Justiz

Getöteter Gastwirt in Ludwigshafen: Prozess hat begonnen

Der Tod eines Gastwirts im Ludwigshafener Hemshof machte vor allem in Italien Schlagzeilen. Es gab Gerüchte über einen Killer aus Sizilien, Bezüge zur Mafia-Hochburg Palma di Montechiaro. Nun hat der Prozess begonnen

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Agnes Polewka
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Der Angeklagte Abdirahman M. mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Ulrich Kempf aus Landau. © Agnes Polewka

Frankenthal. Vor dem Landgericht in Frankenthal hat am Montagnachmittag die juristische Aufarbeitung eines Falls begonnen, der im vergangenen Jahr vor allem in italienischen Medien Schlagzeilen machte: der Tod des italienischen Gastwirts des „Café Roma“ im Ludwigshafener Stadtteil Hemshof.

Am 28. August 2023, am späten Nachmittag, fand eine Passantin den 57-Jährigen blutüberströmt in der Gaststätte liegen, sie verständigte den Notarzt, dem es gelang, den Mann zu reanimieren. Wenig später starb er jedoch in einem Krankenhaus. Die Todesursache: Er verblutete und erstickte infolge schwerer Verletzungen im Gesicht- und Halsbereich.

Spekulationen nach der Tat

Was war passiert? Laut Anklage betrat an diesem Nachmittag Abdirahman M. (26) die Gaststätte, um Kokain zu kaufen. Dies habe er mit Falschgeld bezahlen wollen, so Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz. Doch der 57-Jährige habe das Falschgeld als solches erkannt. Zwischen den beiden Männern sei ein Streit entbrannt. Abdirahman M. soll darauf mit einer zerbrochenen Glasflasche auf den Gastwirt losgegangen sein und ihn so schwer verletzt haben, dass er starb.

Zum Prozess

  • Der Prozess um den Tod des Ludwigshafener Gastwirts wird am Frankenthaler Landgericht vor der 1. Großen Strafkammer (als Schwurgericht) verhandelt. Die Richter haben bislang insgesamt neun Hauptverhandlungstermine anberaumt.
  • Am Freitag, 23. Februar, soll der Angeklagte zum Tatgeschehen am 28. August 2023 befragt werden. Vor Beginn der Verhandlung soll er angegeben haben, aus Notwehr gehandelt zu haben.
  • Als weitere Zeugen will die Kammer am nächsten Verhandlungstag unter anderem einen Sohn des Getöteten befragen.

 

Die Staatsanwaltschaft wirft Abdriahman M. Totschlag vor, ein Dolmetscher übersetzt die Anklage für den 26-Jährigen ins Somalische. Nach Angaben des Frankenthaler Landgerichts ist er nicht vorbestraft. Allerdings sollen mehrere laufende Verfahren gegen ihn – unter anderem wegen Körperverletzung – nach Paragraf 154 der Strafprozessordnung eingestellt worden sein. Demnach kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Tat absehen, wenn die Strafe dafür angesichts einer zu erwartenden Strafe für eine andere Tat nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würde. Sollte er wegen Totschlags verurteilt werden, drohen dem Angeklagten im Frankenthaler Prozess mindestens fünf Jahre Haft.

Blutige Familienkriege im Mannheimer Jungbusch

Auch das Opfer soll in der Vergangenheit mehrfach wegen Drogendelikten polizeilich in Erscheinung getreten sein. Italienischen Medienberichten zufolge stammte er aus Palma di Montechiaro, einem sizilianischen Küstenort – und einer Mafia-Hochburg. Von dort wanderten vor Jahrzehnten Hunderte von Gastarbeitern als geschlossene Gemeinschaft auch nach Mannheim aus. Anfang der 90er Jahre tobten vor allem im Mannheimer Jungbusch blutige Familienkriege und Verteilungskämpfe. Nach Erkenntnissen der Polizei war der Stadtteil von 1989 bis Ende 1995 Operationsbasis, Umschlagplatz für Waffen und Versteck für Cosa-Nostra-Killer gleichermaßen. Und so gab es unmittelbar nach der Tat im August Spekulationen in italienischen Medien, jemand sei von Sizilien nach Ludwigshafen gereist, um den 57-Jährigen zu töten.

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Um organisierte Kriminalität werde es im Frankenthaler Prozess nicht gehen, sagt Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz auf Anfrage dieser Redaktion am Rande der Verhandlung, in der die drei Söhne des Getöteten als Nebenkläger auftreten.

In schwarzem Anzug und Lederschuhen wird einer von ihnen von den Wachtmeistern in den Sitzungssaal geführt. Er selbst befindet sich aktuell in Haft. Zu den Gründen äußert sich sein Nebenklage-Vertreter, der Heidelberger Rechtsanwalt Wolfgang Spoor, auf Nachfrage nicht.

In Somalia zum Kindersoldaten ausgebildet

Akribisch schreibt sein Mandant mit, während der Angeklagte Abdirahman M. sein Leben nachzeichnet: die Kindheit in Somalia, der Tod der Eltern durch eine Bombe, die während des anhaltenden Bürgerkriegs das Haus der Familie in die Luft sprengte – da war er zwei Jahre alt. Drei Stunden lang dauert die Befragung zu seinem Lebenslauf an. Drei Stunden, in denen Abdirahman M. beschreibt, wie er zum Kindersoldaten ausgebildet wurde, lernte, andere Menschen zu töten.

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Dann geht es um seine Flucht nach Kenia, die Weiterreise mit dem Flugzeug nach Russland und die Ukraine. Das Geld dafür bekam er eigenen Angaben nach von einer Tante, die in den USA lebt. Sein Vater sei in Somalia Wirtschaftsminister gewesen sein, sagt er. Einen Vermerk, der diese Aussage stützt, hat der Psychiatrische Sachverständige bei den Vereinten Nationen gefunden.

Der 26-Jährige beantwortet alle Fragen zu seiner Vita, auch zum 28. August 2023 will er sich äußern. Nach Angaben des Landgerichts soll er vor Beginn der Verhandlung gesagt haben, er habe aus Notwehr gehandelt. Doch an diesem Montag kommt es nicht dazu. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass wir drei Stunden für den Lebenslauf brauchen“, sagt die Vorsitzende Richterin Mirtha Hütt und vertagt die Befragung zur Tat.

Doch zuvor richtet der 26-jährige Angeklagte das Wort an die beiden Söhne des Getöteten, die ihm gegenübersitzen. In der JVA habe er viel Zeit zum Nachdenken gehabt, sagt er sinngemäß. „Es tut mir unendlich leid, ich wollte niemanden töten.“ Ein Leben sei ein hohes Gut, und er habe nicht das Recht gehabt, einem Menschen das Leben zu nehmen.

Redaktion

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