Film

„Im Rausch“ und „Ein Mann seiner Klasse“ auf dem Festival des deutschen Films

Das Festival des deutschen Films in Ludwigshafen bietet zwei eindringliche Sozialdramen, die nicht nur durch ihre ungeschönte Darstellung, sondern auch durch ihre regionale Verankerung beeindrucken

Von 
Georg Spindler
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„Im Rausch“ erzählt die Geschichte von Journalistin Katja (Friederike Becht), die in den Strudel des Alkoholismus gerät. © OliverVaccaro/SFP

Ludwigshafen. Es gibt Filme, die sind nichts für schwache Nerven. Die Sozialdramen „Im Rausch“ und „

Ein Mann seiner Klasse“, die beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen zu sehen sind, fallen in diese Kategorie. In knallhartem Realismus schildern sie Schicksale von Menschen in einer derart ungeschönten Heftigkeit, die nur abgestumpften Gemütern nicht unter die Haut gehen dürfte. Beide sind höchst preisverdächtig - und haben einen Bezug zur Region, genauer gesagt zur Pfalz: Friederike Becht, die grandiose Hauptdarstellerin im ersten Festivalbeitrag, stammt aus Bad Bergzabern, der zweite basiert auf der Autobiografie von Christian Baron, der seine Kindheit in Kaiserslautern beschreibt.

"Im Rausch": Von der taffen Journalistin in die Alkoholsucht

In Mark Schlichters aufrüttelndem Suchtdrama zeigt Becht den Absturz der Journalistin Katja in den Alkoholismus mit geradezu beängstigender Intensität. Anfangs ist sie noch die taffe Journalistin, die sich mit der Polizei anlegt und ihre eigenen Vorgesetzten verbal heftig attackiert. Doch immer öfter greift sie zur Flasche: „Ich dachte, ich hätte mich im Griff“, sagt Katja, aber da befindet sie sich schon im freien Fall: die Augen hohl, das Haar zerzaust, schwitzend, torkelnd, lallend.

In der Zufallsbekanntschaft Eddie findet sie einen gleichgesinnten Saufkumpan und Liebhaber. Hans Löw stellt ihn fast ebenso eindringlich dar, aber Becht verkörpert ihre Figur mit einer exzessiven Wucht, die sie zum Mittelpunkt dieses Filmes macht. Fast übersieht man dabei, wie hervorragend er mit starken Bildern und subtilen Kameraeinstellungen inszeniert ist, und dass Katrin Sass in einer kurzen Gastrolle als trockene Alkoholikerin brilliert.

"Ein Mann seiner Klasse" entfesselt Gefühlsinferno 

Ähnlich mitreißend: „Ein Mann seiner Klasse“ von Marc Brummund. Die Geschichte einer in ärmlichen Verhältnissen lebenden Familie nimmt den Zuschauer mit auf eine emotionale Schlingerfahrt. Der Vater, Möbelpacker, geriert sich nach außen als Beschützer von Frau und Kindern, aber er säuft und verprügelt sie. Einfühlsam zeigt der Film, wie der zehnjährige Christian (als Darsteller eine Entdeckung: Cammille Loup Moltzen) trotzdem den Vater als Idol verehrt. Leonard Kunz spielt ihn beeindruckend facettenreich als Grobian mit kurzen Anwandlungen von Zärtlichkeit, der seine Schwäche mit Gewalt zu kaschieren sucht.

Ein wahres Gefühlsinferno nimmt so seinen Lauf: Die Mutter stirbt an Krebs, der Vater wird arbeitslos, die Kinder hungern, eine Tante nimmt sie bei sich auf, das Sozialamt spricht ihr das Sorgerecht zu. Christian trifft sich heimlich mit dem Vater, den er nach wie vor verehrt, gegen dessen Willen geht er aufs Gymnasium, wo er wegen seiner Herkunft gehänselt wird. Zwischen Schule, Kaschemme, beengten Wohnverhältnissen, Betzenberg und Theater (wohin ihn eine andere Tante, die dem Milieu entronnen ist, ab und zu mitnimmt) entspinnt sich so eine hochdramatische Handlung.

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Der Film erzählt sie, ohne seine Protagonisten zu diskreditieren, deren Wesenszüge er differenziert ausleuchtet. Er zeigt auch die kleinen Glücksmomente inmitten der Armut: Wenn der 1. FC Kaiserslautern gewinnt, der Vater als Karaoke-Sänger die Kneipe unterhält, sind die Sorgen für kurze Zeit vergessen. Seine sensiblen Charakterzeichnungen, das stimmige Lokalkolorit und die packende Dramaturgie machen „Ein Mann seiner Klasse“ so sehenswert.

Redaktion

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