Lampertheim. Wie lässt sich Inklusion in Zeiten klammer Kassen finanzieren? Das ist eine Frage, die den Behindertenbeirat Lampertheim beschäftigt. Denn nur mit Spenden und einem kleinen Budget lasse sich nicht fortsetzen, was im Rahmen des Aktionsplans Inklusion in den vergangenen Jahren angestoßen wurde. Das hat Jochen Halbauer, Vorsitzender des Behindertenbeirats, jüngst im Sozial-, Bildungs- und Kulturausschuss erklärt. „Es wäre wichtig, dass wir einen eigenen Etat bekommen“, sagte er. Der Aktionsplan, für den Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt wurden, läuft im Sommer nächsten Jahres aus. Wenn die Arbeit fortgesetzt werden soll, muss weiterhin Geld im städtischen Haushalt eingeplant werden.
„Wir wollen natürlich die gut eingeführten Projekte weiterführen“, sagte Erster Stadtrat und Sozialdezernent Marius Schmidt. Inklusion sei aber ein Querschnittsthema, das in der Verwaltung mehrere Fachbereiche betrifft. Ein eigener Etat dürfe nicht dazu führen, dass Fachbereiche Aufgaben dorthin verlagern, mahnte er. Dass der Aktionsplan Inklusion aufgelegt und umgesetzt werden konnte, lag unter anderem auch an der Förderung durch die Aktion Mensch in Höhe von 108.000 Euro und eine Spende der Rheinhessen-Sparkasse.
Aktionsplan Inklusion
In Lampertheim wurde 2022 ein Aktionsplan Inklusion erstellt und im Oktober desselben Jahres von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Ziel ist es, dass die Stadtgesellschaft inklusiver wird und mehr Menschen die Möglichkeit zur Teilhabe bietet. Der Aktionsplan läuft im Juni 2026 aus.
Die Aktion Mensch fördert die Umsetzung des Aktionsplans mit 108.000 Euro.
Der Aktionsplan war in fünf Arbeitsgruppen erarbeitet worden. Sie orientierten sich an fünf Themenfeldern , die bei einer Armuts- und Sozialkonferenz definiert worden waren, und wirken bei der Umsetzung weiter mit. Die Themenfelder sind Mobilität und Barrierefreiheit, Wohnen, Arbeit und Beschäftigung, Sport, Kultur und Freizeit sowie Bildung und lebenslanges Lernen.
Der ehrenamtliche Behindertenbeirat vertritt die Interessen von Menschen mit Behinderungen „auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen“, wie es in der Satzung heißt. Grundlage ist die UN-Behindertenrechtskonvention.
Der Behindertenbeirat hat mindestens sechs Mitglieder und ist für die Dauer einer Kommunalwahlperiode im Amt. Die Mitglieder werden von der Stadtverordnetenversammlung ernannt. Wer mitmachen möchte, kann sich auf die Vorschlagsliste setzen lassen.
Der aktuelle Behindertenbeirat hat 13 Mitglieder . Vorsitzender ist Jochen Halbauer.
Den Lampertheimer Behindertenbeirat gibt es seit zehn Jahren. Für den 8. November ist aus diesem Anlass eine Feierstunde im Römersaal im Haus am Römer vorgesehen.
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Halbauer hat dem Ausschuss in seiner jüngsten Sitzung über die Arbeit des Behindertenbeirats im Jahr 2024 berichtet. Der Beirat vertritt mehr als 7200 Lampertheimerinnen und Lampertheimer, die ein Handicap haben. Das sind 21, 47 Prozent der Lampertheimer Bevölkerung. Fast 4200 von ihnen gelten als schwerbehindert. Das heißt, sie haben einen Grad der Behinderung (GdB) von mehr als 50. Von den Lampertheimern mit anerkannter Behinderung sind fast 3000 mobilitätseingeschränkt beziehungsweise eingeschränkt in der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV).
Großer Nachholbedarf beim Nahverkehr
Gerade beim Nahverkehr sieht der Behindertenbeirat großen Nachholbedarf. Dies liegt vor allem daran, dass die Stadt nicht hinterherkommt, die Bushaltestellen in Lampertheim und seinen Stadtteilen entsprechend umzubauen. Von den 97 Bushaltestellen im Stadtgebiet sind bisher lediglich 17 umgebaut – obwohl die Stadt dazu gesetzlich verpflichtet ist. Große Hoffnungen setzt der Behindertenbeirat daher in die neue VRN-Flexline, die ab 16. August in Lampertheim unterwegs seien. Mit der Übernahme des Busverkehrs durch den Kreis und den Verkehrsverbund Rhein-Neckar wird es neben den Buslinien, die die Kernstadt mit den Stadtteilen verbindet, innerstädtisch keinen festen Linienverkehr mehr geben. Stattdessen rollen rollstuhlgerechte Kleinbusse durch die Straßen, die telefonisch oder per App angefordert werden können (wir haben berichtet).
Weiterhin schwierig ist laut Halbauer die Situation auch bei den Behindertenparkplätzen im Stadtgebiet. Sie müssen neu ausgewiesen werden, weil die Normen sich geändert haben. Auch das kommt nur schleppend voran. Zugleich machte der Beiratsvorsitzende darauf aufmerksam, dass bei Veranstaltungen in der Stadt oft Toilettencontainer auf eben den zentral gelegenen Behindertenparkplätzen platziert würden. Dafür bräuchte es dann Alternativen, so Halbauer. Auch dass die Alte Schule, in der die Seniorenbegegnungsstätte untergebracht ist und viele Volkshochschulkurse stattfinden, nicht barrierefrei ist, wertet der Behindertenbeirat als Defizit. „Es wäre gut, wenn auch da ein bisschen mehr Teilhabe möglich wäre“, so Halbauer.
Viele Projekte erfolgreich umgesetzt
Im vergangenen Jahr habe sich das Inklusionscafé gut etabliert. „Es kommen inzwischen viele Stammgäste, das Publikum ist bunt gemischt und fast immer gibt es Livemusik“, berichtete Halbauer. Das Inklusionscafé findet jeden ersten Freitagnachmittag im Monat statt. Mit Beginn der Sanierung der Zehntscheune musste das Angebot in die Notkirche der evangelischen Lukasgemeinde umziehen. „Wir hoffen, dass wir das bald wieder in der Zehntscheune anbieten können. Die Räume der Kirchengemeinde zu mieten ist sehr kostspielig“, erklärte der Beiratsvorsitzende. Zu dem Inklusionscafé lädt der Behindertenbeirat gemeinsam mit der Nieder-Ramstädter Diakonie und der Lebenshilfe Lampertheim und Ried ein. Das Familienzentrum Lampertheim bietet stets eine Kinderbetreuung an.
Gut würden auch die behindertengerechten Toiletten am Dom und auf dem Alfred-Delp-Platz angenommen, so Halbauer. „Sie haben sich etabliert und es ist gut, sie zentral mitten in der Stadt zu haben. Gerade weil es kein Lokal in Lampertheim gibt, das ein behindertengerechtes WC hat.“ Die Toilette am Dom, die mit einem Schlüssel oder gegen Bezahlung geöffnet werden kann, würde im Monat mehrere hundert Mal genutzt, zeige die Statistik. Die Einnahmen aus der Nutzung decken die laufenden Kosten. Sauberkeit und Vandalismus seien kein Thema, weil nichts beschädigt werden kann und der Container über einen Selbstreinigungsmechanismus verfügt. Lobend erwähnte Halbauer, dass am neuen Jugendtreffplatz am Altrheindamm ein drittes behindertengerechtes WC aufgestellt werden soll.
Zufrieden ist der Behindertenbeirat ebenfalls mit der Entwicklung in den Biedensand-Bädern. Auch wenn das Hallenbad noch nicht komplett barrierefrei sei, sei man doch an weiteren Verbesserungen dran. Als weitere erfolgreiche Projekte des Aktionsplans Inklusion, über die der „Südhessen Morgen“ auch berichtet hat, nannte Halbauer die Inklusive Ausbildungs- und Job-Börse, die 2024 erstmals ausgerichtet wurde, den Ausbau inklusiver Sportangebote bei Lampertheimer Vereinen, das inklusive Musikensemble von Lebenshilfe und Musikschule sowie Veranstaltungen zum Thema Inklusives Wohnen.
Lobend erwähnte Halbauer die Zusammenarbeit mit der Hausarztpraxis Dr. Seelinger & Kollegen bei der Planung des neuen Ärztehauses in der Ringstraße. Der Behindertenbeirat wurde frühzeitig mit einbezogen und konnte sagen, worauf es beim Zugang zum Gebäude, bei den Räumen, Parkplätzen und Toiletten aus Sicht behinderter Menschen ankommt.
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[4] https://www.aktion-mensch.de/
[5] https://www.vrn.de/mobilitaet/bedarfsverkehre/flexline/index.html
[6] https://www.lampertheim.de/de/lampertheim/unsere-stadt-fuer/senioren/senioren-begegnungsstaetten.php
[7] https://www.vhs-lampertheim.de/