Ludwigshafen. Das liebe Geld war das dominierende Thema bei der letzten Stadtratssitzung des Jahres in Ludwigshafen. Wie immer also, ist man mit Blick auf die chronisch klamme Stadtkasse und die massiven Schulden geneigt zu sagen. Und auch am Montag grüßte in vielen Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden zur Lage der Stadt das sprichwörtliche Murmeltier. „Eigentlich könnte ich die gleiche Rede wie vor 20 Jahren halten“, sagte stellvertretend etwa FWG-Fraktionschef Rainer Metz. Die Stadt sei „sowas von bankrott“. Am Ende verabschiedeten die Fraktionen bei Gegenstimmen der AfD mehrheitlich den Haushalt für das Jahr 2025, der nach zwei Änderungslisten einen Fehlbetrag von fast 60 Millionen Euro aufweisen wird. Bis 2028 steigen die von der Kämmerei prognostizierten jährlichen Defizite auf bis zu 108 Millionen Euro.
Ein wichtiger Teil der Haushaltsplanungen sind Steuereinnahmen. Und wie in der gesamten Region galt es nach der bundesweiten Reform auch in Ludwigshafen, neue Hebesätze für die Grundsteuer festzulegen. Schaut man auf die blanken Zahlen, dann muss man von einer deutlichen Erhöhung sprechen. Denn auf Vorschlag der Verwaltung wird der Hebesatz für die Grundsteuer B, die sich auf gewerbliche und private Grundstücke bezieht, von 540 auf 817 Prozentpunkte erhöht. „Die von der Verwaltung vorgeschlagenen Hebesätze sind unter der Maßgabe der Aufkommensneutralität errechnet worden“, heißt es aber in der Vorlage. Bedeutet im Klartext: Die Grundsteuereinnahmen im Jahr 2025 sollen denen des Jahres 2024 entsprechen. Zu rechnen ist also mit einer Summe von rund 41,5 Millionen Euro.
Belastung verschiebt sich vom Gewerbe zum Wohnen
Betroffen sind von der Anhebung des Hebesatzes sämtliche Immobilien- und Grundstückseigentümer, aber auch Mieter, auf die höhere Kosten in der Nebenkostenabrechnung umgelegt werden können. Durch die neuen Bemessungsgrundlagen sind Eigentümer aber sehr unterschiedlich von der Grundsteuerreform betroffen - einige profitieren, andere müssen deutlich tiefer als bislang in die Tasche greifen. Nicht von der Hand zu weisen war durch die Neuregelung in Rheinland-Pfalz eine Verschiebung der Belastung vom Gewerbe hin zum Wohnen. Allein in Ludwigshafen wäre das Segment Wohnen mit 5,5 Millionen Euro mehr belastet als bislang, das Segment Gewerbe hingegen um genau diesen Betrag entlastet, haben SPD und CDU errechnet. In einem gemeinsamen Antrag haben sie daher Gesplittete Hebesätze für Wohnen und Gewerbe in Ludwigshafen gefordert. Ein entsprechendes Gesetz, das dies ermöglichen soll, sei auf Landesebene derzeit im Gesetzgebungsverfahren. Der Stadtrat stimmte zu.
Das bedeutet nun aber, dass die Stadt Ludwigshafen Anfang 2025 Grundsteuerbescheide verschicken wird, die kurze Zeit später vermutlich schon wieder überholt sein werden, wenn tatsächlich für Wohnen und Gewerbe unterschiedliche Hebeätze festgesetzt werden. „Eine schwierige Lage“, räumte auch CDU-Fraktionschef Peter Uebel bei der Antragsbegründung ein. „Wir müssen Bescheide verschicken, von denen wir wissen, dass wir sie gar nicht wollen.“
Deutliche Kritik kam dazu aus anderen Stadtratsfraktionen an der Landesregierung in Rheinland-Pfalz. FWG-Mann Metz etwa polterte, dass das Gesetz viel zu spät auf den Weg gebracht worden sei. „Dilettantischer kann eine Regierung nicht sein.“
Auch Ludwigshafens Kämmerer Andreas Schwarz (SPD) stellte fest, dass das neue Modell spät komme. Das sei mit Blick auf das Nachbarland Nordrhein-Westfalen aber vielleicht auch gar nicht so schlecht. Dort zeige sich nämlich, dass die Kommunen trotz deutlich früherer Einführung der gesplitteten Hebesätze noch mit der Umstellung und Programmierung der Software beschäftigt seien. In Rheinland-Pfalz könne man daraus lernen.
„Instrument, das wir im Sinne unserer Bürger nutzen sollten“
Grundsätzlich befürworte nämlich auch die Verwaltung die gesplitteten Hebesätze. „Das ist ein Instrument, das wir im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger nutzen sollten, im Sinne einer gerechteren Besteuerung“, sagte Schwarz. Der Beigeordnete sieht in diesem Zusammenhang jedoch auch ein gewisses Prozessrisiko, das auf die Stadt zukomme. „Einige werden sicher gegen uns klagen.“ Dennoch überwiege das Interesse, eine starke Belastungsverschiebung in den Bereich Wohnen zu verhindern.
Die miserable finanzielle Situation der Stadt und der mangelnde Gestaltungsspielraum dominierten die Haushaltsreden der Fraktionsvorsitzenden. So eröffnete etwa Peter Uebel seinen Beitrag mit fünf hypothetischen Anträgen, die die CDU stellen würde, wenn Ludwigshafen nicht zum Sparen verdammt wäre. Zwischen diesen Wünschen und der Einsparliste der Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck auf der anderen Seite bewege sich die Kommunalpolitik. „Realpolitik sozusagen.“
Auch David Guthier stellte fest, dass die Ausgaben die Einnahmen weiterhin deutlich überschreiten. „Ohne stärkere Unterstützung von Bund und Land kommen wir hier nicht raus“, sagte er. Die Übernahme von Liquiditätskrediten in Höhe von 565 Millionen Euro durch das Land reiche bei dem strukturellen Defizit in der Stadt noch nicht aus. Als weitere Einsparmöglichkeit nannte Guthier verstärkte interkommunale Zusammenarbeit.
Johannes Thiedig stellte für die AfD fest, dass ein ausgeglichener Haushalt niemals zu erreichen sei, die gesetzte Zehn-Jahres-Frist zur Konsolidierung sei „Augenwischerei“. Als Hauptverantwortliche machte Thiedig Bund und vor allem Land aus. Die AfD lehnte den Haushaltsplan ab. Liborio Ciccarello (BSW) bemängelte, dass es für die Kommunalpolitik keinerlei Gestaltungsspielraum mehr gebe. Die Grünen forderten in Person von Susanne Großpietsch mehr Ausgaben im Bildungsbereich und eine weniger auf Autos ausgerichtete Mobilitätspolitik.
FDP wiederholt Forderung nach Klage gegen das Land
Rainer Metz (FWG) hinterfragte noch einmal die Rolle des Kämmerers bei den erforderlichen Gewerbesteuerrückzahlungen in Höhe von 120 Millionen Euro nach einem Gerichtsurteil, von denen die Verwaltung im Vorfeld keine Kenntnis gehabt haben will. Thomas Schell (FDP) drängte auf eine Klage gegen das Land, das seit Jahren gegen das Konnexitätsprinzip (wer bestellt, der bezahlt) verstoße. Heinz Zell stellte für die Linken und Piraten fest, dass eine Selbstheilung der Stadt nicht mehr funktionieren könne. Der Kurs der Aufsichtsbehörde, Ludwigshafen das Messer an die Gurgel zu halten und zum Sparen zu zwingen, sei nicht hinnehmbar.
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