Kommunalpolitik

Nach Verzicht auf neue Kandidatur: Ludwigshafener OB Steinruck rechnet mit der großen Politik ab

Auf sechs Seiten erklärt die heute parteilose Ludwigshafener Oberbürgermeisterin, warum sie 2025 nicht mehr kandidiert. Da steckt viel Unzufriedenheit und Groll drin

Von 
Stephan Alfter
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Die Hand bleibt im Jahr 2025 unten: Einen zweiten Amtseid wird es von Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck nicht geben. © Markus Prosswitz

Das überraschendste war vielleicht der Zeitpunkt: Jutta Steinruck, seit dem 1. Januar 2018 Oberbürgermeisterin der Stadt Ludwigshafen, wird im kommenden Jahr nicht für eine zweite Amtszeit kandidieren. Sie habe sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, sich nicht erneut um das Amt der Oberbürgermeisterin zu bewerben, teilte die 62-Jährige in einer fast sechs DIN-A4 Seiten langen persönlichen Erklärung am Dienstagmittag mit. Ob es einen letzten akuten Impuls für diese Entscheidung gegeben hat, ist nicht bekannt. Steinruck gab aber zu: „Es ist eine sehr persönliche Entscheidung, die mich tief bewegt.“

Ich kann und will diese Stadt nicht kaputtsparen - wozu ich aber letztendlich gezwungen würde
Jutta Steinruck Ludwigshafener OB

Erkennbarer wurde dieser Schritt in den vergangenen Monaten nicht etwa, weil Steinruck selbst mit dem Verzicht kokettiert hätte. Nein, erkennbar wurde der Schritt dadurch, dass sich die Oberbürgermeisterin öfter Auszeiten nehmen musste, um ihre mitunter angeschlagene Gesundheit nicht noch mehr zu strapazieren. Etwas mehr als ein Jahr ist es noch hin, bis die Ludwigshafener ein neues Stadtoberhaupt wählen. In dieser Zeit wolle sie weiterhin alles geben, so Steinruck. „Ich bin von Herzen gerne Oberbürgermeisterin meiner Heimatstadt“, sagte sie.

Dennoch kommt ihre Erklärung einer Abrechnung gleich: Nicht nur zwischen den Zeilen greift sie die staatlichen Behörden in Mainz, Berlin und Brüssel an, macht überbordende Bürokratie und unzureichende finanzielle Ressourcen verantwortlich dafür, dass Ludwigshafen leidet. „Hier in unseren Rathäusern und Kommunalparlamenten werden die Grundsteine dafür gelegt, dass Bürgerinnen Vertrauen in einen funktionierenden Staat haben“, schreibt Steinruck und sieht sich und ihre Stadt im Stich gelassen. Die Diskussion um die Gräfenauschule und die Folgen der Pandemie für Kinder hätten die Grenzen der derzeitigen Bildungs- und Integrationspolitik in Rheinland-Pfalz aufgezeigt. Das habe für sie zu einer persönlichen Zäsur beigetragen.

Steinrucks zentrales Problem: wenig Gestaltungsspielraum

Der zentrale Aspekt in Steinrucks Erklärung heißt Gestaltungsspielraum. Sie nennt das Beispiel Müll, der etwa im Hemshof eine große Rolle spielt. „Wenn ich sehe, wie viele Jahre es allein gedauert hat, bis die Videoüberwachung an Orten, wo bekanntermaßen illegal Müll abgelagert wird, zumindest probeweise eingerichtet werden durfte und konnte, dann verstehe ich den Frust all derer, die sich für ein sauberes Umfeld einsetzen und sehen müssen, wir ihr Bemühen fast täglich mit Füßen getreten wird“, schreibt sie.

Nicht zuletzt erwähnt Steinruck neben der Pandemie und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine die spezifischen Krisen in Ludwigshafen, die ihr viele Kräfte geraubt hätten. „Was unseren Gestaltungsspielraum in erster Linie eingrenzt, ist die Haushaltslage“, so die Oberbürgermeisterin.

„Unsere Stadt wird es nur schaffen, aus der Schuldenfalle heraus zu kommen, wenn die Kosten im Bereich Soziales und Jugend und bei vielem mehr kostendeckend erstattet werden unter Anerkennung der Besonderheiten des Industriestandortes Ludwigshafens“, schreibt sie. Sie könne nicht mehr die Gebühren für die Bibliothek und den Eintrittspreis ins Schwimmbad erhöhen, um wegfallende Millionenbeträge aus der Industrie auszugleichen. Das sei so absurd und letztendlich einer der wesentlichen Gründe, warum sie nicht für eine zweite Amtszeit kandidiere. „Ich kann und will diese Stadt nicht kaputtsparen - wozu ich aber letztendlich gezwungen würde“, so Steinruck.

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Ihre Amtszeit wird in der Region insbesondere mit der Hochstraßenkrise verknüpft bleiben. Nur wenige Wochen nachdem Steinruck als OB vereidigt worden war, wurde sie über den fatalen Zustand der Hochstraße Süd informiert. Seither drehte sich alles um die Sanierung der Trassen rund um die Innenstadt Ludwigshafens, die überdies ein seit Jahren bestehendes Imageproblem überwinden muss. All das muss Steinruck viele schlaflose Nächte bereitet haben. „Ich bin stolz darauf, dass wir heute den Wiederaufbau der Hochstraße Süd erleben“, sagt die 62-Jährige zur aktuellen Situation, die noch lange nicht befriedigend ist. Nicht zuletzt die Unterbringung von Menschen, die vor Krieg und Terror und Gewalt fliehen, sei ein Kraftakt, den sie keine weiteren acht Jahre bewältigen wolle und könne. Sie habe sich auch deshalb entschieden, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten.

Jutta Steinruck ist geschieden und Mutter eines 31-jährigen Sohnes, der als promovierter Physiker bei einem Unternehmen in Frankenthal beschäftigt ist. Vor ihrer Zeit als Oberbürgermeisterin saß sie zehn Jahre für die SPD im Ludwigshafener Stadtrat und acht Jahre im Europaparlament. Aus der SPD trat sie im Sommer 2023 aus.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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