Mannheim. „Bezahlbaren Wohnraum erhalten“ steht auf einem großen Transparent an der Fassade des mehrgeschossigen Wohnhauses in der Stamitzstraße 7. Die acht Mietparteien im 1909 erstellten Wohngebäude in der Neckarstadt-Ost wollen zu diesem Zweck ein gemeinschaftliches Wohnprojekt gründen.
Sabine Willenbacher und ihre Mitstreiter berichten, dass ihr Vermieter, Achim Manz, in der zweiten Jahreshälfte 2021 verstorben sei. Danach ging das Anwesen an dessen Mutter zurück, deren Betreuer die PlanetHome Group GmbH mit dem Verkauf beauftragte. „Niemand hat uns informiert. Wir haben erst beim Besuch des Vertreters eines Immobilienunternehmens mitbekommen, dass das Haus verkauft werden soll“, sagen Sabine Willenbacher und Dominik Czechowicz.
Trotz jahrzehntelanger Mietverhältnisse nicht informiert
Die Mietparteien aber wollen als langjährige Mieterinnen und Mieter (zum Teil über 30 Jahre) ihre Wohnungen nicht aufgeben, sondern das Haus in Selbstverwaltung übernehmen. „Der Vermieter ist tot, das Haus wurde - so wie man uns mitteilte - verkauft, das gibt einem erst mal das Gefühl von Hilflosigkeit“, sagt Holger Wagner. „Doch wir sind entschlossen und bereit, uns in den Prozess des Kaufs und die daraus folgende Übernahme von Verbindlichkeiten zu begeben, damit das Gebäude als Mietshaus erhalten und der Wohnraum bezahlbar bleibt“, sagt Thilo Brechtmann. „Alles ist viel besser, als nach jahrzehntelanger Mietzahlung einfach so unter die Räder der Spekulation zu kommen“, sagte er. Doch leider seien sie trotz jahrzehntelanger Mietverhältnisse nicht informiert worden.
Um sich als potentielle Käufer entsprechend positionieren zu können, wandten sich die Mietparteien mit der Bitte um Unterstützung an die Stadt und an Kommunalpolitiker. Sie wiesen auf den steigenden Wohnungsmangel hin, vor allem an bezahlbarem Wohnraum. Dadurch würden gewachsene Nachbarschaftsstrukturen und Milieus zerstört. Bezirksbeirat Roland Schuster (Linke) vermittelte den Mietparteien Gespräche mit dem Mietshäusersyndikat Mannheim, dem Mieterverein sowie mit Annette Schrimpf von „Viertel 8“, einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt in der Waldhofstraße 8. Anschließend starteten die Mieterinnen und Mieter aus der Stamitzstraße 7 die Gründung eines Hausvereins. Unterstützung erhielten sie auch durch die Stadträte Gerhard Fontagnier (Grüne) und Thorsten Riehle (SPD), die mit PlanetHome in Mannheim und in München korrespondierten. Stadtrat Fontagnier erfuhr von PlanetHome Mannheim, dass das Haus zwar verkauft, aber der Käufer zum Gespräch mit den Mieterinnen und Mietern bereit sei.
Mitte Mai fand dann ein Gespräch zwischen der neuen Eigentümerin und den Mieterparteien statt. „Das Gespräch war sehr positiv, offen und ehrlich“, freuten sich die Mieterinnen und Mieter. Sie erläuterten dem Immobilienunternehmer ihr Anliegen und legten Informationen über das Mietshäusersyndikat vor. Der Inhaber der Immobilienfirma habe sich interessiert gezeigt und erklärt, das Haus an die Mietergemeinschaft zu verkaufen, wenn der Preis stimme.
Dass jetzt viel Arbeit wartet, ist den Mieterinnen und Mietern bewusst: Vereinsgründung, das Haus von Experten bewerten lassen, Gespräch mit der Stadt Mannheim führen wegen dem Grundstückserwerb, Kredite bei Banken aufnehmen und Spenden von Freunden, Familien und anderen Unterstützern einwerben - jede Menge Hausaufgaben für alle.
Rechtliche Rahmenbedingungen
- Die Neckarstadt-West ist, laut Auskunft aus dem Rathaus, in Teilen Sanierungsgebiet.
- Deshalb hat die Stadt dort die Möglichkeit, bei Grundstücksverkäufen die Ausübung des städtischen Vorkaufsrechtes zu prüfen und sogenannte „Abwendungsvereinbarungen“ abzuschließen, um den Verbleib der Mieterinnen und Mieter im Quartier sicherzustellen.
- Die Stadt Mannheim unterstützt zudem das Thema gemeinschaftliche Wohnprojekte in Mannheim.
- Das Grundstück Stamitzstraße 7 liegt im Stadtteil Neckarstadt-Ost und damit nicht im oben genannten Sanierungsgebiet: „Damit sind auch die Vorschriften des Städtebauförderungsrechts und die damit gegebenen Eingriffs- und Ansatzmöglichkeiten hier nicht anwendbar“, so eine Stadtsprecherin.
- Doch grundsätzlich gibt die Stadt Mannheim auch bei Einzelprojekten mit konkreten Realisierungsvorstellungen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Hilfe- und Unterstützungsangebote.
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