Ludwigshafen. 40 000 Kubikmeter Bauschutt, 1750 Fassadenelemente und eine massive Kostensteigerung: Die Stadt Ludwigshafen hat am Montag neue Details zum geplanten Abriss von Rathaus und Rathaus-Center bekanntgegeben. Anlass war der Abschluss einer Machbarkeitsstudie, die vor einem Jahr in Auftrag gegeben wurde. Die wohl schwerwiegendste Neuigkeit, die Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD), Baudezernent Alexander Thewalt und Björn Berlenbach, Geschäftsführer der Bauprojektgesellschaft, zu verkünden hatten, betrifft das Geld: Knapp 72 Millionen Euro soll der Rückbau des Gebäudekomplexes zwischen City und Hemshof kosten - 20 Millionen mehr als im Jahr 2020 durch das Beratungsunternehmen Drees und Sommer geschätzt. Auch der Bau- und Grundstücksausschuss wurde am Abend über die Entwicklungen informiert.
Nach Berlenbachs Angaben ist die massive Kostenerhöhung zu großen Teilen der „immensen Baupreissteigerung“ sowie der derzeitigen Inflation geschuldet. „Das Leben wird in allen Bereichen teurer und die Baubranche trifft das besonders“, sagte er. So kämen etwa Baustoffe wie Zement oder Baustahl aus der Ukraine oder Russland, Lieferprobleme oder Materialknappheit ließen die Kosten in die Höhe schnellen. „So sehr, wie wir es schon seit den 1960er Jahren nicht mehr erlebt haben“, sagte Berlenbach. Von den etwas mehr als 20 Millionen Euro Mehrkosten für den Abriss seien allein 16,7 Millionen auf diese Faktoren zurückzuführen. Das zeige, dass das Büro Drees und Sommer im Grunde sehr gut gearbeitet habe bei seiner Schätzung.
Alle Grenzwerte bei Lärm, Schall und Erschütterungen werden eingehalten.
Nicht in den knapp 72 Millionen Euro inbegriffen ist jedoch der Abriss des Center-Bereichs, der unter der Hochstraße Nord liegt - also der nördliche Teil der Mall und das Parkhaus. „Für diesen Bereich kalkulieren wir mit 7,85 Millionen Euro Abrisskosten, die aber im Projekt Hochstraße Nord verrechnet werden“, erläuterte Berlenbach. Dies hänge mit günstigen Fördermöglichkeiten zusammen. Insgesamt fallen für den Abriss des Rathaus-Centers also knapp 80 Millionen Euro an.
Grundsätzlich sind die Verantwortlichen aber optimistisch, denn die Machbarkeitsstudie habe gezeigt, dass der Rückbau wie geplant möglich ist. Die Abstimmung mit den anderen Großprojekten - dem Neubau der Hochstraße Süd und dem Abriss der Hochstraße Nord und Neubau der Helmut-Kohl-Allee - sei weiterhin gegeben und der Zeitplan werde eingehalten. Bis Ende 2025 soll demnach der Abbruch des signifikaten Gebäudes vollständig abgeschlossen sein. Die ersten Baumaßnahmen, insbesondere im Inneren des Rathaus-Centers, beginnen im dritten Quartal dieses Jahres. Der östliche Teil der Mall soll bis Ende 2024 verschwinden, der nördliche bis Anfang 2025. Am längsten dauert der Abriss des Rathaus-Turms und des darunter liegenden Teils der Einkaufsmall.
Bei der Finanzierung muss es eine Lösung von Bund und Land geben.
Bei den Untersuchungen der vergangenen Wochen und Monate seien laut Berlenbach keine Schadstoffe in größerem Umfang zutage getreten. „Eine Asbest-Sanierung wurde bereits vor einigen Jahren gemacht. Ein paar Schadstoffe werden wir entsorgen müssen. Aber nichts, was den Bauablauf gefährdet“, so der Tiefbau-Bereichsleiter.
Auch in Sachen Immissionen hat Berlenbach gute Neuigkeiten. „Alle Grenzwerte bei Lärm, Schall und Erschütterungen werden eingehalten“, sagt er. Die Baustelle werde zum Beispiel am Standort des Carl-Bosch-Gymnasiums, das unmittelbar gegenüber des Rathaus-Centers liegt, weniger Lärm verursachen als die alltäglichen Verkehrsgeräusche in diesem Bereich. „Wir haben die Hochstraße Nord, und auch auf der Jaegerstraße und Havering-Allee sind einige Busse und Fahrzeuge unterwegs.“ Die lauteste Phase werde etwa sechs bis acht Wochen andauern, wenn die Bagger das Gerüst des Gebäudes anknabbern und zerkleinern. In den oberen sechs Stockwerken kommen dabei Mini-Bagger zum Einsatz, ab Stockwerk zehn abwärts sogenannte Longfront-Bagger mit langen Armen. Diese beißen sich durch den Stahlbeton wie etwa beim Abriss der Hochstraße Süd, schilderte Berlenbach.
Komplexer als angenommen wird sich der Rückbau der Fassade gestalten. Diese besteht aus insgesamt 1750 Glas-Elementen, die allesamt einzeln abgenommen werden. Dafür sollen laut Berlenbach Arbeitsbühnen zum Einsatz kommen, damit keine der großen Glasscheiben zu Boden stürzen kann. „Das wird eine Weile dauern, aber wir wollen auf Nummer sicher gehen.“
Insgesamt geht die Verwaltung davon aus, dass beim Abriss des Rathaus-Centers 40 000 Kubikmeter Schutt entstehen werden. In Teilen soll dieser noch vor Ort recycelt und dann für den Bau der Stadtstraße genutzt werden, kündigte Berlenbach an. Das wird im ehemaligen Warenlager West geschehen, über den die Baustelle primär erschlossen ist. Später auch noch über den Warenhof Ost. Berlenbach rechnet mit zwei bis drei Lkw-Fahrten pro Stunde zur An- und Ablieferung.
Die Fraktionen im Bau- und Grundstücksausschuss nahmen den Bericht relativ unberührt zur Kenntnis. Sylvia Weiler (SPD) und Maike Jurk (AfD) stellten Nachfragen zum Recycling, die CDU sah sich nicht in der Lage abzustimmen und enthielt sich. Einzig Jens Brückner (Forum und Piraten betonte, dass ihm angesichts der Kostensteigerung „schwindelig“ werde. Auf seine Frage, wie das alles überhaupt finanziert werden soll, verwiesen Steinruck und Kämmerer Andreas Schwarz auf die Fördergeber. „Es muss eine Lösung von Bund und Land geben“, sagte Schwarz.
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