Täter strafunmündig

Kinder lassen Straßenbahn in Ludwigshafen entgleisen - wer zahlt den Schaden?

Wegen Steinen hüpft eine Bahn in Ludwigshafen aus den Gleisen. Der Schaden geht in die Hunderttausende, die Täter sind 13 Jahre alt. Bleibt die RNV auf den Kosten sitzen? Ein Sprecher macht klare Ansagen

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Julian Eistetter
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Eine Bahn ist im Oktober in Rheingönheim entgleist, nachdem Kinder Steine auf die Schienen gelegt hatten. © RNV

Ludwigshafen. Der Vorfall sorgt im Oktober für Aufsehen. Unbekannte legen im Ludwigshafener Stadtteil Rheingönheim Schottersteine auf die Gleise und bringen eine Straßenbahn zum Entgleisen. Der Schaden wird auf 300 000 Euro geschätzt, dass niemand verletzt wird, ist pures Glück. Seit der vergangenen Woche ist nun klar: Für den Vorfall sind zwei 13 Jahre alte Jungs verantwortlich. Da sie strafunmündig sind, wird es kein Verfahren geben. Doch wie geht es nun weiter. Und wer kommt für den massiven Schaden auf? Die Rhein-Neckar Verkehr GmbH (RNV) hat da eine klare Vorstellung.

Werden Eltern in Haftung genommen?

Nach Angaben von Unternehmenssprecher Moritz Feier kommt es immer wieder vor, dass Fahrzeuge der RNV mutwillig beschädigt werden. In den meisten Fällen seien die Schäden aber so gering, dass es mit einem Täter-Opfer-Ausgleich getan ist. Jugendliche putzen dann für zwei Wochen Bahnen oder machen sich anderweitig nützlich, um die Strafe abzuarbeiten.

Wir werden uns das Geld zurückholen. Wir müssen uns das Geld zurückholen, denn wir hantieren mit öffentlichen Mitteln
Moritz Feier RNV-Sprecher

„In diesem besonderen Fall geht das natürlich nicht“, sagt Feier mit Blick auf die sechsstellige Schadenshöhe - ein Ausmaß, das er bislang bei einem solchen Fall noch nicht erlebt hat.

„Wir werden uns das Geld zurückholen. Wir müssen uns das Geld zurückholen, denn wir hantieren mit öffentlichen Mitteln“, gibt Feier klar die Richtung vor. Wie genau das ablaufen wird, ist noch offen.

Dass die Kinder selbst den Schaden nicht begleichen können, ist klar. Möglicherweise werde eine Haftpflichtversicherung einspringen oder die RNV müsse die Eltern in Haftung nehmen. „Generell sind Haftungsfragen bei Minderjährigen aber sehr kompliziert“, sagt der Sprecher.

Kein Bagatelldelikt

Nicht ausgeschlossen ist, dass die Familien der 13-Jährigen den Schaden über mehrere Jahre hinweg ausgleichen müssen. „Wir haben da aber keinen Entscheidungsspielraum“, betont Feier nochmals. Bei dem Vorfall handle es sich auch nicht um ein Bagatelldelikt oder einen „Dumme-Jungen-Streich“, unterstreicht er. „Im Extremfall geht es hier um Menschenleben.“

Vorerst wird die RNV nun auf den Kosten sitzenbleiben. Wie hoch diese letztendlich ausfallen, ist laut Feier noch nicht ganz klar. „Mit dem Schaden an der Infrastruktur, an der Bahn, dem Reparaturaufwand und der Ausfallzeit erreichen wir sicher einen deutlich sechsstelligen Betrag“, sagt er. Womöglich werde er aber etwas niedriger ausfallen als die befürchteten 300 000 Euro.

FIBS-Programm

Im Ludwigshafener Haus des Jugendrechts gibt es seit 2013 das Kooperationsprogramm Frühe Intervention und Beratung von Strafunmündigen (FIBS).

Es richtet sich an Kinder, die polizeilich aufgefallen sind, und an deren Sorgeberechtigte.

Zentraler Bestandteil von FIBS sind freiwillige, niederschwellige sowie erzieherische Beratungsgespräche zur Vorbeugung.

Dabei sollen stets das Kind, seine Lebenssituation und die erzieherische Reflexion des Verhaltens im Fokus stehen.

Die beschädigte Straßenbahn ist unterdessen wieder auf dem Schienennetz in der Region unterwegs. „Es sind Teile aus anderen Fahrzeugen verbaut worden“, erläutert der Sprecher.

"Da tut jeder Ausfall doppelt weh"

Zum Leidwesen der RNV ereignete sich der Vorfall mitten in einer Zeit, in der Ersatzteile nur extrem schwer zu bekommen waren. „Da tut jeder Ausfall eines Fahrzeugs doppelt weh.“ Umso schmerzhafer also, dass im November in Thüringen auch noch ein Sattelschlepper mit einer geladenen RNV-Straßenbahn eine Böschung an der A 9 hinunterrutschte. Was die Beschaffung von Ersatzteilen angehe, gebe es derzeit aber erste Anzeichen für Entspannung, so Feier.

Nach der Bahn-Entgleisung in Rheingönheim im Oktober gab es in Ludwigshafen weitere Fälle mit Gegenständen auf den Gleisen. Für die RNV gibt es wenige Hebel, etwas gegen diese Form des gefährlichen Eingriffs in den Verkehr zu unternehmen.

„Wenn wir Schwerpunkte bemerken, können wir versuchen, dem Ganzen mit Bestreifung vorzubeugen“, sagt Feier. Letztlich sei eine Überwachung bei 200 Kilometern meist frei zugänglichem Liniennetz in der Region aber nicht leistbar.

RNV erhofft sich Signalwirkung

Durch die gute Zusammenarbeit mit der Polizei und die erfolgreiche Öffentlichkeitsfahndung erhofft sich die RNV nun deshalb auch eine Signalwirkung: Legt jemand Steine auf die Gleise, so kann ihn das teuer zu stehen kommen. „Das ist die klare Botschaft, auch wenn das letztlich natürlich eine sehr bittere Geschichte für alle Beteiligten ist“, so Feier.

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Die Ermittlungen in diesem Fall lagen in den Händen des gemeinsamen Sachgebiets Jugend im Haus des Jugendrechts. Es werde zwar eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft gegeben, diese werde dann jedoch wegen der Strafunmündigkeit der Täter fallengelassen, sagt ein Polizeisprecher.

Den Vorfall mit der Entgleisung hätten die 13-Jährigen eingeräumt. Ob sie auch für die weiteren Gegenstände auf den Gleisen verantwortlich sind, sei unklar. Die Polizei geht eher von Nachahmungstätern aus.

Stadt bietet Erziehungshilfe an

Im Haus des Jugendrechts ist auch die Stadt Ludwigshafen mit ihrem Jugendamt vertreten. Wenn Kinder straffällig werden, nimmt dieses Kontakt zu den Familien auf, wie eine Rathaus-Sprecherin mitteilt. Über das Programm Frühe Intervention und Beratung Strafunmündiger (FIBS) wird den Eltern Unterstützung angeboten - sei es beratend oder durch die Vermittlung in geeignete pädagogische Hilfen, auch erzieherischer Natur.

Ob die Familien der beiden 13-Jährigen auf das Angebot eingegangen sind, darf die Sprecherin aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht sagen. Generell nehme aber der „überwiegende Teil“ der Familien die Hilfe an.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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