Ludwigshafen. Mehrere Personen auf beengtem Raum, viele Menschen mit Vorerkrankungen und stark begrenzte Hygienemöglichkeiten – in Zeiten der Corona-Pandemie ist die Gefahr einer Ansteckung für die Bewohner der städtischen Einweisungsgebiete in der Bayreuther- und Kropsburgstraße besonders groß. Das mahnt das Aktionsbündnis Wohnen Ludwigshafen an und fordert eine Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Unterkünften für Wohnungslose. „Das Risiko dort ist definitiv höher“, sagt Walter Münzenberger, Geschäftsführer der Ökumenischen Fördergemeinschaft Ludwigshafen, auf Anfrage.
Oft bedingt durch einen Lebenswandel mit Alkohol, Zigaretten und Drogen seien die Menschen anfälliger für Krankheiten. „Viele leiden unter Lungenerkrankungen“, so Münzenberger. In Wohngemeinschaften mit zwei bis vier Personen gebe es zudem kaum Möglichkeiten, sich zu distanzieren. „Die Ängste vor einer Ansteckung sind in den Einweisungsgebieten natürlich genauso existent wie überall. Und es ist zu befürchten, dass wenn es einen Fall gibt, sich das Virus unter diesen Umständen sehr schnell verbreitet“, sagt der Geschäftsführer.
Deshalb fordert das Aktionsbündnis jetzt eine Entzerrung der Lage durch Auflösung von Sammelunterkünften und Umquartierungen. Doch das ist nur ein Punkt aus einem ganzen Katalog von Sofortmaßnahmen, die der Zusammenschluss sozialer Einrichtungen umgesetzt sehen will. Daneben wird ein Stopp von Räumungsklagen und Zwangsräumungen, ein Erlass von Mietschulden sowie die Auflösung aller Strom- und Wassersperren gefordert. „Strom und Wasser zu sperren, kann in Zeiten von Corona lebensbedrohlich sein“, heißt es in einer Mitteilung.
TWL verzichten auf Stromsperren
Auf Nachfrage sagt eine Sprecherin der Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) dazu, dass „in den Ludwigshafener Einweisungsgebieten derzeit keine Wasser- und Stromsperren vorgenommen“ werden. Bei bereits bestehenden Stromsperren müsse jeweils der Einzelfall sorgfältig geprüft werden.
Eine Sprecherin der Stadtverwaltung erklärt auf Anfrage, dass die Mitarbeiter der Fachstelle für Wohnraumsicherung die Situation vor Ort im Blick hätten. „Bei Bedarf informieren sie sowohl über die neuesten Verfügungen der Stadt als auch über Tipps, wie man sich vor Infektionen schützen kann“, sagt sie. Sollte für einen Bewohner durch das Gesundheitsamt Quarantäne angeordnet werden, so reagiere die Verwaltung im Einzelfall. „Eine flächendeckende Umbelegung im Vorfeld ist aber leider aus Kapazitätsgründen nicht möglich“, erteilt sie der Forderung des Bündnisses eine Absage. Gleiches gilt im Übrigen für die Flüchtlingsunterkünfte in der Stadt.
Um Menschen, auch außerhalb der Einweisungsgebiete, zu entlasten, habe die Verwaltung jedoch Mahnsperren eingesetzt. „Das bedeutet, dass offene Zahlungen seitens der Stadt derzeit nicht angemahnt werden“, erklärt die Sprecherin. Das soll vor allem Bürgern helfen, die durch das Coronavirus mit Einkommensausfällen zu kämpfen haben. Was den Stopp von Zwangsräumungen betrifft, verweist die Stadt an das rheinland-pfälzische Justizministerium. Dort ist auf Anfrage zu erfahren, dass ein genereller „Vollstreckungsstopp“ nicht zulässig sei. Eine Vorschrift erlaube es jedoch, die Belange eines Räumungsschuldners im Hinblick auf die aktuelle Pandemie ausreichend zu berücksichtigen, erklärt ein Sprecher. So könnten Zwangsvollstreckungen unter Würdigung besonderer Umstände aufgehoben, untersagt oder einstweilen eingestellt werden.
Viele ohne eigene Dusche
Mit dem Vorstoß will das Aktionsbündnis darauf aufmerksam machen, dass das Coronavirus beweist, wie wichtig Wohnraum als Schutzraum ist. „Er ist ein Menschenrecht, ein Grundbedürfnis. Besonders in Krisenzeiten darf Wohnraum nicht als Ware behandelt werden“, so der Appell. Am schlechtesten schützen könnten sich alle, die keine Wohnung haben, die auf der Straße oder in beengten Unterkünften lebten. In den Einweisungsgebieten hätten viele Wohnungen nicht einmal eigene Duschen, verweist Münzenberger auf die hygienischen Probleme. Die medizinische Versorgung fehle.
Für den Fall der Fälle könnte die Ökumenische Fördergemeinschaft ihre eigenen Räumlichkeiten für Betroffene zur Verfügung stellen. Auch die Caritas überlege bereits, wo Raum geschaffen werden kann. „Aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Münzenberger. Deshalb wird das Aktionsbündnis bei der Verwaltung weiter für eine Auflösung der Zwangsgemeinschaften kämpfen.
Aktionstag
- An diesem Samstag, 28. März, dem #HousingActionDay2020, wären normalerweise weltweit Menschen unter dem Motto „Wohnen für Menschen statt für Profite“ auf die Straßen gegangen.
- Wegen des Coronavirus wird der Aktionstag gegen hohe Mieten, Zwangsräumungen und Wohnungslosigkeit in die Häuser und die sozialen Netzwerke verlegt.
- Daran beteiligt sich auch das Aktionsbündnis Wohnen Ludwigshafen, ein Zusammenschluss sozialer Einrichtungen, Vereine und Personen.
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