Mannheim. Da haben sie ganz schön gezittert, die Akteure der Jubiläumsfeier „125 Jahre Neckarau bei Mannheim“. Bis zuletzt nämlich regnet es am Festtag, wo doch ein Teil des Geschehens im Freien stattfinden soll. Genau zum Start jedoch scheint die Sonne. „Na raten Sie mal, wer dafür gebetet hat“, schmunzelt Pfarrer Tobias Hanel.
Vor und in „seiner“ Matthäuskirche findet das Jubiläumsfest statt. Den Altarraum zieren neben dem Blumenschmuck von Bernd Stelzer die Fahnen Neckaraus, Mannheims und Badens, die mit den oberhalb befindlichen Kirchenfenstern eine sehr eigene Atmosphäre vermitteln.
Jubiläumsfeier in Neckarau: Politprominenz da
Die Kirche ist voll. Viele Neckarauer natürlich sind da, aber auch reichlich Prominenz: die in Neckarau wohnende Staatssekretärin (Elke Zimmer), der Oberbürgermeister, gleich zwei Bürgermeister, drei Fraktionschefs, Stadträte und Vereinsvertreter. Eine solche Ansammlung gibt es in Neckarau selten.
Nach der musikalischen Einstimmung durch den Handharmonikaverein Rheinklang Rheinau unter Leitung von Liane Weber ist es an Claudia Küstner und Lore Herbert, die Gästeschar zu begrüßen - Küstner als Vorsitzende der Interessengemeinschaft der Vereine, Lore Herbert als (mit der MVV) Hauptsponsorin: „Es ist mir eine Verpflichtung“, bekennt sie im Gedenken an ihren Vater Günter Herbert, vor 25 Jahren Motor der Feiern zum 100. Jubiläum.
Auch für Christian Specht ist dies hier ein „Zurückkommen“, wie der Oberbürgermeister bekennt. Denn nur wenige Meter entfernt, im Bach-Gymnasium, geht er einst zur Schule. Anders als sein Vor-Vorgänger Otto Beck 1898 reist er jedoch nicht per Zug in Neckarau an: „Der Bahnhof hier ist ein Schandfleck“, betont er unter dem Beifall des Publikums und erneuert sein Ziel, einen modernen Kompaktbahnhof zu schaffen: „Hier müssen wir vorankommen.“
Dennoch zieht der Rathaus-Chef eine positive Bilanz der Fusion von 1899. Mannheim gewinnt damals 1600 Hektar Fläche, eine aufstrebende Industrie, eine gut gefüllte Gemeindekasse und einen Ort mit römischer Vergangenheit, Neckarau moderne Kanalisation, Straßenbeleuchtung und gepflasterte Straßen.
Eingemeindung 1899: Vorteile für Neckarau und Mannheim
Das sieht auch Harald Stockert so. Der Rückstand der Infrastruktur bildet damals die unbestreitbare Notwendigkeit zur Eingemeindung, ihre Modernisierung den Gewinn für Neckarau, betont der Direktor des Marchivum. Doch: „Neckarau ist nicht anonym in Mannheim aufgegangen“, weiß Stockert, der als Student einst nicht weit, in der Katharinenstraße, wohnt: „Die Neckarauer sind Neckarauer geblieben und gleichzeitig Mannheimer geworden.“
Eine Fanfare, intoniert von Nora Südhof von Musik-Gymnasium des Moll, erklingt. Die szenische Darstellung der Eingemeindung in Form einer Hochzeit beginnt. Eine Kutsche von Heinz Scheidel fährt durch die Rheingoldstraße vor der Kirche vor; ihr entsteigen die „Braut“ Neckarau (Gertraude Karusseit) und ihr Brautvater, Altstadtrat Helmut Wetzel. Vor der Kirche trifft die Braut auf ihren Bräutigam „Mannheim“, personifiziert von Pilwe-Präsident Rolf Braun.
Gertraude Karusseit und Rolf Braun als Brautpaar
Vorbei an wunderbar als Landfrauen kostümierten Vereinsaktiven hält die Hochzeitsgesellschaft hinter Pfarrer Hanel ihren Einzug in die Kirche. Hier hält der „Bräutigam“ um die „Braut an. Doch: „Wohl an, offeriert Eure Brautgeschenke“, verlangt der Vater (Helmut Wetzel) zunächst.
Und „Bräutigam“ Mannheim verspricht Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, gepflasterte Straßen und einen neuen Friedhof. Doch das ist dem Vater nicht genug angesichts der „reichen Mitgift“, die seine Tochter in die Ehe einbringen kann: „Wir sind die größte Landgemeinde im Großherzogtum Baden!“ Und so zählt Wetzel mit hintersinnigen Wortspielen all das auf, was Neckarau zu bieten hat: „Eine Straße von Gold aus dem Rhein, silberne Pappeln, eine Insel im Rhein, Gänse mit weichen Daunen für die bekannten Pilwe-Kissen, eine Fabrik, in der die schönsten Puppen der Welt gefertigt werden.“ Ergo: „Ihr müsst uns weitere Geschenke machen.“
Da legt Rolf Braun nach, indem er gekonnt aktuelle Diskussion aufgreift: „Ihr bekommt einen Kompaktbahnhof, den Rheindamm mit Spundwänden, eine Seilbahn nach Altrip.“ Und als dann auch noch der Großherzog, dargestellt von Wolfgang Reinhard, Vorsitzender des Vereins Geschichte Alt-Neckarau, seine Zustimmung signalisiert, da kann die (vom Waldkirch-Verlag kunstvoll gestaltete) Heiratsurkunde endlich unterzeichnet werden.
Am Ende intoniert die Sängerhalle Germania unter Leitung von Frederic Zeiler das Badner-Lied. Mit dabei auch Wolfram Arnold, obwohl - oder weil - der passionierte Neckarauer an jenem Tag Geburtstag hat.
Danach ist die gesamte Festversammlung zum Hochzeitsmahl eingeladen, das die „Pilwe“-Frauen ab dem frühen Morgen bereiten. Attraktion bildet die vom Café Herdegen gestaltete Cremetorte mit einem Bild von Alt-Neckarau. Und zum Abschied gibt es für jeden Gast noch ein Präsent: einen Schokoriegel, gestaltet von der Lindenhöfer Schokoladenwerkstatt Zumkeller & Lehmann, in einer Verpackung mit einem historischen Foto Neckaraus.
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