Bundestagswahl

Wahlkreis Ludwigshafen-Frankenthal: Inflation und Migration „für viele wahlentscheidend“

Die AfD wird in der Stadt Ludwigshafen erstmals stärkste Kraft. Den Wahlkreis, zu dem weitere Kommunen gehören, gewinnt zwar CDU-Mann Sertac Bilgin - für den Sprung nach Berlin reicht es aber nicht.

Von 
Thomas Schrott
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CDU-Kandidat Sertac Bilgin hat zwar das Direktmandat gewonnen, wegen der Wahlkreisreform kommt er jedoch trotzdem nicht als Direktkandidat in den Bundestag. © Thomas Schrott

Ludwigshafen/Frankenthal. Ludwigshafen/Frankenthal. Mit großer Spannung wurde bei der Wahlparty in Frankenthal der Kampf um das Direktmandat im Wahlkreis 206 verfolgt. Wird SPD-Bundestagsabgeordneter Christian Schreider vom Absturz seiner Partei bei der Bundestagswahl mitgerissen oder kann er das Direktmandat verteidigen? Auch wenn er deutlich besser abschnitt als die SPD, gewann CDU-Neuling Sertac Bilgin mit 0,9 Prozentpunkten Vorsprung. Nach dieser Entscheidung rückte ein weiteres Ergebnis der Wahl stärker ins Blickfeld, das viele stark besorgt. Die AfD ist mit 24,3 Prozent der Zweitstimmen stärkste Kraft in Ludwigshafen geworden - vor der CDU mit 24,1 Prozent und der SPD, die nach erdrutschartigen Verlusten nur noch auf 20,1 Prozent kommt.

Besonders in ihren Hochburgen Pfingstweide, Edigheim und Oppau verloren die Sozialdemokraten mit bis zu 13,9 Prozentpunkten überdurchschnittlich stark. Bei der früheren SPD-Klientel in West und Gartenstadt schneidet die AfD bereits seit Jahren sehr gut ab. Bei der Kommunalwahl 2024 erzielte die AfD stadtweit 19,9 Prozent. Und nun legt sie weiter zu - in West um 16,6 Prozentpunkte auf 28,9 Prozent.

Inflation und Migration für viele wahlentscheidend

„Neben der Migration war die Inflation, wodurch die Leute weniger im Geldbeutel haben, für viele wahlentscheidend“, sieht der Ludwigshafener AfD-Fraktionchef Johannes Thiedig zwei Hauptgründe. Zudem habe der unklare Kurs von CDU-Chef Friedrich Merz in der Flüchtlingsfrage eine Rolle gespielt. Die finanziellen Mehrbelastungen nennt auch SPD-Parteichef David Guthier als einen wichtigen Aspekt. „Dabei ging es auch um höhere Grundsteuerbescheide und Straßenausbaubeiträge.“ Generell habe die Ampel für Unsicherheiten der Bürger bei der eigenen wirtschaftlichen Lage und beim Thema Sicherheit keine ausreichenden Lösungen gefunden. „Um den sozialen Frieden zu erhalten, müssen die Zumutungen der Bürger eine Grenze haben“, fordert Guthier und erinnert an eine Änderung der Schuldenbremse.

„Die Bürger wollen einen echten Politikwechsel bei Migration und Wirtschaft“, konstatiert auch CDU-Kreischef Torbjörn Kartes eine massive Unzufriedenheit. In Ludwigshafen komme hinzu, dass die Arbeitslosigkeit deutlich höher sei als im Bundesdurchschnitt. Auch der angekündigte Stellenabbau bei der BAS

F dürfte eine Wirkung gehabt haben. „Wir dürfen uns nicht immer an den Rechtspopulisten abarbeiten, die Antwort liegt in Berlin mit einer besseren Politik“, so seine Empfehlung.

Armin Grau als einziger Direktkandidat des Wahlkreises 206 wieder im Bundestag

Ähnlich sieht dies FDP-Fraktionschef Thomas Schell und fordert grundsätzliche Änderungen. „Es fängt damit an, dass Gesetze wie Dublin- und Schengen-Abkommen eingehalten werden.“ Nachdrücklich kritisiert er die Politik in der Ära Merkel, nicht nur wegen einer „verfehlten Migrationspolitik“, sondern auch wegen Versäumnissen etwa bei Bundeswehr und Infrastruktur. Sehr skeptisch ist Schell, dass es rasche Verbesserungen gibt. „Die Republik geht stramm nach rechts. Wenn die CDU nicht aufpasst, wird sie halbiert.“

Stark beunruhigt wegen der AfD-Erfolge ist auch Grünen-Bundestagabgeordneter Armin Grau. Die demokratischen Parteien müssen eine Strategie finden, um mehr Zuversicht zu vermitteln. Die Themen Migration und innere Sicherheit dürften nicht vermengt werden. Generell seien die Grünen bei der Bundestagswahl mit einem blauen Auge davongekommen. Die Partei müsse sich aber fragen, warum sie bei den Jungwählern nicht so gut abgeschnitten habe. Der frühere Ärztliche Direktor des Klinikums Ludwigshafen ist übrigens der einzige Direktkandidat des Wahlkreises 206, der wieder in den Bundestag kommt. Denn der Altriper ist auf der Landesliste seiner Partei gut abgesichert. Für Sertac Bilgin (CDU) reicht es hingegen trotz des Gewinns des Direktmandats wegen der Wahlkreisreform nicht, weil andere Bewerber höhere Zweitstimmenergebnisse aufweisen. „Viele haben mir gratuliert und sind enttäuscht, dass ich nach Berlin gehen kann“, sagt der Pflegedienstleiter. Beruflich ändert sich für ihn zwar nichts, dennoch will er politisch aktiv bleiben. „Beim nächsten Wahlkampf legen wir noch eine Schippe drauf“, blickt er weit nach vorn.

CDU-Parteichef Kartes zeigt sich erleichtert darüber, dass das BSW den Einzug in den Bundestag nicht geschafft habe. „Diese hätte die Regierungsbildung enorm erschwert. Damit bleibt der CDU das ungeliebte Thema Koalition mit den Grünen erspart.“

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„Der Leidensdruck der Leute ist so groß, dass ich mit einem noch besseren Ergebnis der AfD gerechnet hätte. In diesem Zusammenhang ist das fehlende subjektive Sicherheitsgefühl nur ein Aspekt“, sagt Direktkandidat Stefan Scheil, der mit 23,1 Prozent fast das Direktmandat geholt hätte und bei der Auszählung zwischenzeitlich sogar vorne lag.

Die AfD, die als in Teilen rechtsextremistisch eingestuft, ist auch in den Großstädten Gelsenkirchen und Kaiserslautern stärkste Kraft geworden. Zudem holte die Partei in einigen Gemeinden in der Vorderpfalz wie Altrip und Lambsheim die meisten Stimmen.

Nach dem jüngsten Erfolg richten die AfD-Parteistrategen ihr Augenmerk auf die nächste Wahl im Herbst. „Wir treten bei der OB-Wahl in Ludwigshafen an, aber nicht mit einem Zählkandidaten“, kündigt Thiedig an. Man habe zwei Bewerber im Blick, einen internen und einen externen. Namen nennt er nicht. Eine Entscheidung könnte in zwei Wochen fallen.

Redaktion MM-Redakteur seit 1984, zuständig für den Bereich Ludwigshafen - mit all seinen Facetten

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