Wer von der Endhaltestelle Sandhofen zur KZ-Gedenkstätte durch die Ziegelgasse läuft, geht den Weg, den die Zwangsarbeiter im Winter 1944-45 gegangen sind. „Hier hinunter, bis zum Altrhein, und dann bis zum Benz-Werk“, sagt Jenny Bernack.
Es ist heute kaum vorstellbar, dass die Arbeiter, Männer und männliche Jugendliche aus Polen, hier entlang gegangen sind, ausgezehrt und müde. Untergebracht waren sie in der damaligen Friedrichschule, der heutigen Gustav-Wiederkehr-Schule. Zum Besuch der Gedenkstätte, die von September 1944 bis März 1945 eine Außenstelle des Konzentrationslagers Natzweiler (Elsass) war, hatte Mathias Kohler, Arbeitsgemeinschaft 60plus der SPD Sandhofen, eingeladen.
Die Schule wurde in der Endphase der Gewaltherrschaft der Nazis zu einem so genannten Hungerlager, da es einen großen Versorgungsengpass gab. Hier waren 1070 Menschen untergebracht, die während des Warschauer Aufstandes 1944 aus ihrer Heimatstadt verschleppt worden waren, als sie sich gegen die deutsche Besatzungsmacht stellten.
„Der Zug kam am Stich, der heutigen Endhaltestelle an. Zuerst wurden die Männer von den Einwohnern beworfen und beschimpft, doch mit der Zeit hatten die Leute Empathie“, sagt Freddy Hackbarth, Guide der Gedenkstätte. „Die Schule war leer, die Kinder waren wegen der Bombenangriffe auf dem Land. Die Häftlinge waren im ersten und zweiten Obergeschoss untergebracht, im Erdgeschoss war die SS. In einem Klassenzimmer schliefen 60 Leute in Stockbetten. Nur wenige waren tatsächlich an dem Aufstand beteiligt.“
Wie kamen die Leute nach Sandhofen? „Das Benz-Werk hat das Lager eingerichtet und Arbeitskräfte angefordert. Diese kamen aus dem KZ Dachau.“ Der Maler Mieczyslaw Wisniewski, der inhaftiert war und überlebte, fertigte später Zeichnungen aus dem Alltag an, dabei sind genaue Details der Schule zu erkennen, so sehr hat sich das Erlebte ins Gedächtnis eingeprägt. Eine Zeichnung zeigt die Hinrichtung von Marian Krainski, der bei der Arbeit im Benz-Werk einen technischen Fehler machte und wegen angeblicher Sabotage gehenkt wurde.
Das Museum im Keller hat einen Filmraum, in dem sich die Besucher eine Dokumentation ansehen können, in der vier ehemalige Häftlinge über ihre Gefangenschaft berichten. Morgens gab es Malzkaffee und nichts zu essen, mittags eine Wassersuppe, die aus Blättern gekocht war. Die Häftlinge versuchten ständig, an etwas Essbares zu kommen und gingen dabei das Risiko ein, bestraft zu werden. Ein Mann erinnert sich, dass er bei der Haftentlassung 34 Kilo wog. In der Ausstellung ist ein Gürtel zu sehen, der auf den Taillenumfang eines Häftlings eingestellt ist. „Ein Kopfumfang“, sagt Hackbarth. Solidarität habe es unter Gefangenen nicht gegeben, doch man durfte kein Essen stehlen.
Gegen Ende des Krieges wurden einige Überlebende nach Dachau zurückgebracht. „Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als die Amerikaner nach Dachau kamen“, sagt ein Überlebender im Film. Der Moment der Befreiung. Die Aufarbeitung seitens des Benz-Werks begann erst in den 80er und 90er Jahren. Eine Entschädigung gab es nicht. „Die Überlebenden wurden eingeladen zu einer Werksführung. Man könnte deutlich mehr machen“, fügt Hackbarth hinzu.
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