Justiz

Getöteter Gastwirt in Ludwigshafen: Hat Abdriahman M. aus Notwehr gehandelt?

Der Tod eines Gastwirts im Ludwigshafener Hemshof hat bis nach Italien Wellen geschlagen. Am Freitag hat sich der Angeklagte vor dem Frankenthaler Landgericht zum Tattag geäußert. Wie er den Tag schildert

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Agnes Polewka
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Der Angeklagte Abdirahman M. mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Ulrich Kempf aus Landau. © Agnes Polewka

Frankenthal. Als er am 28. August 2023, am späten Nachmittag, seine Praxis verließ, um einem blutenden Menschen in der Nachbarschaft zu helfen, dachte sich ein Ludwigshafener Hausarzt nichts weiter dabei. Immer mal wieder verarztet er Menschen, die in der Nähe seiner Praxis stürzen, sich die Knie aufschrammen. Und so machte er sich auch an diesem Nachmittag auf den Weg ins Freie. Nicht ahnend, dass er schon wenige Minuten später neben einem sterbenden Mann knien würde.

Gastwirt in Ludwigshafen getötet: Arzt sagt im Prozess aus

Am Freitag beschreibt der Mediziner vor dem Frankenthaler Landgericht im Prozess um den getöteten italienischen Wirt des Café Roma im Ludwigshafener Stadtteil Hemshof, wie er als Ersthelfer in die Kneipe kam - und was danach passierte.

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Eine Patientin, die er zuvor behandelt hatte, sei zurück in die Praxis gekommen. In einem Lokal in der Nachbarschaft befinde sich ein blutender Mann, habe sie gesagt. „Als ich das Café Roma betrat, habe ich meiner Helferin sofort zugerufen, sie soll die Polizei und den Notarzt verständigen“, sagt der Arzt. Auf dem Boden habe der Wirt in seinem eigenen Blut gelegen - ein Patient von ihm. Er presste zwei Finger gegen eine Wunde am Hals des Mannes, um die Blutung zu stoppen, wohlwissend, dass sein Patient blutverdünnende Medikamente einnahm, eine vermehrte Blutungsneigung besaß.

„Der Mann atmete noch, aber dann innerhalb von drei Minuten hat sich sein Zustand deutlich verschlechtert“, sagt der Mediziner, dem der glatte Schnitt auffiel. An einer Stelle, wo er besonders großen Schaden anzurichten vermag.

Sohn des getöteten Gastwirts aus Ludwigshafen beschreibt Tattag

Etwa zur gleichen Zeit wunderte sich der Sohn des Gastwirts darüber, dass sein Vater nicht auftauchte. Der Vater habe nicht nur das Café Roma, sondern auch eine Pizzeria betrieben, und dort seien sie verabredet gewesen, um an der Beleuchtung der Gaststätte zu werkeln. Dann klingelte sein Handy, berichtet er am Freitag vor Gericht.

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Sein Bruder sei am Telefon gewesen. „Er sagte, ich soll in Richtung Hemshof fahren, die Straße wäre gesperrt. Die Polizei und ein Rettungswagen wären dort.“ Er habe sich auf den Weg gemacht. Und wird seitdem von den Bildern dieses Tages verfolgt. „Immer wieder sehe ich meinen Vater auf der Liege der Sanitäter.“

Der Gastwirt des Café Roma starb kurz danach in einem Krankenhaus.

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen Totschlags

Die Staatsanwaltschaft hat Anklagen gegen Abdriahman M. erhoben, sie wirft ihm Totschlag vor. Laut Anklage betrat der 26 Jahre alte Somalier die Gaststätte am 28. August, um Kokain zu kaufen. Dies habe er mit Falschgeld bezahlen wollen, sagte Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz zu Beginn der Verhandlung. Doch der 57-Jährige habe das Falschgeld als solches erkannt. Zwischen den beiden Männern sei ein Streit entbrannt. Abdirahman M. soll darauf mit einer zerbrochenen Glasflasche auf den Gastwirt losgegangen sein und ihn so schwer verletzt haben, dass er starb.

Um sich der Frage der Schuld des Angeklagten zu nähern, hat die Kammer auch in diesem Verfahren einen Psychiatrischen Sachverständigen mit einem Gutachten beauftragt. Auf acht Seiten hat der Sachverständige darin die Angaben des 26-Jährigen zur Tat protokolliert. Diese könnten anstelle einer Aussage seines Mandanten verlesen werden, hatte einer der Verteidiger des Mannes, Rechtsanwalt Ulrich Kempf aus Landau, am ersten Prozesstag angeregt.

Getöteter Gastwirt des Café Roma: Gab es einen Streit um Falschgeld?

So liest die Vorsitzende Richterin Mirtha Hütt Seite für Seite daraus vor. In seinem Bericht beschreibt der 26-Jährige, dass er dem Gastwirt schon viele Monate zuvor erstmals begegnet war. In einem Discounter im Hemshof habe er sich im Februar eine Dose Whiskey-Cola gekauft. Zu dieser Zeit habe er als Kommissionierer in Kaiserslautern gearbeitet. Sein Arbeitgeber habe ihm versehentlich 500 Euro zu viel überwiesen - „So viel Geld hatte ich seit meiner Ankunft in Deutschland nicht.“

Insgesamt habe er an diesem Tag 1000 Euro abgehoben, und sei damit nach Ludwigshafen gefahren, wo er dann den Discounter betrat. Die Dose habe er in der Nähe des Geschäfts getrunken, als der 57 Jahre alte Wirt des Café Roma auf ihn zukam und ihm einen Joint angeboten habe. Seine weiteren Ausführungen lassen sich sinngemäß so zusammen: Er kaufte für 1000 Euro Koks bei dem Italiener, anstelle von besonders guter Qualität soll dieser ihm aber „Dreck“ verkauft haben.

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Man traf sich wieder, M. gab ihm den Stoff zurück und sollte irgendwann auch sein Geld wieder bekommen. Zur Polizei konnte er nicht, also wähnte der Angeklagte sein Geld verloren, hoffte aber weiter. Es gab weitere Treffen, im März, im Mai und im Juli. Manchmal soll der 57-Jährige eine Runde Koks ausgegeben haben. Dann habe er ihm am 28. August eine Nachricht geschrieben: „Ich habe dein Geld.“

Laut M. verabredete man sich für den Nachmittag, Vier somalische Freunde begleiteten M. in den Hemshof, warteten in der Nähe der Dreifaltigkeitskirche, weil sie „begierig auf Drogen waren“. Und M. hatte vor, 200 Euro seines Gelds wieder in Drogen zu stecken. Doch der Wirt habe ihn mit Falschgeld abspeisen wollen und sei unter Drohungen mit zwei Glasflaschen auf ihn losgegangen, eine Flasche zerbrach - und mit den Scherben verletzte er den Gastwirt so schwer, dass er starb. Er habe aus Notwehr gehandelt, habe keine andere Möglichkeit gehabt, so der 26-Jährige.

Fall um den getöteten Gastwirt in Ludwigshafen machte in Italien Schlagzeilen

Der Fall hatte vor allem in italienischen Medien für Schlagzeilen gesorgt. Laut Italienischen Medienberichten stammte der Gastwirt aus Palma di Montechiaro, einem sizilianischen Küstenort - und einer Mafia-Hochburg. Von dort wanderten vor Jahrzehnten Hunderte von Gastarbeitern als geschlossene Gemeinschaft auch nach Mannheim aus.

Anfang der 90er Jahre tobten vor allem im Mannheimer Jungbusch blutige Familienkriege und Verteilungskämpfe. Und so gab es unmittelbar nach der Tat im August Spekulationen in italienischen Medien, jemand sei von Sizilien nach Ludwigshafen gereist, um den 57-Jährigen zu töten. Andere Medien berichteten darüber, die Ermittler seien dabei, verschiedene Hypothesen zu prüfen: Es könnte einerseits einen Streit zwischen den Männern gegeben haben oder sich aber andererseits um eine Mafia-Abrechnung gehandelt haben.

Um organisierte Kriminalität werde es im Frankenthaler Prozess nicht gehen, sagte Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz auf Anfrage dieser Redaktion auf Nachfrage zu Beginn der Verhandlung.

Redaktion

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