Rund zweieinhalb Stunden lang spaziert Rolf Mützenich am späten Freitagvormittag durch den Ludwigshafener Hemshof. Es geht um Integration und Migration beim Besuch des Chefs der SPD-Bundestagsfraktion. „Man sieht es Stadtteilen an, ob sie bei der Integration vorangehen“, lobt der Kölner, der in seinem Heimatwahlkreis mit Chorweiler einen ähnlich strukturierten Stadtteil hat und die Probleme also kennt.
Es geht aber aber auch um die Finanzen der hoch verschuldeten Stadt, die gerade zum zweiten Mal versucht, ihren defizitären Haushalt bei der Aufsichtsbehörde des Landes Rheinland-Pfalz durchzubringen - Ende offen. Große Hoffnung setzt der Genosse auf die Tilgung kommunaler Altschulden, die auch Ludwigshafen einen befreienden Schnitt bescheren könnte. Mit diesem Thema tourt Mützenich allerdings seit Wochen durch die Republik. Er sei sicher, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Einigung erzielt werde könne.
Gerade stimmten sich Bundeskanzler Scholz und Finanzminister Lindner in Sachen Altschuldenregelung ab. Und obwohl im Bundeshaushalt 18 bis 20 Milliarden Euro eingespart werden müssten, sieht Mützenich gerade für strukturell belastete Städte wie Ludwigshafen Spielräume der Entlastung. Ludwigshafens SPD-Bundestagsabgeordneter Christian Schreider sekundiert, dass auch veränderte Förderrichtlinien Chancen für die Kommunen böten.
An Gräfenauschule vorbei
Beim Rundgang durch den Hemshof vom Europaplatz bis zum Büro von Ortsvorsteher Osman Gürsoy ist die versammelte Ludwigshafener SPD-Prominenz auch an der Gräfenauschule vorbeimarschiert. Man habe die Rektorin, die durch ihren Hilferuf bundesweit in den Schlagzeilen war, auch zum Gespräch eingeladen. Aber sie sei im wohlverdienten Urlaub. Allerdings kann der Bundespolitiker in diesem Punkt ohnehin wenig helfen, ist Bildung im föderalen System doch explizit Ländersache.
Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck, die am Morgen erst aus der aserbaidschanischen Partnerstadt Sumgait zurückgekommen ist, nimmt beim Thema Integration auch die Eltern in die Pflicht. Man könne dem Bildungssystem eben nicht alle Aufgaben auferlegen. Auch die Eltern müssten mitarbeiten und Deutsch sprechen. „Wer im Hemshof lebt, hat eben nicht unbedingt die Chance, auf dem Spielplatz Deutsch zu lernen“, merkt Steinruck pointiert an. „Unsere gemeinsame Sprache sollte Deutsch sein“, bekräftigt auch Ortsvorsteher Görsoy. Für seine ehrenamtliche Arbeit vor Ort bekommt Görsoy vom Chefgenossen einen verbalen Schulterklopfer: „Sisiphos ist nichts gegen deine Arbeit“, so Mützenich.
Deutschlandtrend schmerzt
Der SPD-Fraktionsschef hat auch den aktuellen Deutschland-Trend zur Kenntnis genommen und das Ergebnis, dass die AfD prozentual bei 18 Prozent gleichgezogen hat mit der SPD. „Das schmerzt“, sagt Mützenich. Aber vor wenigen Wochen habe die SPD die Bremer Landtagswahl gewonnen, „Demokraten sind nicht chancenlos“. Und die Aussage, AfD wählen zu wollen, sei meist auch Ausdruck des Protests, nicht einer echten Anhängerschaft. Mützenich: „Umso wichtiger ist es, dass wir diese Menschen nicht für die Demokratie verlieren.“
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