Interview

Neue Doppelspitze des Klinikums Ludwigshafen: „Harte Zeit für Krankenhäuser“

Minus 19 Millionen Euro wird das Klinikum Ludwigshafen 2024 erwirtschaften. Im Interview spricht die neue Geschäftsführung über finanzielle Herausforderungen, die Geburtshilfe und irritierende Wahlplakate

Von 
Julian Eistetter
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Vanessa Bähner und Jan Stanslowski bilden die erste Doppelspitze des Klinikums Ludwigshafen. © Ben Pakalski/Klinikum

Ludwigshafen. Seit April hat das Klinikum Ludwigshafen (KliLu) eine Doppelspitze. Wir haben Vanessa Bähner und Jan Stanslowski getroffen, um Themen wie die finanzielle Lage, die Krankenhausreform oder die Unternehmenskultur zu sprechen.

Frau Bähner, Herr Stanslowski, unter anderem im Rhein-Neckar-Kreis haben Krankenhäuser jüngst unter dem Motto „Kliniken vor dem Kollaps“ einen Hilferuf ausgesendet. Wie weit ist das KliLu von einem Kollaps entfernt?

Jan Stanslowski: Die Zeiten sind sehr herausfordernd, das ist klar. Das geht allen Krankenhäusern so. Die Wirtschaftsplanung 2023 sah bereits für 2024 einen Fehlbetrag von rund 19 Millionen Euro vor. Alleine daran sieht man die Größe der Herausforderung. Es ist schon eine recht harte Zeit für Krankenhäuser.

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Was verursacht denn konkret diese hohen Kosten?

Stanslowski: Einmal die Inflation im Energiebereich. Gas, Wärme, Strom. Das macht uns zu schaffen. Dazu kommen die hohen Tarifabschlüsse, die nicht alle refinanziert sind. Personal aus dem Pflegebereich, das wir heute anstellen, bekommen wir erst im darauffolgenden Jahr über das Pflegebudget finanziert. Wir haben also immer ein bis zwei Jahre Verzug.

In Spannungsfeld der finanziellen Herausforderungen hat die Ludwigshafener SPD im Wahlkampf ein Plakat aufgehängt, das für Aufruhr gesorgt hat. Darin hat sich die Partei gegen eine Privatisierung des Klinikums ausgesprochen. Ein Verkauf ist keine Option?

Vanessa Bähner: Nein, der stand nie zur Debatte.

Was haben Sie gedacht, als Sie das Plakat gesehen haben?

Stanslowski: Die Plakate waren sehr groß . . .

Bähner: . . . und wurden auch immer größer . . .

Stanslowski: . . . da haben wir natürlich sofort darüber nachgedacht, wie das auf unsere Belegschaft wirkt. Das war unser erster Impuls. Da kamen sehr viele Nachfragen. Deshalb waren wir sehr dankbar, dass sich unsere Aufsichtsratsvorsitzende Jutta Steinruck unverzüglich in einem offenen Brief an die Mitarbeitenden gewandt hat. Da ist die Verunsicherung dann schnell abgeebbt.

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Sie haben die minus 19 Millionen Euro angesprochen. Wo setzen Sie da an? Wo muss gespart werden?

Bähner: Das alleinige Sparen wird es nicht richten. Die Frage ist, wie wir es auch in der aktuellen Situation schaffen, unsere Leistung und unsere Qualität weiter zu steigern. Die Krankenhausreform bringt Bewegung in das ganze System. Wir wollen unsere Exzellenzfelder stützen und auf der anderen Seite schauen, wo wir in unseren Strukturen und Prozessen effizienter werden können. Da arbeiten wir gerade daran, einen großen Rahmen zu spannen und unsere Medizinstrategie zu schärfen. Dann schauen wir, in welche Bereiche wir unsere Ressourcen stecken und in welche vielleicht ein bisschen weniger. Aber ein Gesundsparen wird nicht funktionieren.

Ihr Vorgänger hat die Geburtshilfe als einen Bereich ausgemacht, auf den man im Klinikum verzichten könnte. Wie sehen Sie das?

Bähner: Es ging nie darum, die Geburtshilfe komplett zu schließen, sondern es ging um ein gemeinsames Konzept mit dem Marienkrankenhaus: Einer fokussiert sich mehr auf das Thema Geburtshilfe, der andere mehr auf Frauenheilkunde und das Thema Brustkrebs. Eine Schließung der Geburtshilfe steht nicht zur Diskussion. Klar schauen wir uns das im Rahmen der Medizinstrategie an. Wir müssen sehen, was die Krankenhausreform mit ihren Strukturvorgaben für den Bereich Geburtshilfe bedeutet. Da wird das ganze Fach, also Gynäkologie und Geburtshilfe, ja immer als ein Bereich gesehen.

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Man würde also etwas weitermachen, um einen gewissen Status als Krankenhaus zu behalten, ohne davon wirklich überzeugt zu sein?

Stanslowski: Das ist keine Frage der persönlichen Überzeugung, es ist die Aufgabe eines Maximalversorgers in der überregionalen Gesundheitsversorgung. Geburtshilfe und Gynäkologie sind eins. Im Rahmen des medizinischen Strategieprozesses muss das Beachtung erfahren.

Von ihrem Vorgänger gab es zum Abschied Kritik an der Krankenhausreform. Von Ihnen auch?

Bähner: Wir können mit dem gesamten Gesundheitswesen so nicht weitermachen. Es ist allen klar, dass das System Richtung Wand fährt. Wir geben extrem viel Geld aus, aber wir schaffen es nicht, das Geld so zu verteilen, dass es bestmöglich bei den Patienten und in einer hochqualitativen Versorgung ankommt. Mein größter Kritikpunkt ist, dass die Strukturvorgaben immer größer werden. Es geht viel um Strukturqualität und wenig um Ergebnisqualität. Wir kriegen vorgeschrieben, wie viel Personal wir in welchen Berufsgruppen wann vorhalten müssen - man hat immer weniger Handlungsspielräume, um unternehmerisch zu gestalten.

Stanslowski: Man kann schon ganz klar sagen, dass die Krankenhausreform wichtig ist. Das wissen auch alle Akteure. Schaut man aber auf die Wirkung der Reform, dann ist sie ein großer Rasenmäher. Und der Rasenmäher wird vor allem die Kliniken im ländlichen Raum treffen. Die großen Maximalversorger werden durch die Reformidee eher gestärkt. Aber wir haben uns auch um die ländliche Versorgung zu kümmern.

Harter Cut: Sie waren mit dem Klinikum beim Christopher Street Day (CSD) in Mannheim vertreten. Ist das Ausdruck eines Kulturwandels im KliLu?

Stanslowski: Das Klinikum ist immer auf dem CSD in Mannheim vertreten. Es ist eine ganz wichtige Aussage, dass man für Vielfalt steht, dass man für Ehrlichkeit und Authentizität steht. Wir sind einer der größten Ausbildungsbetriebe in der Region mit vielen jungen Menschen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man Unternehmenswerte, die im Leitbild verankert sind, auch lebt. Sowas wie ein CSD vor der Haustür ist ein exzellenter Ort, um das zu zeigen. Es ist eine Veranstaltung, die uns sehr am Herzen liegt.

Bähner: Sie passt zu der Kultur, die hier bereits besteht. Unsere Mitarbeiter sind vielfältig und bunt. Wie auch Ludwigshafen vielfältig und bunt ist. Ich glaube schon, dass wir im Gesundheitssystem einen Kulturwandel erleben und auch während Corona erlebt haben. Wir müssen wieder dahin kommen, dass die tolle, sinnstiftende Arbeit, die geleistet wird, mehr im Fokus steht. Es wurde so viel negativ über das Gesundheitssystem berichtet und über die Arbeitszustände, das entspricht oft gar nicht dem, was wirklich passiert und erzeugt negative Stimmung. Wir müssen vermitteln, dass es uns Spaß macht, im Krankenhaus zu arbeiten und wir auf tolle Teams zurückgreifen können. Dass wir kranke Menschen versorgen und da etwas für uns persönlich herausziehen - etwas Gutes getan zu haben.

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Wie haben Sie sich als neue Doppelspitze hier eingelebt?

Bähner: Ich denke, ich spreche für uns beide, wenn ich sage, dass wir sehr gut angekommen sind. Und das liegt eben maßgeblich an den Menschen hier. Wir kommen jeden Tag gerne her, es macht Spaß mit allen zu arbeiten. Alle wollen das Klinikum weiterentwickeln. In der Region musste ich persönlich nicht ankommen, im Klinikum bin ich es aber sehr gut.

Stanslowski: Der Pfälzer nimmt ja Fremde gerne auf. Ich glaube, davon habe ich unheimlich profitiert. Die Menschen sind kreativ, arbeiten gerne zusammen, und wenn man das aus der Geschäftsführung heraus vorlebt, dann kommen ganz viele Menschen mit ihren Ideen zu uns. Wir haben einen großen Fundus im Unternehmen, auf den wir zurückgreifen können. Das macht unfassbar viel Spaß, motiviert und trägt.

Geht es untereinander bei Ihnen nur harmonisch zu? Immerhin haben Sie ja mit dem medizischen und dem kaufmännischen Bereich unterschiedliche Schwerpunkte.

Bähner: Wir diskutieren, streiten aber nicht. Diskussionen und unterschiedliche Perspektiven sind gut und wichtig. Letztlich hat aber jeder von uns in seiner Vita auch in dem jeweils anderen Bereich viel gemacht.

Stanslowski: In Zeiten starker Veränderung ist es wichtig, dass ein Führungsteam in der Lage ist, Fragen zu stellen, und dann mit Teams Antworten zu entwickeln. Die Zukunft werden die Krankenhäuser gestalten, die die richtigen Fragen haben, die richtigen Prioritäten setzen, anhand ihrer Strategie investieren und sich klar ausrichten.

Wie wird die medizinische Versorgung in 15 bis 20 Jahren aussehen?

Bähner: Wir wollen ein Gesundheitscampus sein, in dem wir uns mit unseren Partnern gut ergänzen. Wenn man hier herkommt, findet man optimale Prozesse, eine hohe medizinische Qualität und Patientennähe. Wir bieten eine Gesundheitsversorgung im Paket an, bei der Patienten auf alle Fragen eine Antwort erhalten. Das wäre meine Vision, ohne jetzt detailliert in den Bereich zu gehen, ob es dann Roboter gibt und alles digital ist. Klar wollen wir moderne Arbeitsprozesse haben. Wir wollen die Ärzte und Pflegenden wegbekommen von administrativen Tätigkeiten hin zum Patienten ans Bett, in die medizinische Versorgung, ihre Kernkompetenz. Digitalisierung und Automatisierung sind da sicher wichtig, aber am Ende ist medizinische Versorgung etwas zwischen Menschen. Das wird auch in zehn bis 20 Jahren weiterhin so sein.

Eine wichtige Rolle wird da sicher das neue Haus D Spielen. Beim Richtfest hieß es, dass im Frühjahr 2024 die Eröffnung sein soll. Wie ist der Sachstand? Gab es auf der Zielgeraden nochmal Fallstricke?

Stanslowski: Fallstricke gibt es keine mehr. Die Bauplanung hat im Jahr 2019 begonnen. Von 2019 auf 2024 haben wir einen Baukostenindex von rund 29 Prozent. Wen wundert’s, dass der auch voll in Ludwigshafen zuschlägt. Planerisch war das aber gut abzubilden. Bei den Kosten haben wir einen Korridor zwischen 101,3 Millionen und 104,3 Millionen Euro, in dem wir uns bewegen werden. Damit liegen wir mitten auf den Steigerungen beim Baukostenindex. Was den Bau angeht, haben wir jetzt die letzten 100 Meter erreicht.

Bähner: Genau. Wir wissen inzwischen, wann der Tag der offenen Tür sein wird - am 16. November. Das wird total spannend, weil man da mal auf eine Intensivstation kann oder in die Dialyse. Man sieht Bereiche, in die man sonst nicht reinkommt. Wir sind dabei, ein schönes Programm zu erarbeiten, um das Haus zu zeigen. Der Umzug fängt dann Anfang des nächsten Jahres an.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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