Landwirtschaft

Gemischte Bilanz bei der Ernte in Südhessen

Die jüngsten Niederschläge haben Folgen. Im südlichen Ried wird eine durchschnittliche Ernte erwartet. Manchen Sorten setzt die Nässe aber zu. Vor allem aber ärgern sich die Bauern über die strenge Düngeverordnung

Von 
Stephen Wolf
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Getreideernte am Lampertheimer Weidweg: Für die Bauern in der Region ist es kein einfaches Jahr. © Berno Nix

Nach dem Hochwasser im Juni rechnen Landwirte in Südhessen zwar mit Ausfällen bei der Getreideernte. Aber abschreiben müsse man das Jahr 2024 keineswegs, wie es heißt. Aktuell gehe man zwar bestenfalls von einer durchschnittlichen Ernte aus. Es zeige sich aber größtenteils eine gute Qualität, wie der Ehrenvorsitzende des Regionalbauernverbands Starkenburg, Willi Billau, auf Anfrage sagt. Demnach fällt die aktuelle Gerstenernte eher durchschnittlich aus. Immerhin aber habe es witterungsbedingt keine „Brandplacken“ gegeben, wie der Lampertheimer Landwirt betont. Darunter versteht man Stellen im Feld, die aus Wassermangel eine Notreife des Getreides zeigen. „Es scheint so, als ob das viele Wasser auch Sauerstoffmangel an den Wurzeln erzeugt und im Zusammenspiel mit der fehlenden Sonne die Erträge begrenzt hat.“

Die Ernte bei der Wintergerste dürften seinen Angaben zufolge zwischen sechs und acht Tonnen pro Hektar liegen. Die durchschnittliche Menge liege zwischen acht und zehn Tonnen pro Hektar. Teilweise entwickelten sich die Getreidebestände aber gut. „Hoffnungen weckt etwa der Weizen, wobei auch hier Wasserüberschuss und Lichtmangel zu beachten sind“, hebt Billau hervor.

Aufgrund der feuchten Witterung sei der Druck durch Krankheiten und insbesondere durch Pilzinfektionen sehr hoch. Bei der Gerste und beim Weizen habe man einen „abnormen“ Pilzdruck: „Wer mit Fungiziden nicht rechtzeitig spritzen konnte, dem drohen neben dem Ertragsverlust auch mangelnde Qualität, eben wegen des hohen Anteils an Fusariumpilzen.“

Eine gute Rapsernte, aber auch Verluste bei Bio-Kartoffeln

Begünstigt werde ihre Ausbreitung durch schwülwarme Temperaturen. „Wer beim Kartoffelanbau zu spät gehandelt hat, muss Ausfälle bis hin zum Totalverlust verschmerzen“, sagt der Landwirt mit Blick auf den Einsatz von Fungiziden. Diese Entwicklung sei jedoch nicht nur im südhessischen Ried und an der Bergstraße zu beobachten, sondern im gesamten Südwesten der Republik. Bei der Rapsernte könne man in der Region wiederum mit durchschnittlichen bis guten Erträgen rechnen.

Große Sorgen bereiteten den Landwirten aktuell die Hochwasserschäden. In Lampertheim seien landwirtschaftliche Flächen von bis zu 300 Hektar von den jüngsten Überschwemmungen betroffen gewesen. Insgesamt seien im Ried 1000 Hektar Ackerfläche überschwemmt worden. Wie im Juni berichtet, stellt Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU) betroffenen Bauern finanzielle Hilfen in Höhe von etwa zwei Millionen Euro in Aussicht.

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Aber davon abgesehen sieht Billau in diesem Jahr auch positive Zeichen. So hätten sich jüngst nach Deutschland eingewanderte Schädlinge in der Region nicht so verbreitet wie befürchtet: „Das Zikadeninsekt fühlt sich nicht wohl und bleibt deutlich hinter den extremen Vermehrungsraten von 2023.“

Der ständige Regen, der in den vergangenen Monaten gefallen ist, habe darüber hinaus auch dafür gesorgt, dass Landwirte in der Region ihre Beregnungsanlagen seltener anwerfen mussten. Daher stehe aktuell vor allem der Gemüseanbau gut da. „Bisher konnten wir viel Wasser sparen, das wir normalerweise für die Beregnung benötigt hätten“, sagt der Lampertheimer. Von der Saat bis zur Ernte seien in diesem Sommer oftmals keine zusätzlichen Wassergaben nötig gewesen. Das habe den Geldbeutel und den Naturhaushalt entlastet. „Auch der Mais steht prächtig. Er ist eine der wenigen Kulturpflanzen, die ganz ohne Fungizide auskommen.“

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Andererseits habe 2024 gezeigt, dass Landwirtschaft ohne Pflanzenschutz keine ausreichenden Erträge und vor allem keine deutschen Qualitätsanforderungen erreicht. „Pilze wie Krautfäule vernichten Ernten, Fusarien vergiften die Körner in den Ähren.“ Neue Schädlings- und Unkrautbekämpfungsmittel bauen sich Billaus Angaben zufolge schneller ab, also müsse man öfter spritzen. „Die meisten Wirkstoffe werden mit der niedrigsten Aufwandmenge zugelassen, die jedoch keine volle Wirkung erreicht“, reklamiert er.

Eine Halbierung der Wirkstoffmenge führe schnell zum Wirkungsverlust. Eine Reduzierung des Einsatzes der zugelassenen Mittel sei daher nicht möglich. Nutzpflanzen, die ohne Pflanzenschutz wuchsen, seien aktuell „total verfault“, während Bio-Landwirte immerhin die Frühkartoffeln teilweise retten konnten, bei den späteren Sorten aber hohe Verluste hinnehmen müssten. Hinzu komme, dass die Unkrautbekämpfung per Hand schon bei Spezialkulturen wie Spargel- und Erdbeerjungpflanzen bei Stundenlöhnen von zwölf Euro teuer sei. Eine solche Praxis wäre in allen anderen Anbaukulturen aber unrentabel.

Bei Landwirten sorgen aktuelle Düngevorgaben für Verdruss

Mit Blick auf die aktuelle Ernte spricht Kreislandwirt Sebastian Glaser von einem „heterogenen Bild“. „Eigentlich gab es in diesem Jahr gute Vorzeichen, der Niederschlag war ausreichend, wir hatten zunächst wenig Wetterextreme“, sagt der Landwirt aus Nordheim. Doch die zahlreichen Niederschläge im Mai und im Juni hätten im Endeffekt dazu geführt, dass die Ernte höchstens durchschnittlich sei. Manche Landwirte beklagten demnach Einbußen von etwa 20 Prozent.

Gleichwohl sieht Glaser die Landwirte aufgrund geltender Düngevorgaben benachteiligt. Mit der aktuellen Regelung, die seit drei Jahren gilt, will der Gesetzgeber unter anderem sicherstellen, dass weniger Stickstoff in die Gewässer und ins Grundwasser gelangt. Zu viel Nitrat schränkt die Nutzbarkeit des Grundwassers ein. Damit entsteht langfristig auch für die Trinkwasserversorgung ein Problem. Deshalb hatte die EU-Kommission Deutschland am Europäischen Gerichtshof verklagt und 2018 Recht bekommen. Seit 2021 gelten strengere Düngeverordnungen, die Bundesländer sind für die Umsetzung verantwortlich.

Eine Folge ist, dass sich Landwirte in roten Gebieten bei der Düngung einschränken müssen - erlaubt ist nur noch eine Düngung, die 20 Prozent unter dem Bedarf der Pflanzen liegt. Das grundsätzliche Problem erkennt auch Glaser an. Gleichwohl hegt er Zweifel an der Praxis der Behörden. So gebe es neben der Düngung auch andere Faktoren, die den Nitratgehalt im Grundwasser steigen lassen. Entsprechende Untersuchungen werden aus Sicht des Kreislandwirts nicht konsequent vorangetrieben. Gleichzeitig sorgten die strengen Vorgaben dafür, dass Bauern Preisabschläge hinnehmen müssen, da ein Teil der Anbaupflanzen sich nicht voll entwickle. Komme noch eine schlechte Ernte hinzu, sei das ein Problem.

Redaktion

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