Lampertheim. „Klein aber fein“. Das steht auf einem Schild am Eingang der Kommunalen Kindertagesstätte in Rosengarten. Klein stimmt, die Betreuungseinrichtung im kleinsten Stadtteil Lampertheims bietet aktuell Platz für 36 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren. Aber fein?
Weil es Zweifel daran gibt, wurde die Kita am 19. August geschlossen. Seit Donnerstag vergangener Woche steht fest, dass sie das auch bis auf Weiteres bleiben wird (wir haben berichtet). Ab Montag werden die Kinder auf vier andere kommunale Einrichtungen in Hofheim, Neuschloß und der Kernstadt verteilt.
Lampertheimer Kita-Leiterin schweigt zu den Vorwürfen
Seit mehreren Wochen ist das Verhältnis zwischen dem Betreuerteam, der Elternschaft und der Stadt als Träger derart zerrüttet, dass ein regulärer Betrieb und vertrauensvoller Umgang miteinander nicht mehr möglich ist. In einem Brief an die Eltern der Einrichtung, der dieser Redaktion vorliegt, hatte die Stadt geschrieben, dass „kein ausreichend kontinuierlich planbares Personal zur Verfügung steht“, um die für den 3. September geplante Wiederöffnung verantworten zu können.
Das sei das Ergebnis umfassender Gespräche gewesen, in denen nach einer Lösung gesucht wurde, bei der die Kinder in Rosengarten hätten bleiben können, sagt Marius Schmidt im Gespräch mit dieser Redaktion. Der Erste Stadtrat trägt als Dezernent die Verantwortung für den Fachbereich Soziales und Frühkindliche Bildung.
Was genau in den vergangenen Wochen und Monaten, vielleicht sogar schon Jahren in der Kita in Rosengarten geschehen ist, ist für Außenstehende schwer nachzuvollziehen. Aktuell aber erheben einige Eltern massive Vorwürfe gegen die Leiterin und zwei weitere Betreuungspersonen. Mit drei Müttern hat diese Redaktion in dieser Woche gesprochen. Die Kita-Leiterin selbst möchte sich auf Anfrage dieser Redaktion nicht zu den Vorwürfen äußern. Sie verweist für Auskünfte auf den Ersten Stadtrat und die Stadt Lampertheim als ihre Dienstherrin.
Wurden Kinder in der Kita in Lampertheim-Rosengarten nicht ordentlich behandelt?
Viele der Vorkommnisse, von denen die drei Mütter berichten, liegen schon länger zurück, doch erst in den vergangenen Wochen sei deutlich geworden, dass es keine Einzelfälle gewesen seien. Als unbedeutend hätte die Leitung die Geschehnisse jeweils abgetan, wenn sie von Eltern darauf angesprochen worden sei. Jetzt erst zeige sich, dass mehrere Familien von Fällen berichten können, in denen ihre Kinder nicht ordentlich behandelt, versorgt oder beaufsichtigt wurden. Auch von Mobbing sprechen die Frauen.
Dorothee Schäfer berichtet, dass ihre damals fünfjährige Tochter mit zwei anderen Kindern im Dezember vergangenen Jahres aus dem Garten der Einrichtung ausbüxen konnte, ohne dass es bemerkt worden sei. Jemand habe beobachtet, wie die Kinder fröhlich in Richtung Wehrzollhaus marschierten und sie infomiert. Sie habe daraufhin die Leitung zur Rede gestellt, es habe ein Gespräch gegeben, bei dem die Leiterin um Stillschweigen gebeten habe. „Dabei haben die ihre Aufsichtspflicht verletzt“, empört sich Schäfer, die bis zum Sommer dem Elternbeirat angehörte. „Wir haben dieser Frau doch blind vertraut.“
Von einem weiteren Vorfall berichtet Uta Adam: Ende November habe sie ihren damals zweieinhalbjährigen Sohn nachmittags in der Kita abgeholt und zu Hause festgestellt, dass er eine Platzwunde am Hinterkopf hatte, die offensichtlich nicht versorgt worden sei. Als sie am nächsten Tag nachfragte, was passiert und warum nichts geschehen sei, hätten die Erzieherinnen erklärt, nichts mitbekommen zu haben. Dabei habe es Blutflecken auf dem Pullover und auch auf dem Kopfkissen gegeben, auf dem der Junge seinen Mittagsschlaf in der Kita gemacht hatte, berichtet Adam.
Fachkraft soll Junge in der Kita in Lampertheim blaue Flecken zugefügt haben
Außerdem erzählen die Mütter, dass ihre Kinder sich zeitweise weigerten, in den Kindergarten zu gehen, Wutanfälle bekamen, sich in der Kita wieder einnässten, obwohl sie längst trocken waren. Und sie schildern einen weiteren Fall: Demnach soll ein Junge, der seine Suppe nicht essen wollte, derart fest am Arm gepackt worden sein, dass er anschließend blaue Flecken hatte.
Zudem habe er zwei Stunden lang allein in der Garderobe sitzen müssen. Die Mutter dieses Jungen sei daraufhin bei der Polizei gewesen – fest entschlossen, den Vorfall zur Anzeige zu bringen. Die Polizei habe sie aber an das Jugendamt verwiesen. Dieser Junge sei den Erzieherinnen ohnehin ein Dorn im Auge, meinen die Frauen. Es habe ein regelrechtes Komplott gegeben – mit dem Ziel, einen Kitawechsel des Kindes herbeizuführen.
Geschlossene Kita in Lampertheim: Mütter sprechen von Mobbing und Kindeswohlgefährdung
Die Mütter sprechen von Mobbing und berichten, dass einem anderen Kind Essen verweigert worden sei, mit den Worten „Du bist soundso schon zu dick“. Eine Sechsjährige habe sich selbst verletzt und gesagt, dass sie nicht mehr leben möchte. Auch dafür machen die Mütter die Situation in der Kita verantwortlich. Und Kinder hätten nicht zur Toilette gehen dürfen, wenn sie mussten. Außerdem hätten Vorschulkinder immer wieder mal auf Jüngere aufpassen sollen. Die Frauen reden von Kindeswohlgefährdung und auf die Frage, ob sie denken, dass ihre Kinder traumatisiert seien, antworten alle drei mit einem klaren Ja.
Es sind heftige Vorwürfe, die diese drei Mütter gegen die Kita-Leitung und zwei weitere Erzieherinnen erheben. Wie viele Kinder ähnliches erlebt haben, ist unklar. Unter der jetzigen Situation und der abrupten Schließung leiden nun alle 36 Familien. Drei Wochen mussten die Eltern ihre Kinder selbst betreuen oder Alternativen finden.
Dass jetzt mit der Verteilung auf vier Kitas im gesamten Stadtgebiet zwar formal eine Lösung gefunden wurde und die Eltern ab Montag zumindest theoretisch wieder eine Kinderbetreuung haben, beruhigt sie nicht annähernd. Denn ganz praktisch stellt das manche Eltern vor große Probleme. Einige haben einen Platz im zwölf Kilometer entfernten Zwergenschloß in Neuschloß bekommen, wo eine extra Ü3-Gruppe eingerichtet wird. Da muss jetzt organisiert werden, wer das Kind bringen und abholen kann. Und ob es ihren Kindern nicht zusätzlich schadet, aus ihrem vertrauten Umfeld herausgerissen zu werden, besorgt die Mütter ebenfalls.
„Wir hätten uns gewünscht, dass der Betrieb hier mit den beiden Kräften weitergeht, die gerne wieder zu unseren, ‚ihren‘, wie sie selbst sagen, Kindern zurückwollten, und Mitarbeiterinnen aus anderen Kitas“, sagt Christina Siracusa. Die Mütter verstehen nicht, warum Erzieherinnen, die offenbar andernorts nun verfügbar sind, nicht nach Rosengarten versetzt werden können. „Wir fordern Gerechtigkeit für unsere Kinder und dass sie nicht die Leidtragenden sind“, bringt Siracusa auf den Punkt, worum es den Müttern geht.
Kita Rosengarten
Nach offiziellen Angaben auf der Homepage der Stadt bietet die Kita in Rosengarten Platz für maximal 44 Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren . Aktuell waren 36 Plätze vergeben. Sie bietet Ganztagsbetreuung .
Die Kinder werden jetzt auf vier andere städtische Betreuungseinrichtungen verteilt:
Sieben Kinder wechseln in die Kinderkrippe „Kleines Ich“ in Hofheim, wo ein Raum für die Betreuung der Ü3-Kinder umfunktioniert werden kann.
Drei Kinder kann die Kita Schubertstraße in Hofheim aufnehmen.
Elf Kinder – und das sind laut Stadtverwaltung primär die aktuellen Vorschulkinder – wechseln in die Kita Saarstraße in der Kernstadt. Die gehört ins Einzugsgebiet der Goetheschule, in die auch die Kinder aus Rosengarten eingeschult werden.
Die meisten, nämlich 15 Kinder, kann die Kinderkrippe Zwergenschloß in Neuschloß aufnehmen. Diese Einrichtung ist für fünf Gruppen ausgerichtet, hat aber zurzeit nur vier in Betrieb, weil hier längere Zeit Personalmangel geherrscht hat und kein Vollbetrieb möglich war.
„Wir wollen eine Kita in Rosengarten, der alle vollumfänglich vertrauen können“, benennt Erster Stadtrat Marius Schmidt im Gespräch mit dieser Redaktion das Ziel der Stadtverwaltung. „Wir brauchen dort ein beständiges, vertrauensvolles, belastbares Team“, begründet er, warum sich die Verwaltung für einen sauberen Schnitt und einen kompletten Neuanfang entschieden hat. Er ist froh, dass so nun allen Familien ein Platz angeboten werden konnte. Am Mittwochabend habe es bei einem Elternabend einen sachlichen und konstruktiven Austausch mit den Eltern gegeben, bei dem sie auch die Leitungen der neuen Kitas kennenlernen konnten.
Stadtverwaltung um lückenlose Aufklärung bei den Vorgängen in Lampertheimer Kita bemüht
Schmidt wiegelt nichts ab. „Es gab definitiv Konflikte im Team und mit der Elternschaft, und es gab Fehlverhalten, das wir jetzt aufklären müssen.“ Am 25. Juni habe er erstmals davon erfahren, als die Mutter des Jungen mit den blauen Flecken persönlich bei ihm vorgesprochen und von dem Vorfall berichtet habe. Umgehend sei das Jugendamt informiert und die verwaltungsinterne Bearbeitung eingeleitet worden. Doch die Aufklärung habe sich schwierig gestaltet, weil sich zunächst niemand aus dem Kita-Team äußern wollte.
In der Folge hätten sich weitere Eltern zu Wort gemeldet, sodass nun geballte Vorwürfe im Raum stehen. In dieser Massivität sei das Ganze erst jetzt bei den Verantwortlichen im Fachbereich aufgeschlagen, berichtet Schmidt und wundert sich zugleich, warum die anderen Eltern sich nicht schon früher an die Verwaltung oder ihn als Dezernenten gewandt haben. „Sowohl Eltern als auch Erzieherinnen hätten Möglichkeiten gehabt, wo sie sich hätten melden können. Warum das nicht geschehen ist, müssen wir ebenfalls aufklären“, sagt er. Es gebe entsprechende Schutzkonzepte und auch die Pflicht, Fehlverhalten zu dokumentieren und entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um Schlimmeres zu verhindern. „Es gibt für alles Formulare und Protokollvorlagen“, versteht Schmidt nicht, warum die Verwaltung nicht früher Kenntnis erhalten hat, und versichert: „Es ist nichts ungelesen in einer Schublade gelandet. Das Kindeswohl steht bei unserer Arbeit im Mittelpunkt.“
Wie der Sozialdezernent bestätigt, ist die Leiterin von ihrer Funktion zurückgetreten und damit ihrer Abberufung zuvorgekommen. Auch die stellvertretende Leitung habe diese Aufgabe abgegeben. Beide sowie zwei weitere Kräfte hätten um Versetzung gebeten. Eine Sozialassistentin habe ihren Vertrag nicht verlängert und zwei Erzieherinnen hätten zum 1. Oktober gekündigt.
Die Küchenkraft und die Auszubildende, die laut Schmidt beide nicht in den Konflikt verstrickt waren, wurden bereits in andere Einrichtungen versetzt. Die drei Kolleginnen, gegen die sich die vorgebrachten Vorwürfe richten, müssten sich einer arbeitsrechtlichen Prüfung unterziehen, so Schmidt. „Wenn das Fehlverhalten so stattgefunden hat, muss geprüft werden, ob und wie sie weiterbeschäftigt werden können.“
Die Leitungsstelle soll so schnell wie möglich ausgeschrieben werden, damit ein neues Team zusammengestellt werden kann. Der Erste Stadtrat geht davon aus, dass die Kita Rosengarten mehrere Monate geschlossen bleiben muss. Wenn die Kita wieder öffnet, bekämen alle betroffenen Eltern auch wieder einen Platz in Rosengarten angeboten, denn die Identifikation mit ihrer Kita sei bei den Rosengartener Eltern sehr groß. „Es gibt in dieser ganzen Sache keine Gewinner, nur Verlierer“, bedauert Schmidt, was geschehen ist.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim_artikel,-lampertheim-geschlossene-kita-in-lampertheim-schwere-vorwuerfe-gegen-leiterin-und-personal-_arid,2326590.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.lampertheim.de/de/lampertheim/unsere-stadt-fuer/familien/Kindertagesstaette-Rosengarten.php
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim_artikel,-lampertheim-kita-in-lampertheim-rosengarten-bis-auf-weiteres-geschlossen-_arid,2325249.html