Ludwigshafen. Die Koffer sind bereits gepackt. Kisten mit Schallplatten, CDs und Dekoration stehen mitten auf der Tanzfläche. Alles, was nicht fest installiert ist, räumen Frank und Gerd Fornaçon zusammen. Es sind kleine Bausteine der Existenz, die sie sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten aufgebaut haben. Dinge, die den Alltag in ihrer Tanzschule „TanzArt Fornaçon“ geprägt haben. Dinge, die sie jetzt vorerst nicht mehr brauchen werden.
Corona. Das Ludwigshafener Paar erlebt ein Schicksal, das in den kommenden Monaten noch viele Selbstständige treffen könnte. Treffen wird, wenn man sie fragt. Sie müssen ihren Betrieb im Ludwigshafener Hauptbahnhof aufgeben. „Vor sechs oder sieben Wochen hat uns unsere Vermieterin, die Deutsche Bahn, mitgeteilt, dass sie uns bei der Miete nicht mehr entgegenkommen kann“, berichtet Frank Fornaçon. Der 44-Jährige hat die Tanzschule im Jahr 1999 von Helga Baumann übernommen, war damals Deutschlands jüngster Tanzschulen-Inhaber. Fast 23 Jahre später wird dieses Kapitel nun also enden. Zum 31. Juli sollen die Räume übergeben werden.
3100 Euro Kaltmiete zahlen die Fornaçons für die zwei Tanzsäle mit Barbereich und einen überdachten Außenbereich. Insgesamt liegen die monatlichen Fixkosten aber bei mehr als dem Doppelten. „Nachdem die Bahn uns die Unterstützung versagt hat, war es ein einfaches Rechenexempel“, berichten die beiden. „Bis zum Jahresende hätten wir Mietschulden von rund 40 000 Euro aufgestaut.“ Denn Einnahmen fließen schon seit Anfang November 2020 nicht mehr, als die Tanzschule schließen musste. Die staatlichen Hilfen seien ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen und hätten gerade gereicht, die geminderten Mietkosten zu begleichen.
Ungewissheit wegen Pandemie
Und auch wenn in Rheinland-Pfalz jetzt Lockerungen für Tanzschulen absehbar sind, die Zukunft ist für Frank und Gerd Fornaçon schlichtweg zu ungewiss. „Wie sollen wir bei einer begrenzten Personenzahl die Miete aufbringen“, sagt Gerd Fornaçon. „Die Kurse und Veranstaltungen finden alle erst ab Nachmittag statt, wenn die Leute von der Schule oder Arbeit kommen. Um genügend Einnahmen zu generieren, müsste man bei begrenzter Teilnehmerzahl schon morgens um 8 Uhr anfangen“, betont der 58-Jährige.
„Nein, auch wenn es uns extrem schwerfällt. Bei dieser Entscheidung müssen wir den Kopf einschalten. Wer weiß, ob es nicht im Herbst eine weitere Corona-Welle gibt“, sagt Frank Fornaçon. Da man gut gewirtschaftet habe, könne man den Ausstieg jetzt noch ohne Schulden schaffen. Auch, weil der 44-Jährige für sich selbst Kurzarbeitergeld beantragen konnte. Er ist als Geschäftsführer und Leiter der Tanzschule angestellt, Inhaberin ist inzwischen seine Mutter. „Wenn das nicht möglich gewesen wäre, hätten wir schon früher dichtmachen können.“
Dass ein Virus ihren Lebenstraum beendet, scheinen die beiden Tanzlehrer aus Leidenschaft noch gar nicht richtig fassen zu können. Generationen von Ludwigshafenern haben sie auf ihrem Parkett das Tanzen beigebracht. „Teilweise hatten wir Eltern hier, später deren Kinder, und als die Kinder aus dem Haus waren wieder die Eltern“, erinnert sich Frank Fornaçon. 16 Tanzkreise mit jeweils zwölf bis 16 Paaren, drei Jugendclubs und die Kurse haben die beiden zuletzt betreut. „Das sind einige hundert Menschen, und zu unseren Tanzpartys kamen auch Leute von anderen Tanzschulen“, so Fornaçon.
Aus schlägt hohe Wellen
Die Ankündigung, die Tanzschule zu schließen, hat entsprechend hohe Wellen geschlagen. „Wir bekommen täglich Anrufe und Nachrichten. Es sind viele Tränen geflossen“, berichtet Gerd Fornaçon. „Das rührt uns natürlich sehr. Viele sagen, dass sie die Bahn nicht verstehen können.“ Das Paar selbst hegt keinen Groll. „Wir verstehen es nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht. Ich habe doch lieber ein paar Einnahmen als gar keine. Denn hier in diesem toten Bahnhof einen Nachmieter zu finden, wird sicher nicht einfach“, sagen die beiden.
„Emotional ein Riesenkraftakt“
Wie es für sie persönlich weitergeht, wissen sie noch nicht genau. „Ab August brauchen wir erstmal eine Auszeit. Die vergangenen Monate waren emotional ein Riesenkraftakt. Diese ständige Ungewissheit, wie es weitergeht, und ob wir das schaffen. Die Entscheidung tut zwar weh, aber jetzt haben wir wenigstens Gewissheit - wenn auch eine traurige“, sagt der Geschäftsführer.
Dass sie irgendwo anders einen Neustart wagen, wollen Frank und Gerd Fornaçon nicht ausschließen. „Unter den vielen Nachrichten waren auch Angebote für neue Räume“, berichten sie. „Doch eins steht fest: Wenn wir noch mal neu anfangen, dann nicht mehr in der Größe.“ Noch hoffen die beiden auf einen Nachmieter für die aktuelle Tanzschule. Diesem würden sie die eingebaute Belüftungs- und Lichttechnik sowie die Sitzgelegenheiten kostenfrei überlassen. „Ansonsten müssten wir alles zurückbauen, was weitere Kosten verursacht“, so Fornaçon. Dass die traditionsreiche Tanzschule nach 43 Jahren weiter bestehen kann - es wäre den beiden ein großes Anliegen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/ludwigshafen_artikel,-ludwigshafen-ludwigshafener-tanzschule-forna%C3%A7on-gibt-wegen-corona-auf-_arid,1805038.html