Lampertheim. Ein totes Wildschwein aus dem Unterholz zu ziehen, ist schon in normalen Zeiten keine schöne Aufgabe. Wenn außerdem hochsommerliche Temperaturen herrschen und dem Kadaver auch noch Proben entnommen werden, kann man von einer belastenden Situation sprechen. Um die Ausbreitung der grassierenden Afrikanischen Schweinepest (ASP) in der Region möglichst einzudämmen, spielen aber gerade die Suche nach verendeten Wildschweinen, ihre Bergung, Beprobung und unschädliche Beseitigung eine wichtige Rolle.
„Wir sind dafür bereit“, sagt Florian Müller, der Leiter des Lampertheimer Ordnungsamts. Seinen Angaben zufolge haben sich 18 Mitarbeiter der Stadtverwaltung für die Bergung toter Wildschweine bereit erklärt. Entsprechende Schulungen beim Veterinäramt des Kreises Bergstraße habe man bereits absolviert.
Lampertheim, aber auch Kommunen wie Bürstadt, Biblis sowie Groß-Rohrheim oder Viernheim liegen mittlerweile in der Sperrzone 2, die sich vom Kreis Groß-Gerau bis Mannheim erstreckt. Somit muss mittlerweile auch im südlichen Ried damit gerechnet werden, dass Wildschweine mit dem Virus infiziert sind. Um eine weitere Ausbreitung der Seuche zu unterbinden, wird daher nun auch an der südlichen Grenze des Landkreises Bergstraße nach toten Tieren gesucht.
Den Geruch eines Kadavers im Sommer vergisst man nicht
In einem solchen Fall müssen die Tiere nicht nur möglichst rasch eingesammelt werden; das soll auch so geschehen, dass mögliche Krankheitserreger nicht durch den Menschen weiterverbreitet werden. „Das bedeutet, dass aufgefundene Wildschweinkadaver unter besonderer Vorsicht gemeinsam mit dem Veterinäramt geborgen werden“, wie Müller sagt. Nach einer gewissen Zeit sollen die Mitarbeiter, die allesamt aus dem Ordnungsamt und aus den Technischen Betriebsdiensten der Stadt kommen, ohne Unterstützung aus dem Veterinäramt in Wäldern und auf Feldern aktiv werden.
Dabei ist das Bergen eines Kadavers gerade bei hochsommerlichen Temperaturen eine Herausforderung. Das beginne schon beim Anblick solcher Tiere, die oftmals mit Maden übersät sind, und endet beim Geruch, der für manche schwer erträglich sei. „Wer das schon einmal gerochen hat, vergisst es nicht so schnell. Man muss es körperlich und psychisch aushalten“, ist der 38 Jahre alte Mann vom Ordnungsamt überzeugt. Die Bergung eines Tieres kann bis zu fünf Stunden dauern. Tatsächlich sei die Bergung eines verendeten Wildschweins eine anspruchsvolle Angelegenheit, für die es genaue Handlungsanweisungen gibt.
Tier wird aus Unterholz geborgen, in Leichensack gepackt und auf Wildwanne gelegt
Schon bei der Anfahrt mit dem Auto müssen Einsatzkräfte einige Hindernisse beachten. So ist mitnichten damit zu rechnen, dass ein totes Wildschwein am Waldrand liegt. Eher dürften sich sterbende Tiere tief ins Unterholz zurückziehen, wie Müller sagt. Dann müssen die Mitarbeiter der Stadtverwaltung über ihre reguläre Kleidung noch Schutzanzüge anziehen, erst einen waschbaren Overall aus Baumwolle, dann noch einen Einweg-Schutzanzug. Angekommen am Fundort wird das Tier zunächst fotografiert, Experten können anhand der Bilder später feststellen, wie lange das Wildschwein schon tot an dieser Stelle lag.
Schweinepest
- Die Tierseuche ist in Südhessen auf dem Vormarsch. Am Wochenende wurde bekannt, dass bei Einhausen ein totes Wildschwein positiv getestet wurde. Zäune werden eilig gebaut, Hunde müssen an die Leine, und es herrscht Jagdverbot.
- Das Ausbreitungsrisiko der ASP ist hoch. Haltern von Hausschweinen drohen wirtschaftliche Probleme. ASP endet für die Tiere meist tödlich. Im Kreis Groß-Gerau sind bisher acht Betriebe betroffen. So müssen in Trebur beispielsweise 1 800 Schweine getötet werden.
Schließlich schneidet das Bergungsteam mit Skalpellen „blutartige Flüssigkeit“ vom Kadaver. Dann wird das Tier in einen Leichensack gepackt und auf eine Wildwanne gelegt. „Befindet sich das Tier schließlich im Fahrzeug oder in einem Anhänger, wird es zur Tierbeseitigung in Hüttenfeld transportiert und dort abgegeben“, schildert der Leiter des Lampertheimer Ordnungsamts.
Nach Bergung und Abtransport müssen das Fahrzeug, aber auch der Fundort des Tieres mit Desinfektionsmittel gründlich gereinigt werden. Der Erreger ist in der Umwelt und besonders im Blut extrem lange haltbar, weshalb sich beispielsweise lebende Wildschweine sehr lange an Kadavern infizierter Artgenossen anstecken können.
„Die Kadaversuche und -bergung ist ein zentrales Element bei der Seuchenbekämpfung“, sagt Marius Schmidt (SPD), Ordnungsdezernent und Erster Stadtrat in Lampertheim, über den Job, für den sich die Mitarbeiter der Stadtverwaltung freiwillig gemeldet haben. Laut aktuellen Vorgaben würde es reichen, wenn in einer Stadt von der Größe Lampertheims zwei Personen für die Bergung zuständig sind. „Dass sich so viele Helfer gemeldet haben, ist mustergültig und hilft uns natürlich in der Urlaubszeit“, sagt Schmidt.
Nicht immer treffen die aktuellen Regelungen auf Gegenliebe
Doch auch andere Schritte sollen helfen, die Ausbreitung zu unterbinden. So haben Mitarbeiter der Stadtverwaltung und des Forstamts Lampertheim in den vergangenen Tagen bereits Zäune auf einer Länge von 2,5 Kilometern aufgebaut. „Weitere Kilometer werden durch Hessen Forst beziehungsweise durch Fachfirmen errichtet“, heißt es von der Stadt zudem. Das soll nicht nur dem Schutz der Menschen dienen, sondern auch die Wanderung infizierter Tiere nach außen verhindern.
Leider nähmen manche Bürger die Vorgaben nicht ernst genug, wie Florian Müller sagt. „Anfang der Woche haben wir einen älteren Herrn davon abhalten müssen, dass er sein E-Bike über die Absperrung hebt. Er wollte sich von dem Zaun nicht aufhalten lassen“, sagt der Leiter des Ordnungsamts. Ein Risiko, wie Müller sagt. Schließlich sei unklar, wie sich ein erkranktes Tier bei der Begegnung mit Menschen verhalte.
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