hans Nagel (1926-1978) aus Heidelberg entworfen, ein Schüler des Mannheimer Künstlers Will Sohl (1906-1969), der auch an anderer Stelle in der Region seine Spuren hinterlassen hat - etwa vor dem Kunstverein (Augustaanlage), im Foyer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar oder im Innenhof des ehemaligen Gesundheitsamts in L 1.
Skulptur ist rund sieben Meter hoch
Die Skulptur auf der Vogelstang ist stattliche sieben Meter hoch, besteht aus ursprünglich grün/rot angestrichenen Elementen und ist das größte Röhren-Gebilde des Künstlers überhaupt. Ein Bestandsschutz für das monumentale Werk läuft noch bis 2041 - frühestens dann wäre es überhaupt möglich, das seinen Besitzern zur Last fallende Kunstwerk zu verschrotten.
Was Elsa Hennseler-Etté auf jeden Fall verhindern möchte und deswegen derzeit einen erneuten Anlauf unternimmt, eine Sanierung der Skulptur und des gesamten Platzes doch noch hinzubekommen. Frühere Initiativen seien, so bedauert sie, leider immer wieder im Sande verlaufen.
Immerhin: ganz so verloren, wie es auf den ersten Blick erscheint, ist Hans Nagels monumentale Hinterlassenschaft auf der Vogelstang nicht. Eine aus 48 Miteigentümern bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) besitzt das Kunstwerk und den Platz als Gemeinschaftseigentum. Eine ungewöhnliche Konstellation, die daher kommt, dass die Neue Heimat quasi die gesamte Vogelstang gebaut und einen Teil der öffentlichen Infrastruktur gleich mit hergestellt hatte.
Nach der Abwicklung der Neuen Heimat wurden zunächst ganze Häuserblocks an private Wohnungsunternehmen verkauft. Diese wiederum vermarkteten viele der Wohnungen an zahlreiche Einzeleigentümer. Auf diesem Weg gelangte die WEG in den Besitz des Platzes samt Monumentalkunstwerk.
Wie’s jetzt weitergeht? Die Sanierung des Kunstwerks würde laut Hensseler-Etté etwa 50 000 Euro kosten. Wer das bezahlen soll? Eigentlich Sache der Eigentümer. Aber: Die Stadt Mannheim, die Kunsthalle und die Künstlernachlässe Mannheim hätten ihr signalisiert, dass sie mithelfen, die Sanierung der Röhrenplastik zu stemmen. Auch namhafte Einzelmäzene seien bereits auf das Vorhaben aufmerksam gemacht worden.
Verantwortung liegt auch bei der Stadt
Die ebenfalls dringend nötige Reparatur des beschädigten Platzes würde, so glaubt Hennseler-Etté, weit weniger Geld als die aufwändige Sanierung des Kunstwerks kosten. Auch hier stehe die WEG zwar grundsätzlich in der Pflicht. Die engagierte Vogelstänglerin Hennseler-Etté möchte eine bürgerschaftliche Gemeinschaftsaktion ins Leben rufen und vor allem Jugendliche mit einbinden, sich für die Verschönerung des Stadtteils einzusetzen.
Die WEG selbst will sich zwar einerseits nicht an Spekulationen beteiligen, kündigte auf Nachfrage gegenüber dieser Redaktion aber an, die Rahmenbedingungen jetzt gründlich prüfen zu wollen, damit man klarer sehe, was möglich ist und was nicht. Die Eigentumsverhältnisse seien an der Stelle kompliziert, man müsse aber genau wissen, was zu welchen Bedingungen machbar sei, hieß es von Seiten der WEG.
Elsa Hennseler-Etté sieht Verantwortung indessen auch bei der Stadt Mannheim „Wenn man bedenkt, dass die Verbindung über die geplante Brücke in den neuen Stadtteil Franklin direkt auf den Platz und die Skulptur zuläuft, müsste die Stadt doch auch ein Interesse an einer guten Lösung haben“, sagt sie. Gute Aussichten also, dass Platz und Kunstwerk doch noch in alter Form wieder hergestellt werden und die Nagel-Säulen bald wieder in rot und grün erstrahlen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Vergessene Monumental-Skulptur in Mannheim: Kreative Lösungen sind gefragt