Lampertheim. Der Ausbau der Kinderbetreuung ist im Lampertheimer Stadtparlament ein heftig umstrittenes Thema. Seit Monaten wird in den Ausschüssen und nun zuletzt auch in der Stadtverordnetenversammlung diskutiert, wo und wie Ersatz geschaffen werden kann für zwei Gruppen aus der Kita Saarstaße, die derzeit noch im benachbarten ehemaligen kommunalen Hort untergebracht sind.
Wie berichtet, wird die Stadt die sogenannte Villa in der Saarstraße 48 samt Grundstück an den Kreis Bergstraße verkaufen. Dieser benötigt die Fläche als Zufahrt zur Baustelle des neuen Lessing-Gymnasiums und will später den Zugang zum Schulgelände hierhin verlegen. Das Gebäude soll abgerissen werden. Bisher hieß es, die Kita-Gruppen müssten spätestens im Sommer 2026 ausziehen. Dass sie dort untergebracht sind, war von Anfang nur eine Interimslösung, für die der Kreis eine Ausnahmegenehmigung erteilt hatte, die 2026 ausläuft. Die Zwischenlösung war nötig geworden, weil Kita-Plätze fehlten und der Neubau der Kita Oberlache aus Kostengründen ad acta gelegt worden war. Deswegen war und ist die Verwaltung bemüht, Ersatz zu finden. Ihr Vorschlag: auf dem stadteigenen Grundstück Am Graben 37 eine zweigruppige Container-Kita aufstellen lassen und für fünf Jahre mieten. Die sollte dann – so die Vorstellung der Stadtverwaltung – in Trägerschaft der Evangelischen Kirche betrieben und an deren Kita Am Graben angegliedert werden.
In der Kita Saarstraße 46 ist der Ausbau auf sechs Gruppen aus Platzmangel vom Tisch
Um dauerhaft zusätzliche Plätze zu schaffen, wollte die Verwaltung die Kita Saarstraße um zwei auf sechs Gruppen erweitern, als sie noch davon ausging, das Grundstück Saarstraße zur Verfügung zu haben. Der Hort müsste für eine dauerhafte Nutzung grundlegend modernisiert werden. Das Geld wollte die Stadt lieber in den Ausbau der Kita stecken. Da auf dem Gelände in Zukunft aber nicht mehr genügend Platz zur Verfügung steht, sollte in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung beschlossen werden, die Kita Saarstraße nicht auszubauen. Stattdessen soll sie wie die baugleiche Kita Europaring für 1,9 Millionen Euro saniert und um moderne Funktionsräume erweitert werden. Zugleich sollte das Parlament als Ersatz für die 50 Plätze im ehemaligen Hort der 2,2 Millionen Euro teuren, auf fünf Jahre geleasten Containerlösung Am Graben zustimmen. Die Verwaltung drängt auf eine Entscheidung, damit bei den laufenden Haushaltsberatungen Planungskosten für den Anbau in Höhe von 150.000 Euro für das kommende Haushaltsjahr angemeldet werden können.
Ein entsprechender Beschluss wurde aber nicht gefasst. Vor allem die Grünen-Fraktion im Stadtparlament bezweifelt, dass die von der Verwaltung vorgelegten Bedarfszahlen stimmen. „Da sollen Millionen ausgegeben werden, ohne dass uns belastbare Zahlen vorliegen. Für 4,1 Millionen Euro bekämen wir nur eine Zwischenlösung“, begründete Grünen-Stadtverordnete Iris Henkelmann, warum ihre Fraktion der Beschlussvorlage nicht zustimmen wollte. Vielmehr schlug sie vor, die Vorlage zurückzuziehen, und forderte zugleich eine Sondersitzung des Sozial-, Bildungs- und Kulturausschusses, in der in Ruhe und ausführlich über das Thema beraten werden könne. „Wer heute auf Schnellschüsse setzt, zahlt morgen den Preis“, mahnte sie. Und ihre Parteifreundin Mirja Mietzker-Becker erinnerte daran, dass sie schon mehrfach genaue Zahlen gefordert haben, wie viele Ü3- und U3-Gruppen in den nächsten fünf Jahren in Lampertheim gebraucht würden. Das Argument, dass ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung bestehe und Eltern das einklagen könnten, verfängt bei Mietzker-Becker nicht. „Wirklich geklagt hat doch in Lampertheim noch niemand, weil er keinen Kitaplatz bekommen hat.“
Kann die Notfall-Lösung aus Rosengarten als Vorbild dienen?
Auch Stefanie Teufel von der FDP-Fraktion forderte die Verwaltung auf, diesen Vorschlag zu verwerfen und andere, kreative Lösungen zu finden. Die Krise in Rosengarten zeige doch, dass was geht, sagte sie. Die dortige kommunale Kita wurde vor drei Wochen geschlossen, weil Eltern schwere Vorwürfe gegen Teile des Erzieherinnen-Teams erhoben haben und kein Personal für einen geregelten Kita-Betrieb zur Verfügung steht (wir haben berichtet). Damit die 36 Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren so schnell wie möglich wieder betreut werden können, hat die Stadtverwaltung mit allen anderen Einrichtungen nach Möglichkeiten gesucht, die Kinder unterzubringen. Seit Montag dieser Woche sind sie auf vier Kitas in Neuschloß, Hofheim und der Kernstadt verteilt.
Anders bewertet die SPD-Fraktion die Lage. „Dass wir uns immer wieder vor der Entscheidung drücken, ist verantwortungslos“, mahnte die Vorsitzende des Sozialausschusses Lara Strubel. CDU-Fraktionschef und künftiger Bürgermeister Alexander Scholl kritisierte, dass es bei dem Thema an Information und Transparenz fehle und dass dem Kreis die Notwendigkeit einer längeren Nutzung der Saarstraße 48 nicht klar genug vermittelt worden sei. Er deutete an, entsprechende Gespräche mit Vertretern des Kreises geführt zu haben. Darüber zeigte sich Bürgermeister Gottfried Störmer erstaunt: „Wir stehen mit dem Kreis sehr eng in Verbindung“, sagte er. Es habe aus Heppenheim immer geheißen, dass die Fläche dringend gebraucht würde. „Wenn dem nicht so wäre, könnten wir natürlich entspannter an die Sache herangehen.“
Gibt es doch noch eine Chance, die „Villa“ länger zu nutzen?
Wie die Pressestelle der Stadt auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt, hat nach der Stadtverordnetenversammlung eine Nachfrage beim Eigenbetrieb Schule und Gebäudewirtschaft des Kreises Bergstraße ergeben, dass die Villa wohl doch noch nicht 2026 und vermutlich auch noch nicht 2027 abgerissen werden muss. Das habe der Technische Betriebsleiter Johannes Kühn mündlich mitgeteilt. Ob die Ausnahmegenehmigung für die Nutzung als Kita verlängert werden könnte, ist noch offen. Wie sich diese Entwicklung auf die weiteren Planungen auswirkt, wird in der Sondersitzung des Sozial-, Bildungs- und Kulturausschusses diskutiert werden, auf deren Einberufung sich am Ende alle Stadtverordneten verständigen konnten.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim_artikel,-lampertheim-braucht-es-eine-container-kita-in-lampertheim-_arid,2327688.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/lampertheim.html