Viernheim. Mit dem deutschen Nationalteam bei der EM in Norwegen, auf der Bahn in Dresden bei der DM: Hinter Sila Sönmezcicek liegen aufregende Tage. Die junge Leichtathletin des TSV Amicitia ist die erste Viernheimerin, die bei Europameisterschaften und deutschen Meisterschaften der Aktiven teilgenommen hat. Auch wenn es sportlich nicht optimal lief, hat die 22-Jährige viel für die weitere Karriere mitnehmen können.
„Es war immer mein Traum, einmal das Nationaltrikot zu tragen“, erzählt die Sprinterin von einem ihrer Ziele, das sich dieses Jahr erfüllt hat. Denn plötzlich hatte sie einen ganzen Koffer mit Sportkleidung und Ausrüstung des Deutschen Leichtathletikverbands: Sie gehörte zum Team Deutschland für die U-23-Europameisterschaft. Nach starken Auftritten und schnellen Zeiten bei den regionalen Meisterschaften gab es die Nominierung – und den Deutschland-Koffer.
Fasziniert vom internationalen Flair während der Wettkampftage
„Richtig realisiert habe ich das eigentlich immer noch nicht“, hatte Sila auch wenig Zeit, denn schon kurz darauf ging es für das DLV-Team nach Bergen in Norwegen. „Das Stadion dort war nicht so spektakulär, wie ich es mir für eine EM vorgestellt hatte“, schildert sie ihre ersten Eindrücke. Sie sei aber sofort fasziniert gewesen vom internationalen Flair während der Wettkampftage.
Aktiv eingreifen durfte sie nicht. „Der Bundestrainer hatte mir eigentlich gute Hoffnung auf einen Start in der 4x100-Meter-Staffel gemacht, vorher ständig meine Leistungen gelobt“, erzählt die Viernheimerin. Doch dann habe Thomas Kremer am Tag vor den Rennen in einem Nebensatz die Entscheidung mitgeteilt, dass sie nicht laufen werde. „Ehrlich: Über die Art und Weise war ich schon ein wenig enttäuscht“, sitzt der Stachel tief.
Diese schmerzhafte Erfahrung wollte Sila zwei Wochen später einfach ausblenden. In Dresden im traditionsreichen Heinz-Steyer-Stadion standen am vergangenen Wochenende die Deutschen Meisterschaften der Aktiven an, eine großartige Kulisse für die Leichtathleten. Sila Sönmezcicek hatte sich für die DM mit ihrer Bestzeit von 11,32 Sekunden aus dem Nominierungslauf qualifiziert. Sie startete im zweiten Vorlauf über 100 Meter, neben Staffeleuropameisterin und Olympiamedaillengewinnerin Lisa Mayer.
Und es sah zunächst hervorragend aus, mit der zweitbesten Reaktionszeit aller Starterinnen kam die TSV-Amicitia-Starterin optimal aus den Blöcken. „Die ersten 40 Meter lief alles top, dann war meine komplette Energie weg“, beschreibt Sila ihr Rennen – und sucht auch Tage später noch nach Erklärungen. „Während der EM konnte ich gar nicht trainieren, da gab es keine Möglichkeiten. Das hat meinen Plan natürlich völlig durcheinander gebracht. Der Körper merkt es, wenn die Belastung anders ist“, vermutet die Sportlerin.
Ihr Heimtrainer Günter Schramm nickt zustimmend, geht aber weiter: „Ich glaube, dass das einfach zu viele Eindrücke waren – die erste DM bei den Aktiven, viele herausragende Sportler am Start, in einem vollen Stadion mit grandioser Atmosphäre“, hat Schramm eine mentale Blockade entdeckt. Sila habe am Start schon nicht so entspannt gewirkt wie sonst und sei „einfach nicht mehr schön gelaufen“. Und mit einer Zeit von 11,72 Sekunden blieb sie deutlich hinter ihrer Saisonbestleistung zurück und verpasste so den Einzug in das Halbfinale.
Am zweiten Wettkampftag wollte die 22-Jährige eigentlich noch über die 200-Meter antreten, wo sie mit ihrer aktuellen Bestzeit von 23,62 Sekunden auch Chancen auf den Finaleinzug gehabt hätte. Aber ihre Startbahn blieb leer. Wegen starker Magenkrämpfe musste sie das Halbfinale absagen. „Da lernt man für die Zukunft“, sieht Günter Schramm die DM aber keineswegs als Rückschlag. Seine talentierte Läuferin werde die Erfahrung mitnehmen und den Blick nach vorne richten.
Die Saison ist für die Junioren und die Amateure eigentlich vorbei, während für die Profis im September noch der Höhepunkt mit den Weltmeisterschaften in Tokio ansteht. Aus der Saison 2025 kann Sila neben ihrer sportlichen Entwicklung viel mehr mitnehmen: „Ich habe so viele tolle Menschen kennengelernt, das ist schon Wahnsinn.“
Start bei der Chrono Classics Gala in Weinheim
Um im deutschen Kader zu bleiben, muss Sila ihre gute Form der vergangenen Wochen aber noch einmal bestätigen. „Eine weitere 11,3-Zeit wäre schon gut“, hofft sie, dass sie nochmal in die Nähe ihrer Bestleistung laufen kann. Die nächste Gelegenheit dazu ist am Freitag, 15. August, bei der Chrono Classics Gala in Weinheim, bei der sich die schnellsten Sprinter der Region messen. Ein Platz im DLV-Perspektivkader würde nicht nur zusätzliche Trainingsmöglichkeiten an den Stützpunkten mit sich bringen, sondern auch finanzielle Unterstützung – für die Studentin der Sozialen Arbeit an der Hochschule in Ludwigshafen also ein doppeltes Plus.
Das würde die Vorbereitung auf die kommende Saison erleichtern. Dann zählt Sila Sönmezcicek nicht mehr zu den U-23-Athleten, sondern startet immer bei den Aktiven. „Das wird für die jungen Sportler natürlich schwerer“, weiß Coach Schramm. Deshalb soll sie 2026 einfach konstant gute Zeiten laufen, „Ausrutscher nach vorne nehmen wir mit“. Dann reicht es vielleicht auch im kommenden Jahr für einen Start bei der DM oder EM – das Nationaltrikot hat Sila Sönmezcicek ja im Koffer.
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