Mannheim. Bis Frühjahr 2025 gibt es eine letzte Chance. „Wenn sich bis dahin nichts tut, reden wir über Abriss“, sagt Dekan Ralph Hartmann klar. Dass er am Donnerstag vor die Presse trat, hatte daher bewusst „den Charakter eines Aufrufs“, wie er sagte. Er hofft, dass sich noch ein Investor findet, „der sich in die Thomaskirche verliebt“. Wenn nicht, bedeutet dies das Ende des Gotteshauses.
Gebaut wurde es 1949/50 nach Plänen von Christian Schrade, der auch die Christuskirche entwarf. Es war der erste neue Sakralbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber die Kirche steht seit 2009 leer, als zwei heftige Rohrbrüche einen großen Wasserschaden anrichteten. „Es war schnell klar, dass wir sie nicht mehr nutzen wollen und können“, so der Dekan. Die Thomasgemeinde hält ihre Gottesdienste längst in der St. Pius-Kirche ab, die zu Mannheims erster Ökumenekirche geworden ist und wo auch die Glocken der Thomaskirche sowie andere sakrale Gegenstände integriert worden sind.
Kirchenbau als Tagungs- und Fortbildungszentrum in Mannheim?
2015 gab es die Idee, aus der Kirche ein Tagungs- und Fortbildungszentrum für das Büro- und Gewerbegebiet Eastsite zu machen. Allerdings ist die B.A.U. 2019 vom Erbbaurechtsvertrag zurückgetreten. Er habe sich zwar „mit großer Begeisterung auf dieses Projekt gestürzt, viel Zeit und Geld in die Planung investiert und wollte noch viel mehr in den Umbau eines sakralen zu einem säkularen Versammlungsraum investieren“, so B.A.U.-Geschäftsführer Peter Gaul auf Anfrage.
Die Baugenehmigung war 2019 erteilt worden. „Leider mussten wir so lange auf eine Baugenehmigung warten, dass das Projekt mit anderen Projekten und denen unserer Partner kollidiert wäre“, begründet er den Ausstieg. „Das war ein schwerer Schlag“, so Hartmann, „denn es wäre eine sehr schöne Lösung gewesen“. Gaul hatte der Evangelischen Kirche noch einen neuen Interessenten präsentiert, der einen Kindergarten errichten wollte. „Das scheiterte an den Vorgaben für das Außengelände, das hätte nicht gereicht“, so der Dekan.
„Seither suchen wir intensiv eine Nachnutzung“, so Hartmann, doch vergeblich. Die Kirche steht leer und gammelt vor sich hin. Inzwischen gab es mehrfach Einbruchversuche. Außer den Folgen der Rohrbrüche „gibt es noch viele Schäden“, bedauert Daniel Koch, der Leiter der Bauabteilung des Dekanats. So hat er Schäden am Fundament festgestellt, weil in der Nachkriegszeit offenbar der Neubau einfach auf den Untergrund der alten, im Krieg zerstörten Kirche gesetzt wurde. Ein sehr großer Riss zieht sich, von innen wie an der Fassade sichtbar, durch das Gebäude. Die Böden sind, soweit nicht ohnehin im Zuge des Wasserschadens entfernt, marode. Allein für eine Stabilisierung des Fundaments werden laut Koch 250 000 bis 400 000 Euro fällig. Die gesamten Sanierungskosten nur „für Dach und Fach“, wie Fachleute sagen, beziffert er Stand 2022 auf etwa 1,2 bis 1,5 Millionen Euro, derzeit schon auf 1,6 Millionen Euro, „aber dann haben sie nur die Gebäudehülle, ohne neue Innenausstattung, ohne Nutzung“. Dem stehe nach einem Gutachten von 2022 ein Verkehrswert für Gebäude und Freifläche von 650 000 Euro entgegen.
Wohnungen in der Mannheimer Kirche? - Zu teuer
Untersucht hat das Dekanat, ob sich die Kirche etwa für Wohnzwecke umnutzen lässt. Sieben Wohnungen könnten in de Gebäudehülle passen, aber laut Koch ist das „wirtschaftlich nicht abbildbar“. Selbst bei nur mittlerem Standard käme man auf eine Quadratmetermiete von über 32 Euro - was den Mietspiegel weit übersteigen würde.
Das Rechenbeispiel belegt laut Hartmann: „Wir haben versucht, in alle Richtungen zu denken“. Er hofft, dass sich noch ein möglicher Investor findet, der das Gebäude sanieren und nutzen kann. „Wir sind da sehr beweglich, wenn jemand mit einer Idee ums Eck kommt“, so der Dekan, wobei ihm eine gemeinnützige oder andere kirchliche Nutzung am Liebsten wäre. Denkbar seien indes nur Erbpachtlösungen, das Grundstück gebe die Kirche grundsätzlich nicht ab, zumal direkt nebenan mit dem Thomascaree ein evangelisches Seniorenheim liegt. Ohne einen Investor müsse die Kirche aber handeln: „Wir können nicht zusehen, wie das eine Ruine wird“, warnt er.
„Die Bevölkerung wünscht sich den Erhalt“, sagt Stefan Bickmann, Vorsitzender des Stadtteilvereins Neuostheim. Zwar hätten viele die Kirche durch den langen Leerstand „vergessen und verdrängt“, „aber es hängen auch viele Emotionen dran, es waren viele Taufen und Trauungen hier“. Zudem fehle in dem Stadtteil ein Raum für Vereinsveranstaltungen und Familienfeiern. „Man könnte hier so viel machen, aber wir bräuchten Geld, man müsste einen Mäzen finden“, hofft er.
„Ein Veranstaltungszentrum wäre ein Segen für den Stadtteil“ findet ebenso Volker Keller, zweiter Vorsitzender vom Verein Stadtbild, der in Neuostheim wohnt. Die Kirche sei „ein Identifikationspunkt im Ort und stadtbildprägend“, sowie seit 2011 unter Denkmalschutz gestellt. „Es ist eines der wenigen Kulturdenkmäler von Neuostheim“, mahnt Keller, das dürfe man nicht so einfach aufgeben. Ferner hätten die Bürger nach dem Krieg ein Drittel der Baukosten über Spenden selbst aufgebracht. „Es war der erste Kirchenbau nach dem Krieg in ganz Baden“, hebt er hervor. Dem evangelischen Dekanat bescheinigt er, „besonnen und umsichtig“ an das Thema heranzugehen. „Es ist gut, dass noch keine irreversiblen Entscheidungen getroffen wurden“, hofft und wünscht er, dass sich der Abbruch noch abwenden lässt.
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