Lampertheim. Die angespannte Kassenlage der Stadt Lampertheim macht sich zunehmend im Alltag bemerkbar. Wie Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos) auf Anfrage bestätigte, konnten nun beispielsweise die Aufwandsentschädigungen für ehrenamtlich tätige Stadtparlamentarier erst verspätet ausgezahlt werden. „Das wurde notwendig, weil die Mittel nicht zur Verfügung standen. Das ist keine Absicht oder gar ein Versäumnis der Verwaltung, sondern die Realität, die unseren finanziellen Spielraum verdeutlicht“, betont der Rathauschef.
Solche Vergütungen werden quartalsweise überwiesen. Damit sollen Kosten gedeckt werden, die bei Ausübung des Ehrenamts anfallen, etwa für Fahrten. Egal ob im Ausschuss, im Kommunalparlament oder in der Fraktion – pro Sitzung erhält jeder anwesende Stadtverordnete 22 Euro. Angaben zufolge lagen die Gesamtkosten für das zweite Quartal bei etwa 17.000 Euro. Wie es aus einer Fraktion weiterhin heißt, informierte das zuständige Büro am 14. Juli zunächst über eine baldige Auszahlung, die aber aufgrund finanzieller Engpässe erst am 1. August überwiesen wurde. Eigentlich keine große Sache, bei den Fraktionen sorgt der Vorgang dennoch für Irritationen.
Haushalt für 2026 wird zur Herausforderung
„Die verspätete Auszahlung von Sitzungsgeldern weist darauf hin, dass sich die finanzielle Lage der Stadt seit Jahresbeginn weiter verschlechtert hat“, betont beispielsweise FDP-Fraktionschef Gernot Diehlmann. Es sei „besorgniserregend“, dass einzelne Zahlungen nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten fristgerecht geleistet werden könnten. Tatsächlich steht die Stadt seit Jahren unter finanziellem Druck. Der Kreis Bergstraße und das Regierungspräsidium Darmstadt haben den städtischen Haushalt für das laufende Jahr erst zum Beginn des Sommers genehmigt. Aktuell besteht ein Defizit von 4,4 Millionen Euro und ein negativer Kassenbestand von 2,3 Millionen Euro.
Um gegenzusteuern, beschloss die Stadtverordnetenversammlung Anfang Juli, 1,6 Millionen Euro durch pauschale Kürzungen einzusparen. Der CDU-Fraktionschef und künftige Bürgermeister Alexander Scholl hält eine „finanzielle Neuausrichtung“ für erforderlich. „Auf der anderen Seite sollte mittlerweile auch auf der Landes- und Bundesebene mal ankommen, dass man den Kommunen nicht ständig weitere Aufgaben, ohne die notwendige finanzielle Ausstattung, übertragen kann.“ Wie in anderen Kommunen, so wird auch in Lampertheim regelmäßig kritisiert, dass vom Bund übertragene Aufgaben, wie etwa die Kinderbetreuung, nicht ausreichend finanziert seien.
Herausforderung für den künftigen Bürgermeister Alexander Scholl
Der Ende Juni gewählte Scholl tritt sein Amt als Rathauschef im Herbst an. Die schwierige Haushaltslage dürfte seine Arbeit in den kommenden Jahren prägen. Noch aber hat der amtierende Rathauschef Störmer das Ruder in der Hand. Der betont, der Haushalt sei ausgereizt, es gebe keinen Spielraum mehr. Wie schon im vergangenen Jahr hat der Magistrat auch für 2025 eine haushaltswirtschaftliche Sperre verhängt. Ausgaben und Investitionen müssen regelmäßig überprüft werden. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt ein Parlamentarier, der ungenannt bleiben will. Für 2026 erwartet Störmer noch schwierigere Bedingungen.
Da wirkt die Verzögerung bei den Aufwandsentschädigungen wie ein Menetekel. Aus Sicht von Stefan Nickel hätte man Irritationen durch eine bessere Kommunikation vermeiden können. „Der Vorgang wirft insgesamt kein gutes Licht auf die Stadtverwaltung“, findet der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Fraglich sei zudem, ob ein finanzieller Engpass tatsächlich die Ursache für die Verzögerung war, da der Betrag mit Blick auf die städtischen Finanzen als relativ gering erscheine.
SPD-Fraktionschef Jens Klingler wundert sich. Es sei nachvollziehbar, wenn die Stadtverwaltung durch die verzögerte Auszahlung eine kurzfristige Darlehensaufnahme umgehen wollte. „Auf der anderen Seite, welches Zeichen gibt man damit Richtung Politik?“ Wie Nickel, so ist auch Klingler überzeugt, die Aufwandsentschädigungen stehen „sicherlich in keinem Verhältnis zu anderen Zahlungsverpflichtungen.“
Geld für Förderprojekte nicht pünktlich ausgezahlt
Verschärft wird die Situation, weil das Land Hessen bewilligtes Fördergeld für verschiedene Projekte mit teilweise erheblicher Verzögerung an die Stadt überweist. Darauf hat die FDP hingewiesen, deren Landtagsfraktion im Juli dazu eine Kleine Anfrage an die Hessische Landesregierung gestellt hatte. Nach Angaben von Rathauschef Störmer geht es um Fördermittel für das Programm „Wachstum und nachhaltige Erneuerung“. Davon seien etwa zwei Millionen Euro bisher nicht ausgezahlt worden. Welche Folgen eine solche Verzögerung hat, zeigt sich beispielhaft an der Umgestaltung des Alfred-Delp-Platzes oder bei der Sanierung der Zehntscheune.
In beiden Fällen mussten Fördermittel frühzeitig abgerufen werden. Das Geld sei aber erst spät überwiesen worden. Der Stadt habe daraufhin Arbeiten vorfinanzieren müssen, woraufhin ein „Zinsschaden“ von etwa 200.000 Euro entstanden sei. Auch hätten sich etwa Arbeiten verzögert, sodass beauftragte Baufirmen einen finanziellen Ausgleich für den Verzug erhielten.
Das habe zusätzliche Kosten von 250.000 Euro verursacht. „Wir sind davon ausgegangen, dass mit einer gewissen Verlässlichkeit gearbeitet wird. Und nicht davon, dass man uns im Regen stehen lässt“, kritisiert der Bürgermeister. Er beklagt, solche Entwicklungen könnten zur Politikverdrossenheit beitragen. „Es ist den Menschen kaum zu vermitteln, dass vorne und hinten das Geld fehlt“, sagt er. Immerhin habe er jüngst das Signal bekommen, das Land überweise noch in diesem Jahr 543.000 Euro an die Stadt. In Lampertheim hoffe man aber, dass der gesamte Betrag von zwei Millionen Euro noch 2025 ausgezahlt wird.
Finanzielle Probleme leisten Politikverdrossenheit Vorschub
Die Anfrage der FDP im Landtag zielt darauf ab, Gründe für die Verzögerung zu klären. Die Landesregierung hat sechs Wochen Zeit zur Beantwortung. Den Angaben zufolge sind auch andere hessische Kommunen betroffen. Ein Grund, so lautet etwa eine These, dürfte mit dem Regierungswechsel in Berlin zusammenhängen. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD wurde erst Anfang Mai unterzeichnet. In diesem Zusammenhang hätten sich Auszahlungen vom Bund an die Länder verzögert, was sich auf den Geldfluss in die Kommunen ausgewirkt habe. Lampertheim ist kein Einzelfall.
Einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge ächzen die Kommunen unter dem höchsten Defizit ihrer Geschichte. Steuereinnahmen stagnieren demnach infolge der schwachen Konjunktur. Zugleich würden Ausgaben für Personal, Sachaufwand und Soziales ungebremst in die Höhe schießen. Mit Blick auf die Finanznot hessischer Kommunen fordert der Präsident des hessischen Städtetages, Gert-Uwe Mende (SPD), einen „Paradigmenwechsel“, um vor allem den Bund mehr in die Pflicht zu nehmen. „Was uns am meisten beschäftigt, sind die Lasten, die wir für den Bund wahrnehmen und für die wir keinen ausreichenden finanziellen Ausgleich bekommen.“
DGB ruft Lampertheimer Fraktionen zu Protest auf
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Lampertheim-Bürstadt kritisiert vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltssperre „die völlig unzureichende finanzielle Ausstattung Lampertheims“ und macht dafür Bund und Land verantwortlich. In einem Schreiben fordert der DGB-Ortsverband die Stadtverordneten auf, sich bei ihren Parteien auf Bundes- wie Landesebene für ein Ende der aktuellen Unterfinanzierung einzusetzen. „Statt mit Förderprojekten dirigieren zu wollen, sollten Bund und Land endlich mehr Vertrauen in die kommunalpolitische Verantwortungshoheit legen.“ Es sei an der Zeit, dass die Fraktionen im Stadtparlament Farbe bekennen und den Protest der Bürgermeister aus dem Kreis Bergstraße gegen die strukturelle Unterfinanzierung unterstützen.
Gleichwohl können sich Stadtverwaltung und Kommunalpolitik nicht darauf beschränken, Forderungen an Berlin oder Wiesbaden zu adressieren. Bleibt die Diskussion um Steuererhöhungen oder Einsparungen. Beides ist unbeliebt in der Bevölkerung. Aktuell dreht sich die Debatte vor allem um Einsparungen. Zu beobachten war das in der jüngsten Sitzung des Stadtparlaments, die von der prekären Haushaltssituation geprägt war. Mit Stimmen von CDU, Grünen und FDP wurde mehrheitlich beschlossen, der Magistrat möge prüfen, „wie die Stadtbücherei inhaltlich, organisatorisch und personell zukunftssicher aufgestellt werden kann“. Dazu solle die aktuelle Ausrichtung, das Angebot und die Struktur grundsätzlich überdacht werden, heißt es im Antrag. Auch soll die Übergabe der Volkshochschule an den Kreis geprüft werden.
Zwar hatte die FDP auch einen Antrag unterbreitet, wonach die Umstellung der Stadtbücherei auf einen Ehrenamtsbetrieb geprüft werden soll. Die Idee ist aber in der Politik nicht mehrheitsfähig. Dagegen regt sich auch bei den Bürgern Widerstand. So sorgt aktuell eine Online-Petition für Aufsehen, die zum „Erhalt einer professionell geführten Stadtbücherei in Lampertheim“ aufruft (wir berichteten). Unterschrieben wurde die Petition bis Donnerstag von etwa 650 Menschen.
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