Ludwigshafen/Weinheim. Alfred Speiser fühlt sich provoziert von Michael Kötz. Der Chef des Festivals des deutschen Films hatte zum Start des Events in Ludwigshafen im Interview mit unserer Zeitung gesagt: „Die Kinos könnten so gut besucht sein wie unser Filmfestival, wenn sie akzeptieren würden, wofür sie heute eigentlich da sind, nämlich ein Treffpunkt zu sein, keine Abspielstätte.“ Darauf reagierte Speiser, der erfolgreich die Kinos in Weinheim und Hemsbach betreibt, am Donnerstag mit einer Art offenen Brief: Darin wirft er Kötz vor „unter der Totenkopfflagge eines kommerziellen Piraten zu segeln“. Sprich, mit einem zu kommerziellen Programm die Kinolandschaft der Region zu schädigen. Außerdem spricht Speiser dem Filmfest auf der Parkinsel den Festival-Charakter und die Förderungswürdigkeit ab.
Herr Speiser, inwiefern könnte Michael Kötz mit seinem Festival des deutschen Films Ihre und die anderen kleinen Kinos in der Region versenken – wie „ein kommerzieller Pirat“?
Alfred Speiser: Sein Festival schadet uns kleinen Kinos. Der Grundgedanke des Festivals war vor 20 Jahren mal sehr hilfreich. Da wurde dort vorwiegend neue Ware, die noch gar nicht im Vertrieb war, einem interessierten Filmkunstpublikum näher gebracht. Dann kamen die Filme später irgendwann in die Kinos. Das war tatsächlich hilfreich, um Programmkinos zu unterstützen. Nur jetzt ist im Ludwigshafener Programm das Problem, dass mehr kommerzielle Ware gezeigt wird, die aktuell in den Kinos zu sehen hat. Und auch Ware, die mit Filmkunst und Förderung des jungen deutschen Films nur ganz wenig zu tun hat. Da spricht er zu Recht von „Freude beim Publikum“. Aber es wird öffentlich gefördert und hat aufgrund seines Event-Charakters wenig mit dem Anspruch eines Festivals des deutschen Films zu tun. Damit habe ich ein Problem. Dieses Streben nach ungeheuer großen Besucherzahlen seit ein paar Jahren ist kommerziell völlig in Ordnung, aber dann soll er bitte auch die kommerzielle Flagge hissen oder die anderen mitnehmen und Kollateralschäden vermeiden, die dadurch entstehen.
Wie ist dieser Effekt bei Ihnen in der Brennnessel und im Modernen Theater messbar?
Speiser: Aufgrund von Statistiken. Während das Festival läuft, sind sehr viele Filmkunstbegeisterte eben in Ludwigshafen. So viele Cineasten haben wir in der Region nicht. Ich mache ja selbst Open-Air-Kino, das funktioniert auch. Aber viele Kollegen sehen sich dazu außerstande, weil sie keine Förderungen haben, keine Sponsoren und das Risiko von Freiluft-Kino ist enorm. Wenn das Wetter nicht so ist wie 2024 und dieses Jahr, dann können sie das vergessen und bezahlen Lehrgeld.
Haben sie sich abgestimmt mit den Kollegen in den kleinen Kinos in Mannheim, Leutershausen oder Heidelberg?
Speiser: Ich kann die Lage sehr gut beurteilen, und ich mache engagiert Kino. Deshalb hat mich der Vorwurf von Herrn Kötz besonders erfreut, dass wir die Zeichen der Zeit nicht erkennen würden. Er hat halt keine Ahnung, wie so ein Kino geführt werden muss über 365 Tage. Ich kann nicht immer Event, Event machen, das kann kein Mensch bezahlen. Deshalb habe ich nach dem Artikel von gestern reagiert, in dem er auch noch relativ von oben herab den anderen erzählen will, wie er Kino macht. Kötz ist ein Top-Event-Manager, ich schätze das. Ich bin immer für jemand, der etwas auf die Beine stellt. Aber ich muss auch in seiner Position das Umfeld beachten oder ich müsste es beachten, solange ich öffentliche Gelder verbrate. Das ist öffentliches Fördergeld, kein Risikokapital.
Aber zieht so ein Event-Festival nicht auch neues Publikum heran, das auf den Geschmack kommt – und dann zu Ihnen in die Kinos? Außerdem belebt Konkurrenz doch oft das Geschäft.
Speiser: Dieser Ansatz von Ihnen ist schon richtig. Aber Kino hat im Moment Riesenprobleme. Also ich bin 50 Jahre dabei, noch länger. So eine Durststrecke kenne ich nicht. Wann der Wendepunkt kommt, ist auch noch nicht sichtbar. Und in einer solchen Situation schadet das Festival im Moment massiv. Wenn noch ein, zwei Herr Dr. Kötzens auftauchen, in Darmstadt zum Beispiel, dann machen wir die Dinger zu. Wozu ich ihn auffordere: Rede mit den Leuten um dich herum. Wie können wir es zusammen machen? Geld hat er ja anscheinend auch genug, wenn er gefördert wird und diese Besucherzahlen hat. Wie bindet man die Kleinen ein, dass sie vielleicht im Nachgang oder während des Festivals partizipieren und wir alle eine breite Palette aufstellen können? Oder er soll die Sache beim Namen nennen: „Ich bin ein überragender Geschäftsmann, mir ist das gelungen.“ Das ist okay. Aber dann soll Kötz bitte nicht das Wort Festival in den Mund nehmen.
Wie könnte denn so eine Kooperation praktisch aussehen?
Speiser: Was er früher gemacht hat, war gut. Dass er viele Filme gebracht hat, die nicht in der Auswertung waren. Um das geht es mir in der Hauptsache. Auch, dass er junge Filmer bringt oder eine „Tatort“-Reihe. Das ist alles in Ordnung. Aber was haben „Voilà Papà!“ oder „Alter weißer Mann“ bei einem Festival zu suchen? Das hat mit Filmkunst nicht so viel zu tun. Das ist kommerzielle Altware, die wir auch spielen. Das ist Kino. Ein Festival mit seinem Glanz hat einen anderen Sinn. Der auch den Kinos hilft. So wie er es jetzt macht, ist es Unfug.
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