Lampertheim. Die Verzweiflung ist groß: Rudis Netzwerk/Helping Hands muss sein Lager im ehemaligen Jugendheim der katholischen Kirchengemeinde Mariä Verkündigung zum 15. November räumen. Dann werden die Schlösser ausgetauscht, und das fünfköpfige Team um Claudia Lamm und Antje Egle hat keinen Zutritt mehr. Das hat ihnen die Katholische Pfarrgruppe in einer E-Mail im September mitgeteilt.
Eine Begründung, warum es jetzt so schnell gehen muss, hat die Kirche nicht mitgeliefert. Eine entsprechende Anfrage dieser Redaktion wurde mit dem Verweis beantwortet, dass Pfarrer Christian Rauch diese Woche nicht im Haus sei und erst nächste Woche etwas dazu sagen könne.
Vor Ukrainekrieg auch schon Spenden gesammelt
Dass das Lager im früheren Jugendheim keine Dauerlösung ist, war den ehrenamtlich Engagierten von Rudis Netzwerk von Anfang an klar. Trotzdem waren sie froh, dass sie hier im Frühjahr 2022 ihr Depot mit Ausgabestelle einrichten konnten. Damals hatten sie über die sozialen Netzwerke zu Spenden für die Menschen in der Ukraine und die Geflüchteten, die aus dem von Russland angegriffenen Land nach Deutschland kamen, aufgerufen.
Die Spendenbereitschaft war enorm, so dass die heimischen Räumlichkeiten von Lamm und Egle nicht ausreichten, um die Unterstützung und die Hilfstransporte zu organisieren. Vor dem Ukrainekrieg hatten die Frauen bereits Spenden unter anderem für die Flutopfer im Ahrtal oder andere Hilfsbedürftige gesammelt.
Infos
- Rudis Netzwerk/Helping Hands ist in erster Linie eine Plattform, über die Hilfe vermittelt wird.
- Menschen, die etwas brauchen, es sich aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht kaufen können, können sich über Facebook oder WhatsApp an Claudia Lamm und ihre Mitstreiter wenden und sagen, was ihnen fehlt. Rudis Netzwerk versucht dann, die Gegenstände zu besorgen oder Hilfe zu vermitteln.
- Durch den Verlust der Räume können aber aktuell keine Spenden angenommen werden, für die es nicht auch sofort Abnehmer gibt.
- Rudis Netzwerk arbeitet rein ehrenamtlich. Deswegen ist finanzielle Unterstützung in Form von Geldspenden willkommen: Spendenkonto Stadt Lampertheim bei der Rheinhessen Sparkasse, IBAN: DE87 5535 0010 0003 1011 10. Verwendungszweck: 48601011 Rudis Netzwerk.
- Kontakt: Via Facebook (Helping Hands...oder Rudis Netzwerk), per WhatsApp oder telefonisch unter 0157/34 10 93 27 oder per E-Mail an rudisnetzwerk@gmail.com.
Groß war deswegen die Freude, dass das Jugendheim genutzt werden konnte, auch wenn klar war, dass das Gebäude früher oder später abgerissen werden soll, um dem Neubau des Alten- und Pflegeheims Mariä Verkündigung Platz zu machen. Dass es nun so schnell gehen muss, betrübt das Team von Rudis Netzwerk. Zumal alle Bemühungen, eine andere, möglichst dauerhafte Bleibe - am liebsten in Form einer niederschwelligen, unbürokratischen Anlaufstelle - zu finden, bisher erfolglos geblieben sind. Deswegen packen sie jetzt Kisten und sorgen dafür, dass alles, was an Spendengütern vorhanden ist, mit Transporten in die Ukraine und nach Moldawien gebracht wird. Einen Raum, in dem sie Regale und Kleiderstangen vorerst unterbringen können, haben sie gefunden.
Wichtige Anlaufstelle
Am meisten schmerzt es Lamm und Egle, dass mit dem 15. November dann für viele Bedürftige auch eine wichtige Kontaktstelle wegfällt. Immer dienstags war bisher Ausgabetag, dann kamen immer viele Menschen, die sonst nicht wissen, wohin sie sich wenden können. Von etwa 60 Menschen „ohne Migrationshintergrund“ spricht Lamm, die Rudis Netzwerk im Monat versorgt habe - mit Kleidung, Nahrungsmitteln, Hygieneartikeln oder Gerätschaften. Aber oft auch mit einer Tasse Kaffee oder einer warmen Mahlzeit, einem offenen Ohr und zugewandten Worten. Sie wissen, dass sie diesen Menschen fehlen werden und das macht sie traurig. Denn auch wenn das Jugendheim längst kein heimeliger Ort mehr war, hat es sich in den vergangenen anderthalb Jahren doch zu einer wichtigen Anlaufstelle für Obdachlose und Lampertheimer entwickelt, denen es am Nötigsten fehlt.
Lamm und Egle können unendlich viele Geschichten erzählen von Familienvätern, die nicht wissen, ob sie lieber ein Brot kaufen oder tanken sollen, damit sie noch zur Arbeit kommen. Von Senioren, deren Rente nicht für eine warme Winterjacke reicht. Und von einem ukrainischen Mädchen, das sich so sehr eine Gitarre gewünscht hat. Viele dieser Wünsche - auch die Gitarre - konnte Rudis Netzwerk erfüllen - meist schnell und unbürokratisch. Dabei hilft das Netzwerk, das Lamm über WhatsApp und Facebook aufgebaut hat. Hier schreibt sie rein, was gerade gebraucht wird, und meist liest es jemand, der genau das ungenutzt im Keller oder auf dem Dachboden stehen hat und es gerne hergibt.
Stadt Lampertheim will unterstützen
„Gerade unsere schnelle Hilfe ist unsere Stärke“, sagt Egle. Und die sei auch oft nötig, weil Rudis Netzwerk da helfen kann, wo die offiziellen Stellen eben erst noch ein paar Wochen Bearbeitungszeit für Anträge oder Ähnliches brauchen. „Mitunter warten die Menschen, die Anspruch auf Sozialleistungen haben, mehrere Wochen, bis das erste Geld fließt“, berichten die beiden Frauen.
Unterstützung erfährt Rudis Netzwerk von der Stabsstelle Soziales bei der Stadtverwaltung, die zugleich froh und dankbar für das Engagement ist. „Doch jetzt brauchen die Helfer Hilfe“, bringt Erster Stadtrat und Sozialdezernent Marius Schmidt die Situation auf den Punkt. Die Stadt hat allerdings keine Räumlichkeiten, hofft aber, dass sich Lampertheimerinnen oder Lampertheimer finden lassen, die Rudis Netzwerk Räume zur Verfügung stellen können. „Wir als Stadt würden das entsprechend unterstützen“, erklärt Marius Schmidt.
Gesucht werden ebenerdige Räumlichkeiten ab einer Fläche von 50 Quadratmetern, die mit Autos und Transportern angefahren werden können. Wünschenswert wäre es, wenn es mehrere Räume wären, in denen sich Menschen auch aufhalten können (mit WC, Wasch- und Kochmöglichkeiten, Heizung).
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