Kommentar OB-Wahl in Ludwigshafen zeigt bitteres Desinteresse der Menschen an Kommunalpolitik

Ludwigshafen sollte einen Nachfolger für das höchste politische Amt in der Stadt wählen. Das Ergebnis fiel relativ erwartbar aus. Etwas anderes bereitet Julian Eistetter aber große Sorgen.

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Julian Eistetter
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Ludwigshafen. Nach dem Wahlsonntag in Ludwigshafen drängt sich eine Frage – und das nicht zum ersten Mal – ganz massiv in den Vordergrund: Erreicht das politische Geschehen in diesem Land die Menschen überhaupt noch? Bei einer Wahlbeteiligung von wirklich mickrigen 29,3 Prozent muss man zumindest für die zweitgrößte rheinland-pfälzische Stadt deutlich festhalten: Nein. Abgesehen von einer bestimmten, parteipolitisch treuen Klientel gelingt es schlicht und ergreifend nicht, neue Wählerschichten zu aktivieren.

Auch Mannheim hatte mit einer geringen Wahlbeteiligung zu kämpfen

Dass Ludwigshafen mit diesem Problem nicht alleine dasteht, zeigt ein Blick auf die Beteiligung an der Mannheimer OB-Wahl 2023. Auch hier gaben im ersten Wahlgang nur etwas mehr als 32 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Bei der Stichwahl noch weniger. Obwohl der politische Diskurs dieser Tage so polarisiert, ja vergiftet und von gegenseitigem Hass geprägt ist wie selten zuvor, scheint die Politikverdrossenheit sich dennoch immer weiter auszubreiten.

Viele Menschen sehen offenbar einfach keinen Sinn mehr darin, einen Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin zu wählen, weil diese angesichts tiefroter Zahlen im Haushalt ja ohnehin keinen Gestaltungsspielraum haben.“

Viele Menschen sehen offenbar einfach keinen Sinn mehr darin, einen Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin (immerhin das höchste politische Amt in einer Stadt) zu wählen, weil diese angesichts tiefroter Zahlen im Haushalt ja ohnehin keinen Gestaltungsspielraum mehr haben. Seit 30 Jahren werden in Ludwigshafen Sparhaushalte verabschiedet. Entscheidungen betreffen in erster Linie die Frage, wo eingespart werden kann, nicht wo etwas Neues gestaltet wird. Mannheim ist nun mit ganz ähnlichen Themen konfrontiert, Heidelberg inzwischen ebenso. Dass die Menschen in den Städten den Glauben daran verloren haben, dass sich etwas zu ihren Gunsten tut, ist durchaus nachvollziehbar. Und dennoch besorgniserregend.

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Wo dieser Glaubensverlust in Wut und Frust umschlägt, da ist der Weg zur AfD nicht weit. Obwohl ihr Kandidat im Vorfeld der Ludwigshafener OB-Wahl ausgeschlossen wurde, geht die Partei unter lauter Verlierern als eigentlich einzige Siegerin daraus hervor. Wochenlang hat sie bundesweit Schlagzeilen gemacht. Den Namen Joachim Paul kennt man jetzt auch in Ostdeutschland, die der zugelassenen Ludwigshafener Kandidaten mit Sicherheit nicht.

Für die Kandidaten ist das Desinteresse bitter

Ihnen kann man dabei nicht mal einen großen Vorwurf machen. Gerade Jens Peter Gotter (SPD) und Klaus Blettner (CDU) haben auch bei Social Media stark für sich die Werbetrommel gerührt und damit auf Versäumnisse ihrer Parteien in der Vergangenheit reagiert. Dass sie und ihre beiden Mitbewerber mit einem solchen Desinteresse aus weiten Teilen der Bevölkerung abgestraft werden, ist bitter. Für den herausfordernden Job, den sie anstreben, hätten sie reichlich Rückenwind der Bürger nötig. So ist das nicht mal ein laues Lüftchen.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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