Lampertheim. Die „Anwohnerversammlung Industriestraße“ in der Hans-Pfeiffer-Halle hatte sich zunächst gut angelassen. Die Stadt will auf dem früheren Energieried-Grundstück vier Container mit Platz für ungefähr 112 Menschen aufstellen lassen. Vor allem Sozialdezernent Marius Schmidt (SPD) übernahm es am Montagabend, die Anwohner über das anstehende Vorhaben aufzuklären. Allerdings konnte die Stadtverwaltung nicht alle Bedenken ausräumen.
Vor allem mit Blick auf die Zukunft des Geländes gab es kritische Nachfragen. Etwa 50 Menschen waren gekommen. Anfangs, so der Eindruck, konnten sie größtenteils den Ausführungen von Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos) und Marius Schmidt zustimmen. Während Störmer betonte, man wolle künftig im Dialog mit Anwohnern mögliche Probleme lösen, erörterte Schmidt die Herausforderungen für die Stadt. „Wir sind aufgrund der Direktzuweisung geflüchteter Menschen stark gefordert“, betonte der Sozialdezernent. Für die Containerlösung in der Industriestraße - sie soll bis Ende des Jahres stehen - habe man sich entschieden, weil innerhalb der kurzen Zeit kein anderer geeigneter Standort zu finden gewesen sei.
Insgesamt seien etwa 40 Standorte geprüft worden. Aufgrund baurechtlicher Vorgaben oder aus praktischen Gründen sei man damit nicht erfolgreich gewesen. Auf der anderen Seite wolle man keine Obdachlosigkeit produzieren. Zwar hätten etliche geflüchtete Menschen, die bereits 2015 und 2016 kamen, mittlerweile einen Aufenthaltsstatus sowie Jobs. Wegen des angespannten Wohnungsmarkts in der Stadt sei es für diese Gruppe schwierig unterzukommen. Daher habe man sich für die pragmatische Lösung mit Containern entschieden und diese für drei Jahre geleast.
Zweifel nehmen am Abend zu
Schmidt führte aus, man wolle auf dem früheren Areal der Energieried nun einen Großteil der bereits in Lampertheim lebenden Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterbringen. Die Menschen, überwiegend Frauen und Kinder, leben seit Monaten in der Alten Forstschule zwischen Neuschloß und Hüttenfeld. Neben ihrer sozialpädagogischen Betreuung seien Mitarbeiter des Viernheimer Lernmobils sowie des Quartiersbüros „Östliche Kernstadt“ auch künftig in die Betreuung der Menschen eingebunden. Ziel sei es, den bereits eingeschlagenen Integrationsprozess in der Industriestraße fortzuführen.
Wie der Erste Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf (Grüne) einräumte, ist aktuell unklar, wie sich die kommenden Monate und Jahre entwickeln. „Wir fahren auf Sicht im dichten Nebel“, fügte er hinzu. Der Kreis sei nicht mehr in der Lage, sämtliche Flüchtlinge unterzubringen. Daher habe man sich für die Direktzuweisung in die Kommunen entschieden. Für 4000 Flüchtlinge sei der Kreis zur Zeit verantwortlich, darunter 2800 ukrainische Kriegsflüchtlinge. Von ihnen habe man die Hälfte privat untergebracht. Weitere 1200 Flüchtlinge kämen aus Drittstaaten, mittlerweile vor allem aus der Türkei. Für die kommenden Wochen rechne man mit einem weiteren Anstieg. In den Einrichtungen des Landkreises in Bensheim, Heppenheim, Lindenfels und Bürstadt verfüge man noch über etwas Platz. Wie lange der reiche, sei unklar.
Sorgen mit Blick auf die ungewisse Zukunft
In den Wortmeldungen der Anwohner gab es Zustimmung dafür, Menschen aus dem osteuropäischen Kriegsgebiet eine Herberge in der Industriestraße zu bieten. Jedoch war aus den Fragen und Bemerkungen herauszuhören, dass es Sorgen mit Blick auf die ungewisse Zukunft gibt. Es sei weder klar, wie viele geflüchtete Menschen noch kämen. Auch wisse man nicht, wie das Areal später genutzt werde. Eine junge Frau sagte, sie fürchte, zu einem späteren Zeitpunkt könnten junge männliche Geflüchtete auf dem Gelände leben. Die Bedenken hätten nichts damit zu tun, dass die Menschen aus einem anderen Kulturkreis stammten. Als junge Frau sei es aber schon heute unangenehm, in der Nacht unterwegs zu sein. Grundsätzlich sei ein Sicherheitsdienst rund um die Uhr vor Ort, versicherte Schmidt. Wie ein Vertreter der Polizei hinzufügte, gebe es aktuell keine Zunahme von Delikten in umliegenden Flüchtlingsheimen.
Andere Anwohner gaben zu bedenken, dass eine frühere Flüchtlingsunterkunft auf dem Areal zum sozialen Brennpunkt verkommen sei, nachdem die Schutzsuchenden weg waren. „Das hat nichts mit den Flüchtlingen zu tun“, sagte ein Mann. Schmidt betonte, für die Zukunft sei eine Wohnbebauung auf dem Areal geplant. Die Sorge vor Verwahrlosung sei unbegründet.
Doch ob er die Bedenken an diesem Abend ausräumen konnte, ist fraglich, nachdem der Dezernent auf hartnäckiges Nachfragen geantwortet hatte, das Gelände sei mit den vorgesehenen Containern nicht komplett ausgenutzt. Insgesamt wäre Platz für bis zu elf Container, die mehr als 300 Geflüchtete beherbergen könnten. Das sorgte für sarkastisches Gelächter unter den Zuhörern. Da nutzte es auch nichts, dass Schmidt betonte, eine so hohe Zahl an Menschen könne man aufgrund der zu erwartenden Enge auf dem Areal gar nicht unterbringen.
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