Mannheim. Das Land Baden-Württemberg hat viel Geld in die Hand genommen, um den Neumarkt im Herzen der Neckarstadt-West neu zu gestalten. Die nun grüne Quartiersmitte ist von 2019 bis Ende 2021 unter anderem mit rund 1,5 Millionen Euro aus Städtebaufördermitteln neu gestaltet worden und bietet Erholungsraum und Spielfläche für die Kinder und Erwachsene. Anwohner berichten, wie sich das Leben um den Neumarkt seither verändert hat.
Das Feiern auf der Wiese direkt vor der Haustür findet Jakob Schöpe von der Pizzeria „Unter Freunden“ mitunter lästig, wenn die Musik dabei auf volle Lautstärke gedreht werde. Er berichtet, dass er die feiernden Familien lieber darum bittet, die Musik etwas leiser zu machen, anstatt das Ordnungsamt zu rufen. Die Resonanz seien aber meistens nur unflätige Kommentare.
Bei der Nutzung des Platzes werde viel Müll hinterlassen, sei es bei den Kindergeburtstagen, die tagsüber oft auf der Wiese gefeiert werden oder den späteren Parties bis etwa ein Uhr nachts. Es sind aus Schöpes Sicht nicht allein die Süchtigen, die den Platz vermüllen, sondern auch die Anwohner selbst. Verständnis kann er dafür nicht aufbringen. „Es wird ein bisschen respektlos mit dem schönen Park und dem Spielplatz umgegangen. Hätte ich das als Kind gehabt, wäre ich vor Glück durchgedreht!“
Durchweg enttäuscht
Eine andere Anwohnerin, die lieber anonym bleiben möchte, ist von der Neugestaltung des Neumarkts durchweg enttäuscht. Sie findet, dass sich außer „schönem Rasen“ auf dem Platz nichts geändert habe. Zum Spielen oder Picknicken sei diese Fläche aber nicht mehr wirklich empfehlenswert. Sie würde täglich beobachten, wie die Hunde die Wiese als Hundeklo benutzen würden.
Die Bänke wurden nur ganz am Anfang von allen Nachbarn und Bewohnern genutzt. Inzwischen ist es wie vorher auch der angestammte Platz der Trinkerszene
Die Szene am Platz sei trotz der Neugestaltung unverändert. Wenn man an der Sozialstruktur nichts ändert und nicht genügend Sozialarbeiter einstelle, würde das auch so bleiben. „Die Bänke wurden nur ganz am Anfang von allen Nachbarn und Bewohnern genutzt. Inzwischen ist es wie vorher auch der angestammte Platz der Trinkerszene“, meint sie und zeigt vor die Bänke, wo alles voller Scherben ist.
Auch im Urban Gardening Projekt auf dem Neumarkt läuft nicht alles so, wie es gedacht war: Eigentlich sollen hier Gemüse und Blumen wachsen. Manchmal schauen aber auch die Beine eines schlafenden Menschen unter den Pflanzfolien hervor, wenn jemande die Nischen unter den Pflanzbeeten als Schlafplatz benutzt.
Trinkerszene friedlich
Aus Sicht der Polizei werde der Platz seit der Neugestaltung rege durch die dortigen Anwohner genutzt. „Aufgrund dessen kommt es vereinzelt auch zu Ruhestörungen. Eine auffallende Häufung ist dabei aber nicht feststellbar“, teilt eine Polizeisprecherin mit. Die Personen der sogenannten „Trinkerszene“, die sich täglich in dem Bereich aufhalten, seien friedlich und würden „in keiner Weise aggressiv auffallen“.
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Durch die wachsende Anzahl von Trinkern hätten im Frühjahr diesen Jahres die Beschwerden über Nutzungskonflikte zugenommen, heißt es vonseiten der Stadtverwaltung. Durch eine gemeinsamen Streife von Quartiermanagement, Ordnungsdienst und Wohnungslosenhilfe habe sich die Situation jedoch spürbar verbessert. „Eine Fortführung dieser Maßnahme, der sogenannten „Tandem-Streife“, wird von der Stadt angestrebt“, sagte Stadtsprecher Dirk Schuhmann.
Müllproblematik verschlimmert
Der Anwohner und Stadtrat Markus Sprengler, der 2018 in der Ideenvergabe-Jury zur Umgestaltung des Neumarkts war, findet, dass der Neumarkt mit dem Umbau „extrem gewonnen hat“. Die Müllproblematik habe sich jedoch nach seiner Wahrnehmung verschlimmert. Vor sechs Jahren habe der Stadtteil zusammen mit der Lokalen Stadterneuerung (LOS) einen guten Start hingelegt und beispielsweise ausländische Mitbürger dafür gewonnen, sich im Stadtteil zu engagieren. Im Zuge der Coronapandemie sei dieses Engagement extrem zurückgegangen.
Viele Bewohner würden ihren Müll auf der Straße liegenlassen. „Es war auf einem guten Weg und geht gerade wieder bergab.“ Die Trinkerszene am Neumarkt, die zu Konflikten mit Anwohnern führt, bezeichnet er als problematisch. „Klar ist eben auch, dass unsere trinkfesten Mitbürger immer noch da sind. Die kann und soll man nicht verdrängen, aber es ist wegen der Schulen und der Kinder trotzdem problematisch.“
Zustand gefühlt schlechter
Dass nachts auf dem neu angelegten Spielplatz viel los ist, ist auch die Wahrnehmung der Anwohner. Dass die Kriminalitätsrate gestiegen ist, vermutet Sprengler angesichts der jüngsten Sicherheitsbefragung (wir berichteten) zwar nicht, doch gefühlt sei der Zustand vor Ort schlechter geworden. Die soziale Aufsicht in Bezug fehle aus seiner Sicht. Zu der Problematik gehörten auch die auffällig vielen, großen Jugendgruppen, die im Stadtteil und besonders auf dem Neumarkt unterwegs seien.
Die Polizei bestätigt, dass in den vergangenen Monaten eine Jugendgruppe am Neumarkt unterwegs gewesen sei, die dabei zeitweise auch aggressiv auftrat. „Durch vermehrte Kontrollen und Ansprachen dieser Gruppe durch die Polizei, welche in Absprache mit der Stadt Mannheim stattgefunden haben, konnte eine Normalisierung festgestellt werden“, heißt es weiter.
Müsste mehr getan werden
Sprengler meint, dass Stadtverwaltung und LOS bereits einiges tun würden, damit es am Neumarkt gut läuft - glaubt aber auch, dass die verschiedenen Gewerke innerhalb der Verwaltung, also LOS und Quartiersmanagement, nicht verzahnt genug seien. „Da müsste eine konzentrierte Aktion von allen kommen, sonst wird es nicht funktionieren.“
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