Ludwigshafen. Dicht an dicht und akkurat in Reih und Glied stehen die Maschinen auf dem Vorplatz der Ludwigshafener Eberthalle. Es sind so viele, dass man sich locker verlaufen könnte, wenn man sich durch die schmalen Korridore zwischen den Traktoren und Lastwagen zwängt. Rund 650 Fahrzeuge zählt die Polizei am Ende. Sie alle wurden, verziert mit allerlei markigen Sprüchen, aus der Vorder- und Südpfalz sowie aus Rheinhessen in die Chemiestadt gelenkt, um dem Protest der Landwirte in der Region gegen die Kürzungsabsichten der Bundesregierung Ausdruck zu verleihen. „Eine eindrucksvolle Kulisse der Entschlossenheit“, wie Johannes Zehfuß, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Rhein-Pfalz-Kreis und einer von drei Veranstaltungsleitern, treffend formuliert. Diese Entschlossenheit sollen später auch Bundestagsabgeordnete aus der Region zu spüren bekommen.
Doch der Reihe nach. Es ist kurz nach halb 10 Uhr an diesem bitterkalten Vormittag, als der erste Konvoi auf den Parkplatz an der Eberthalle einbiegt. Angekündigt hatte er sich schon aus der Ferne mit lautem Hupen und launigen Melodien. Es ist die Kolonne aus Bad Dürkheim, die quasi nur die gerade Strecke über die Autobahn 650 zurückzulegen hatte und deshalb vor den anderen Gruppen eintrifft, die etwa in Worms, Schwegenheim und Neustadt-Süd gestartet sind.
Polizei zieht positive Bilanz
Vom hintersten Eck aus wird der große Parkplatz Stück für Stück belegt, Ordner weisen die Landwirte ein. Letztlich finden bis auf wenige größere Gespanne tatsächlich alle Fahrzeuge Platz. Dabei war die Polizei anfangs davon ausgegangen, nicht viel mehr als 300 Traktoren auf der Fläche unterzubekommen. Doch die Landwirtinnen und Landwirte sind bestens organisiert. Und so fällt am Ende auch die Bilanz der Polizei rundum positiv aus. „Die Kundgebung ist reibungslos und friedlich verlaufen“, sagt eine Sprecherin. Für eine Demonstration in dieser Größenordnung hätten sich die Verkehrsbehinderungen in Grenzen gehalten. Größere Zwischenfälle habe es überhaupt nicht gegeben.
Für Johannes Zehfuß ist das von zentraler Bedeutung. „Wir haben gezeigt, dass wir Demonstrationen organisieren können. Wir respektieren die Grenzen des Versammlungsrechts“, betont er. An jeden Fahrer sei im Vorfeld ein Demo-Knigge ausgeteilt worden, damit sich alles im Rahmen abspielt und es zu keinen Vorfällen kommt, wie zuletzt auf einer Fähre mit Wirtschaftsminister Robert Habeck an Bord.
Die Angriffe auf die Regierung bleiben in Ludwigshafen verbal. All die Lobhudeleien der Ampel in Richtung der Landwirtschaft hätten sich als „Sonntagspolitik“ erwiesen, sagt Zehfuß. Die Branche fühle sich als Pingpong-Ball der Regierung, die von „vom Mainstream getriebenen Ampelpolitikern“ geführt werde, die von „Landwirtschaft so viel Ahnung haben wie eine Kuh vom Dachdecken“, so der Kreisverbandsvorsitzende unter dem tosenden Applaus der laut Polizei zwischen 1000 und 1200 Kundgebungsteilnehmer. „Wenn es eine WM im Zurückrudern gäbe, wäre die Ampel Seriensieger“, so Zehfuß, der eine vollständige Rücknahme der zur Debatte stehenden Subventionskürzungen fordert.
Alltägliche Zukunftssorgen
Herbert Müller betreibt ein Spargel- und Weingut im pfälzischen Gerolsheim. Er berichtet von schlaflosen Nächten, in denen man sich frage, ob man die Kinder guten Gewissens im Betrieb lassen könne. Die Kommunen hätten kein Geld, die Steuern würden immer weiter steigen. „Ihr geht uns an den Grund und Boden, auf dem wir unser Geld verdienen“, sagt Müller. Nicht nur Landwirte seien stark verunsichert. „Es geht um das gesamte Volk.“

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Das zeigt sich am Montag mehr als deutlich, denn zu der Kundgebung sind längst nicht nur Landwirte erschienen. Brigitte Ehrke und Jutta Grabowski sind Rentnerinnen aus dem Rhein-Pfalz-Kreis, die den Protest der Bauern unterstützen. „Je eher die Ampel weg ist, desto besser“, sagt Ehrke. Es könne nicht sein, dass immer mehr Rentner Flaschen sammeln müssten, um über die Runden zu kommen, während das Bürgergeld weiter erhöht werde. Entwicklungshilfen im Ausland sollten nach Ansicht der Frauen zurückgefahren werden. „Die Regierung sollte hinter den Menschen im eigenen Land stehen.“
Ähnliche Vorwürfe müssen sich in der Folge auch die Bundestagsabgeordneten Armin Grau (Grüne) und Christian Schreider (SPD) aus dem Wahlkreis Ludwigshafen-Frankenthal anhören. Auch Johannes Steiniger (CDU) aus dem Wahlkreis Neustadt-Speyer ist der Einladung gefolgt. Am Ende nimmt der Oppositionspolitiker seine Kollegen - insbesondere der Redebeitrag Graus wird von Pfiffen und Buhrufen fast übertönt - sogar etwas in Schutz. „Es ist nicht die Ampel an allem Schuld. Und es sind auch nicht die Grünen an allem Schuld“, sagt er, während sich die Diskussion immer mehr vom eigentlichen Thema entfernt.
Den immer mehr ins Demokratie- und Fremdenfeindliche abdriftenden Zwischenrufen - die nicht aus den Kreisen der Landwirte kommen - versucht Dirk Renzelmann Einhalt zu gebieten. Er dankt den Politikern, dass sie sich der Debatte stellen. „Das hier ist eine Veranstaltung der Landwirte - nicht die anderer politischer Gruppen. Da ziehe ich eine klare Linie“, sagt der Inhaber des Weinguts Zumstein in Bad Dürkheim. Doch auch er übt klare Kritik an der Regierung. Für seinen Beruf brauche er zahlreiche Sachkundenachweise. „Warum braucht es den für Politiker nicht?“ fragt er.
„Verfehlte Agrarpolitik“
Sein Betrieb sei 600 Jahre alt, so große Herausforderungen wie heute habe er aber wohl noch nicht erlebt. „Ich habe mein Leben dem Betrieb geschenkt. Den Landwirten geht es um Traditionen, Werte und Achtung.“ Für die täglich geleistete Arbeit bedürfe es Wertschätzung in der Politik. Doch auch die Verbraucher müssten hochwertige regionale Lebensmittel mehr wertschätzen. Renzelmanns Sohn Louis, der den Betrieb einmal übernehmen wird, betont, dass eine jahrzehntelange verfehlte Agrarpolitik zur heutigen Situation geführt habe. „Die aktuelle Debatte um die Subventionen ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, sagt er.
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