Ludwigshafen. Herr Günther, Sie haben das Ende Ihrer Dienstzeit als Geschäftsführer des Ludwigshafener Klinikums erreicht. Sie könnten sich jetzt nochmal öffentlich auskotzen, wenn Sie wollen.
Hans-Friedrich Günther: Nein, das mache ich nicht.
Warum nicht?
Günther: Auskotzen ist langweilig. Das bringt ja überhaupt niemandem etwas, zu meckern und zu schimpfen. Es geht darum, nach vorne zu schauen und Dinge zu gestalten.
Die vergangenen zwei Jahre waren am Klinikum Ludwigshafen mindestens suboptimal, wenn man auf Verluste in Millionenhöhe schaut.
Günther: Was heißt suboptimal? Sie waren anstrengend. Sie waren herausfordernd. Das sind einfach schlechte Zeiten für Krankenhäuser. Aber so ist das im Leben. Manchmal scheint die Sonne, und manchmal regnet es. Ich habe und hatte ein super Team im KliLu und habe jetzt auch zwei sehr gute Nachfolger - die schaffen das zusammen.
Es geht jetzt um die Krankenhausreform.
Günther: Ich weiß nicht, die wievielte Krankenhausreform ich jetzt gerade erlebe. Sie waren immer eine Herausforderung.
Was heißt das konkret?
Günther: Krankenhaus ist eigentlich relativ einfach. Es geht immer nur um ein einziges Thema, und das heißt: Mach gute Medizin! Es geht darum, die Versorgung der Patienten sicherzustellen. Derzeit ist es ökonomisch schwierig. Hier im Haus haben wir zwei oder drei Ansätze entwickelt, die Lösungen sein könnten - und die ich sehr gut finde.
Die Nachfolge
- Mit der 40-jährigen Vanessa Bähner ist am Klinikum Ludwigshafen nun erstmals eine Frau mit der medizinischen Geschäftsführung betraut.
- Bähner ist Teil eines Duos, das seit 15. April durch den Kaufmännischen Leiter Jan Stanslowski (58) komplettiert wird.
Aber was ist Ihr Problem mit dieser Reform, die im Sommer Gesetzesrang bekommen soll?
Günther: Dass ich keine Krankenhausreform brauche und ich den Begriff schon falsch finde. Unser System könnte sich so grundlegend ändern, wenn wir es aus Patientensicht betrachten und die Chancen, die sich aktuell bieten, einfach wahrnehmen würden. Für mich gibt es zwei große Brüche in dem System: Die Entschlüsselung des menschlichen Genoms hat uns erheblich weitergebracht beim Thema individualisierte Medizin. Das ist ein Quantensprung. Der Vorteil ist, dass wir Therapien, die sich heute im Nachhinein als unwirksam erweisen, viel früher als nicht hilfreich erkennen können. Da wird es in den kommenden Jahren dramatische Weiterentwicklungen geben. Da muss man mit dabei sein. Das zweite Thema, das die Welt verändert, ist die Digitalisierung, oder besser die digitale Transformation. Wir haben heute die Möglichkeit, Informationen miteinander zu verschränken, die es früher nicht gegeben hat. Theoretisch könnten niedergelassene Praxen und Krankenhäuser alle ihre Informationen miteinander teilen. Das sind riesige Chancen für die Weiterentwicklung der Medizin und der Versorgungsqualität.
Aber genau das schafft die angestrebte Krankenhausreform ja nicht.
Günther: Bei Weitem nicht, weil sie nur auf die Krankenhäuser rekurriert. Und das ist auch mein Hauptkritikpunkt: Man kommt in Sachen Gesundheit nur dann voran, wenn man das ganze System betrachtet - eben die niedergelassenen Ärzte miteinbezieht.
Sie haben es doch gefeiert, als Karl Lauterbach Gesundheitsminister geworden ist.
Günther: Bei mir ist das Glas immer halb voll und nie halb leer. Leider hat aus meiner Sicht Lauterbach das System nicht verstanden. Wenn man die Potenziale heben will und die Kosten uns nicht davonlaufen sollen, dann ist es sinnvoll, die Dinge, die nichts bringen, wegzulassen. Wir müssen damit anfangen, Krankheiten zu verhindern, um sie nachher nicht therapieren zu müssen. Wenn ich die Prädispositionen eines Menschen durch die Entschlüsselung des Genoms kenne, dann kann ich frühzeitig eingreifen.
Welche Rolle spielen dabei Zusammenarbeit und Kooperation?
Günther: Eine ganz zentrale. Es geht insbesondere um die Frage: Wer kann was gut? Wer kann was besser? Dann soll es der machen, der es besser kann. Ich halte Medizin für ein Handwerk und bin total gegen den Begriff Heilkunst. Ich möchte persönlich einen Handwerker haben, der mich behandelt, und keinen Künstler. Dinge, die er häufig macht, macht er auch entsprechend gut. Stärken kann man stärken, aber aus einer Schwäche nie eine Stärke machen.
Was bedeutet das für Ludwigshafen und die Krankenhäuser hier? Stichwort Geburtshilfe.
Günther: Es gibt ein paar Dinge, die wir in den vergangenen Jahren in Ludwigshafen anders und früher gemacht haben als andere. Ich habe hier im Klinikum die Unfallchirurgie abgeschafft, weil die BG Klinik das um Lichtjahre besser macht als wir. Umgekehrt habe ich gesagt, die BG Klinik soll aufhören, Schlaganfälle zu therapieren, weil wir das viel besser machen. Das war schon 2014 oder 2015. Das groß diskutierte Thema Geburtsmedizin, das eigentlich ein kleines Thema ist, gehört an das Haus, das auch eine Kinderklinik hat - also ans Marienkrankenhaus. Wir machen hier eine vernünftige Geburtshilfe im Klinikum, das will ich gar nicht bestreiten. Aber systematisch, strukturell gehört Geburtshilfe ans Marienkrankenhaus. Umgekehrt gehört alles, was mit dem Thema Onkologie zu tun hat, an unser Klinikum, weil wir hier viel stärker sind. Wir machen die Dinge nicht, weil die Politik sie uns vorgibt, sondern weil sie gut und richtig sind. Es zählt nur das, was den Patienten hilft.
Blicken wir nochmal zurück auf die Coronazeit. Da haben Sie sich ganz schön unbeliebt gemacht bei Ihrem Betriebsrat und Teilen des Personals. Es ging um die Impfpflicht, die Sie hier durchsetzen wollten über Restriktionen.
Günther: Im Nachhinein bin ich immer noch überzeugt davon, dass wir das Richtige gemacht haben. Im Krankenhaus sollten alle das machen, was den Patienten nutzt. Die ganz große Masse meiner Mitarbeiter hat das ganz genauso gesehen. Wir hatten eine Impfquote von über 99 Prozent. Als aber klar war, dass die Impfung nicht mehr verhindert hat, dass ich andere mit neuen Virusvarianten anstecke, war ich der Erste, der gesagt hat, dass wir dann auch keine Impfpflicht mehr brauchen. Ich bin zutiefst liberal eingestellt. Mein Eigenschutz ist meine eigene Angelegenheit. Die geht den Staat nichts an. Der Schutz meiner Patienten ist mein Job als Geschäftsführer eines Krankenhauses - auch wenn ich dafür Hunderte E-Mails mit Drohungen bekommen habe.
Sie verzichten auf eine Abschiedsparty. Warum?
Günther: Ich bin nicht der Typ, der sich gerne feiern lässt und der gerne im Mittelpunkt steht. Ich glaube auch, dass in diesen Zeiten, in denen es für die Kliniken finanziell schwierig ist, die Konzentration der finanziellen Mittel den Patienten gelten sollte und nicht dem Abschied des Geschäftsführers.
Was machen Sie in Zukunft?
Günther: Ich will erst einmal runterkommen und mit mir im Reinen sein. Ich habe gelesen, dass man ,entlernen muss, Chef zu sein’. Das erwarten auch meine Kinder von mir. Eine Parabel sagt, dass das Leben wie das Jonglieren mit fünf Bällen ist. Ein Ball ist aus Gummi, das ist die Arbeit. Dieser Ball kommt immer wieder zurück. Die anderen Bälle - Familie, Gesundheit, Freunde und Integrität sind aus Glas und können leicht zerbrechen, wenn man sie fallen lässt. Vieles von dem ist zu kurz gekommen. Das ändert sich jetzt.
Wie kommen Sie denn runter?
Günther: Indem ich mich auf mein Motorrad setze und die Seele baumeln lasse.
Wo geht’s hin?
Günther: Mit Wohnmobil und Motorrad nach Sardinien. Bald geht die Fähre.
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