Ludwigshafen.
Er soll eine 17 Jahre alte Jugendliche am Willersinnweiher in Ludwigshafen vergewaltigt und ermordet haben. Anfang August sprach ihn das Frankenthaler Landgericht schuldig und verhängte eine Jugendstrafe von zehn Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung Revision eingelegt hatten. Jetzt kommt der inzwischen 19-Jährige aus Ludwigshafen frei. Das teilte das Oberlandesgericht Zweibrücken am Donnerstag mit.
"Mit Beschluss vom 6. Oktober hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken auf die Haftbeschwerde des Angeklagten den Haftbefehl aufgehoben und die Freilassung des Angeklagten angeordnet", heißt es in der Mitteilung. Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei infolge vermeidbarer, dem Angeklagten nicht zuzurechnender Verfahrensverzögerungen unverhältnismäßig geworden. Die Verzögerungen seien mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Anspruch auf eine beschleunigte Aburteilung nicht mehr vereinbar gewesen, so das Gericht.
Der Beschleunigungsgrundsatz erfordere bei umfangreichen Verfahren, in denen sich der Angeklagte in Untersuchungshaft befindet, eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlungsplanung mit mehr als nur durchschnittlich einem Verhandlungstag pro Woche, stellt das Oberlandesgericht fest. Vorliegend sei in der mehr als 22 Monate dauernden Hauptverhandlung lediglich an 57 Tagen verhandelt worden. An 20 dieser Tage zudem weniger als zwei Stunden. Die Verzögerung dadurch betrage rund sechs Monate. Darin erkennt das Gericht einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz.
"Längste U-Haft, die es in Jugendstrafanstalt Schifferstadt je gab"
Das bestätigt auf Anfrage auch Alexander Klein, Rechtsanwalt des 19-jährigen Angeklagten. „Es ist die Rede von einem wirklich krassen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz“, betont er. Diese Verzögerung habe sich nicht nur durch Rücksichtnahme auf die Verteidigung ergeben, sondern auch aus Rücksichtnahme auf die drei Nebenklagevertreter. „Und auch die Kammer selbst hatte nicht immer Zeit zum Verhandeln“, schiebt Klein die Verantwortung von sich.
Nach Angaben des Rechtsanwalts war es dringend an der Zeit, dass sein Mandant aus der Untersuchungshaft entlassen wird. „Das war die längste Untersuchungshaft, die es in der Jugendstrafanstalt Schifferstadt jemals gab“, sagt er. „Das war ein untragbarer Zustand.“ Und da sowohl sein Mandant als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt haben, hätte sich die Untersuchungshaft für die Zeit des Revisionsverfahrens noch deutlich verlängert.
Laut Klein sei es „gut und wichtig“, dass der 19-Jährige jetzt zu seiner Familie könne. Doch auch dem Rechtsanwalt ist nicht unbedingt daran gelegen, dass sein Mandant nun monatelang auf freiem Fuß bleibt. „Eine Möglichkeit, einen schnelleren Haftantritt zu erreichen, wäre, dass alle Parteien ihre Revision zurücknehmen“, sagt er. „Wir sind diesbezüglich offen für Gespräche. So könnte das Urteil rechtskräftig werden und der Angeklagte müsste seine Jugendstrafe antreten.
Spaziergänger hat Zoe am Willersinnweiher im März 2019 gefunden
Ob die Staatsanwalt in dieser Hinsicht gesprächsbereit ist, muss sich zeigen. Am Donnerstag war sie für eine Stellungnahme nicht mehr zu erreichen. Mit ihrer Revision will die Staatsanwaltschaft eine vorbehaltliche Sicherungsverwahrung gegen den 19-Jährigen erreichen.
Eine böse Überraschung ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts für die Eltern des Opfers. „Sie sind schockiert. Das ist einfach nicht nachvollziehbar“, sagt Nebenklagevertreter Christoph Hambusch im Gespräch mit dieser Redaktion. „Aus unserer Sicht ist das eine Fehlentscheidung. Wir sehen keinen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz, weil bereits ein Urteil vorliegt“, so Hambusch. Auch für ihn persönlich sei die Nachricht aus Zweibrücken eine bittere Pille. Anfechten lässt sich die Entscheidung des Oberlandesgerichtes nach seinen Aussagen nicht.
Der 19-jährige Angeklagte hatte sich seit dem 13. März 2020 in Untersuchungshaft befunden. Das Verfahren wurde am 21. September 2020 eröffnet. Das Urteil fiel am 2. August 2022. Der knapp zwei Jahre lange Prozess hatte in der Region viele Menschen bewegt, ebenso wie die Tat selbst. Im März 2019 hatte ein Spaziergänger die 17-jährige Zoe aus Frankenthal schwer verletzt an einer Uferböschung des Willersinnweihers gefunden. Sie starb einen Tag später im Krankenhaus. Der Prozess fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Jugendstrafe von zehn Jahren ist die Höchststrafe, die im Jugendstrafrecht auf Mord steht.
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