Diskussion um Titel

Warum das Ried so fest zur Spargel- und zur Gurkenkönigin steht

Während in der Pfalz das Amt der Weinkönigin zu wanken droht, halten Lampertheim und Bürstadt an den traditionellen hoheitlichen Titeln fest. Dafür haben sie im Ried gute Argumente

Von 
Daniela Hoffmann
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Spargelkönigin Julia II. zieht an der Seite von Lampertheims Bürgermeister Gottfried Störmer aufs Spargelfest – gefolgt von weiteren Repräsentantinnen der Region. © Berno Nix

Ried. Die gekrönten Häupter sind aus dem Ried nicht wegzudenken. Während in der Pfalz der Glaubenskrieg darüber ausgebrochen ist, ob Weinköniginnen künftig durch Weinbotschafterinnen oder -botschafter ersetzt werden sollen, ist das in Lampertheim und Biblis unvorstellbar. In den beiden Kommunen steht man fest an der Seite von Gurken- und Spargelkönigin.

„Wir bleiben bei Kleid, Krone und Schärpe“, macht etwa Dirk Eichenauer deutlich, der bei der Lampertheimer Stadtverwaltung für Ehrenamt und Vereine zuständig ist. Eine Spargelkönigin passe als „Werbefigur“ einfach perfekt zum königlichen Gemüse. Trotzdem versteht er die Diskussion auf der anderen Rheinseite. Beim Nachdenken über das Repräsentieren gebe es immer einen „Spagat zwischen Tradition und aktuellem Zeitgeist.“

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Die aktuelle Lampertheimer Spargelkönigin Julia II. sieht die Überlegungen um den Titel gelassen. Ob das Amt Königin oder Botschafterin heißt, findet sie nicht so wichtig. „Die Frage ist vielmehr, wie man es selbst ausgestaltet und mit Leben füllt“, meint sie.

Royale Repräsentantinnen haben lange Tradition in der Region

Vorschriften und Kleiderordnung seien in der Spargelstadt ohnehin nicht so eng gefasst. „Es bleibt einem selbst überlassen, ob man im Kleid oder Hosenanzug zu einem Termin kommt“, erklärt Julia Adam - wie die Hoheit mit bürgerlichem Namen heißt.

Im Lampertheimer Spargelrat, der die Kandidatinnen auswählt, sei auch schon über einen möglichen Spargelkönig gesprochen worden, verrät der Vorsitzende des Rats, Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos). „Wir sind da grundsätzlich offen, halten derzeit aber an einer weiblichen Person fest“, sagt er. Das sei inzwischen einfach schon ein Stück Lampertheimer Tradition.

1965 wurde dort erstmals eine Spargelkönigin inthronisiert. Dann folgte eine fast 40-jährige Pause, bis die Stadt die Idee 2004 wiederbelebte. Seitdem wird jeden Frühsommer eine neue Spargelkönigin gekrönt - mit einer einzigen Ausnahme in der Corona-Zeit.

Immer mit Spaß dabei: Sonnenbotschafterin Charlotte I. beim Fastnachtsumzug in Bürstadt. © Berno Nix

Auf eine noch längere Linie kann die Bibliser Gurkenkönigin zurückschauen. Das Amt gibt es seit 70 Jahren. Und es befindet sich derzeit im Aufwind. „Vor zehn Jahren gab es mal eine Durststrecke“, erinnert sich Annick Löhr im Gespräch mit dieser Redaktion. Interessentinnen für die Bibliser Krone zu finden, sei damals nicht ganz leicht gewesen, so die Vorsitzende der Wirtschaftsvereinigung Biblis (WVB). Inzwischen aber meldeten sich wieder etliche Bewerberinnen bei dem Gremium, das die Kür übernimmt.

Mehr noch: Zusätzlich zur Gurkenprinzessin soll die Gurkenkönigin - nach jüngsten Plänen - künftig von einem „Supporter-Team“ unterstützt werden. Dieses könnte sie bei Auftritten begleiten, bei Anfragen oder bei Organisationsaufgaben helfen. „Für das Team haben sich schon sowohl ehemalige Gurkenköniginnen gemeldet wie auch junge Leute, die beim WVB mitmachen“, sagt Annick Löhr.

Aus ihrer Sicht gibt es keinen Grund, am Titel der Gurkenkönigin etwas zu ändern. „Er ist positiv besetzt, attraktiv, und alle sind happy damit“, macht die WVB-Chefin deutlich.

Die Bibliser Gurkenkönigin Donna I. (l.) hält im Juni kurz nach der Inthronisation ihre erste Rede. Sie wird begleitet von Gurkenprinzessin Sophia. © Derno Nix

Das bekräftigt auch die derzeitige Hoheit. Für Donna Seibert ist das Amt nicht nur ein Stück Ortstradition, sondern ebenso ein Stück Familiengeschichte. Sie selbst ist die 70. Gurkenkönigin, ihre Mutter war die 40.

Donna I. mag das Repräsentieren ihres Heimatortes und der Gurken, so wie es jetzt ist. „Die Krone gibt dem Ganzen das gewisse Etwas und ist einfach edel“, findet die junge Frau.

Ihrer Zeit - und vor allem der Pfälzer Diskussion - weit voraus ist seit Langem Bürstadt. Denn die Kommune hat bereits 2008 das Amt der Sonnenbotschafterin geschaffen, ursprünglich zur Veranstaltung „Entente Solare“, um ihre Bemühungen um Solar-Energie und erneuerbare Energiequellen im Allgemeinen hervorzuheben.

Mit dem Titel ein modernes und inklusives Signal gesetzt

Bis heute sei das eine wichtige Komponente in der Stadtentwicklung, was durch die Kontinuität des Titels „Sonnenbotschafterin“ betont wird, sagt der Sprecher der Verwaltung, Frank Herbert. „Somit dient der Titel weiterhin als Symbol für das Engagement in Sachen Nachhaltigkeit und Umweltschutz, auch wenn sich die spezifische Bedeutung von ,Sonnenstadt’ sich im Laufe der Zeit gewandelt haben mag“, erklärt er.

Der Titel der Botschafterin beziehungsweise des Botschafters sei vor 16 Jahren ganz bewusst gewählt worden. Bürstadt habe von Anfang an betont, dass das Geschlecht für die Repräsentationsaufgabe keine Rolle spielt. „Wichtiger sind die lokale Verbundenheit und das Wissen über die Stadt“, betont Herbert. Gleichzeitig werde mit dem Titel ein „modernes und inklusives Signal“ gesetzt, und er könne „gesellschaftlich relevant und zeitgemäß gehalten“ werden.

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Der aktuellen Sonnenbotschafterin gefällt der Titel noch aus einem ganz anderen Grund. „Als einzige Botschafterin fällt man in der großen Gruppe der Repräsentantinnen einfach auf“, verrät Charlotte Heiderich lachend. Gleichzeitig findet sie schön, dass es verschiedene Repräsentantinnen in der Region gibt. „Jede von uns steht doch auch für etwas anderes“, sagt Charlotte I.

Dennoch sei sie mit ganzem Herzen Sonnenbotschafterin. „Als ich noch ein kleines Mädchen war und meine große Schwester Jasmin Sonnenbotschafterin, wollte ich das unbedingt auch werden.“ Jetzt hat sich ihr Traum erfüllt.

Redaktion

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