Lampertheim. Gute Laune ist inbegriffen. Bei den Passagieren sowieso, aber auch bei den Fahrerinnen und Fahrern sowie bei Passanten am Wegesrand. Diese schauen - sofern sie das außergewöhnliche Dreirad noch nicht kennen - zuerst leicht irritiert. Doch dann macht sich ein Lächeln im Gesicht breit. Die Stadt Lampertheim hat mit ihrer E-Rikscha einen echten Hingucker gewonnen. Der „Südhessen Morgen“ hat einen Selbstversuch gewagt und eine gemeinsame Tour mit der Seniorenbeiratsvorsitzenden Ute Striebinger gewagt. Die knapp einstündige Tour offenbart Schönheiten am Wegesrand, aber auch einige Überraschungen im Radwegenetz der Spargelstadt.
Rikscha-Fahren ist relativ einfach, zumal ein kräftiger Motor den Antritt des 93 Kilo schweren „Dreispurfahrzeugs“ unterstützt. Drei Antriebsstufen gibt es, dazu einen „Booster“, der wertvolle Hilfe beim Anfahren am Berg leistet. Allerdings: Bei diesem Dreirad sind zwei der Räder vorne. Das hat Auswirkungen auf die Lenkung. Nicht zuletzt deshalb habe die eine oder andere Fahrt schon im Feldrand geendet, erzählt Ute Striebinger, der die Rikscha ein echtes Herzensprojekt ist. Sie ist gemeinsam mit Citymanager Dirk Dewald und der TV-Vorsitzenden Sabine Gärtner treibende Kraft dahinter, dass Lampertheim überhaupt eine Rikscha aus dem Projekt „Radeln ohne Alter“ gewonnen hat. Zumindest für zweieinhalb Monate, dann muss das Fahrzeug wieder zurückgegeben werden. Das ist leider bereits schon am Wochenende der Fall.
Der Landesbetrieb Hessen Mobil hatte sich an dem Projekt „Radeln ohne Alter“ zweier junger Damen aus Bonn beteiligt, selbst sieben Rikschas gekauft und verleiht sie nun an Kommunen, die ein pfiffiges Konzept für die Nutzung vorlegen. „Unseres war offensichtlich nicht ganz so schlecht“, sagt Striebinger gut gelaunt. Auch Stefan Jakob vom Pflegedienst des Bonhoeffer-Hauses war Feuer und Flamme für die E-Rikscha. Schon bei deren Sommerfest im Jahr 2019 war ein Leihrad die Attraktion schlechthin und Ansporn, sich selbst um eine Rikscha zu bewerben.
Mittlerweile ist die Rikscha gefragt ohne Ende. Binnen sechs Wochen waren 120 Seniorinnen und Senioren mit ihr unterwegs, erlebten neue Freiheiten und vergaßen zuweilen sogar ihre Wehwehchen. Beim Stadtradeln steuerte das „Team Rikscha“ respektable 380 Kilometer zum Gesamtergebnis der Stadt Lampertheim bei.
Sicherheit steht ganz oben
Bevor der „Pilot“ - so heißt der Fahrer des witzigen Dreirads ganz offiziell - starten darf, braucht er eine Einweisung. Da er Passagiere an Bord hat, stehen die Sicherheitsaspekte ganz oben. Ein grauer Hebel in der Mitte des Lenkers arretiert und löst die Bremse. Auch die zweite Bremse an der linken Lenkerseite muss festgestellt werden, damit das Fahrzeug beim Einsteigen nicht doch unbeabsichtigt wegrollt. Außerdem muss das Fußbrett für die Passagiere in seiner Position gesichert sein. Dass sich die Fahrgäste mit einem Zwei-Punkt-Gurt anschnallen müssen, ist eine Selbstverständlichkeit.
Eine erste Runde ohne Fahrgast auf einem Parkplatz testet den Wendekreis sowie das Fahr- und Bremsverhalten der Rikscha. Ein kleines Manko: Das orangefarbene Dach beschert den Passagieren zwar Schutz vor Sonne und Regen. Dem Piloten nimmt es aber die Sicht des Raums direkt vor der Rikscha. „Man muss in jeder Hinsicht vorausschauend fahren“, mahnt Ute Striebinger. Wie recht sie damit hat, wird sich später noch zeigen.
Eine erste Hürde tut sich schon auf dem Weg zum Europaplatz auf. Die E-Rikscha darf auf dem Fahrradweg fahren. Doch der ist für das 1,11 Meter breite Gefährt ziemlich eng. Noch enger wird’s vor der Andreaskirche, wo die Einfassung eines Baums den Weg nochmal schmälert. Die beiden Vorderräder passen geradeso dran vorbei. „Das ist aber noch nicht die schmalste Stelle“ verrät Striebinger, die für die Testfahrt mit dem „SHM“ vorne auf der Bank Platz genommen hat. Mit großer Vorsicht fährt der frisch eingewiesene Pilot weiter auf dem Radweg die Römerstraße entlang, die Augen immer auf die Autos gerichtet, die zuweilen sehr knapp am Radweg parken.
Die Testfahrt führt über die Burggasse in Richtung Hollandgraben. An der Straßenkreuzung grüßen zwei Lampertheimer: „So man man sich’s gut gehen lassen“, rufen sie und winken fröhlich herüber. Dann wird die asphaltierte Straße zur unbefestigten Schotterpiste. Die Schlaglöcher lassen sich mit einem normalen Rad noch umkurven. Doch die Rikscha nimmt jede Vertiefung mit. Ute Striebiniger lässt sich nichts anmerken. Hoffentlich ist die Bank tatsächlich gut gefedert.
Dann lauert die nächste Tücke: Der Weg nimmt eine leichte Steigung. Wer nicht genug Schwung mitnimmt oder rechtzeitig den Gang herunterschaltet (Ute Striebinger grinst: „Ich hab doch gesagt: Vorausschauend fahren“), bleibt zwangsläufig stehen. Zum Glück gibt’s beim Elektroantrieb den Booster, der Zusatzkraft für die Steigung zur Verfügung stellt.
Die Fahrt am Hollandgraben entlang ist ein Genuss - bis die beiden Pfosten mitten im Weg höchste Konzentration fordern. „Das ist die engste Stelle in Lampertheim, durch die die Rikscha gerade noch durchpasst“, sagt die Seniorenbeiratsvorsitzende und dirigiert den Fahranfänger souverän durch den Engpass.
Radweg endet am Weidweg
Weiter geht’s zur B 44, die wir am Adam-Günderoth-Stadion kreuzen. Nach ein paar Metern am Stadion entlang endet der Radweg direkt am Weidweg. Da die Straße direkt hinter der Kurve verschwindet, gibt’s keine Einsicht in den Verkehr: für Radler schon schwer, für Rikscha-Fahrer eine mittelprächtige Katastrophe. Die Fahrt auf dem Weidweg führt auf der Straße entlang, auf der die Autofahrer langsam und mit Sicherheitsabstand überholen. Zurück führt die Route über den Damm am Biedensand und Storchennestern vorbei. Wenn Radler entgegenkommen, wird der Weg auch hier eng. „Einfach kurz anhalten und die Leute vorbeilassen“, rät Ute Striebinger. Am Fährhaus zieht die Rikscha bei den Gästen eine Menge Blicke auf sich, bevor es über die Biedensandstraße wieder zurück in Richtung Europaplatz geht - erneut an vielen knapp parkenden Autos und der Engstelle an der Andreaskirche vorbei.
Zum Schluss gibt’s für den frischgebackenen Piloten eine Urkunde und den Führerschein. Sein Fazit: Die Fahrt mit der E-Rikscha macht eine Menge Spaß, verlangt aber auch höchste Aufmerksamkeit. Und sie zeigt: Das zweifellos gute Radwegenetz von Lampertheim lässt sich - nicht nur - für die Rikscha durchaus noch optimieren.
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