Ladenburg/Rhein-Neckar. Muss der Rhein-Neckar-Kreis wegen der steigenden Zahl an vom Land zugewiesenen Geflüchteten möglicherweise die Sammelunterkunft (GUK) auf den Feldern zwischen Ladenburg und Heddesheim wieder in Betrieb nehmen? Als Leiter des Kreis-Ordnungsamtes lässt Stefan Becker die Frage noch offen: „Wir stehen hinsichtlich der Inbetriebnahme einer Gemeinschaftsunterkunft in Ladenburg im Austausch mit einem Eigentümer.“
Im Ladenburger Rathaus geht man jedoch nach einem Gespräch mit der zuständigen Kreisdezernentin Doreen Kuss davon aus, dass rund 60 junge Männer aus Afghanistan, Irak, Iran, Russland und der Türkei unterzubringen sind. In den Gebäuden auf den Feldern, einer umgebauten ehemaligen Unterkunft für Erntehelfer eines Heddesheimer Landwirts, wohnten zwischen Januar 2016 und Ende 2017 bereits bis zu rund 120 Männer aus Afghanistan, Syrien und Gambia. Schon damals war dieser Standort aufgrund seiner Lage auch vom Kreis „nicht als optimal“, doch aufgrund der Notlage als notwendig erachtet worden, um Obdachlosigkeit zu vermeiden.
„Ich habe klar gesagt, dass wir diese Immobilie aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit nicht für geeignet halten“, sagt Bürgermeister Stefan Schmutz auf Anfrage dieser Redaktion. Es sei ihm seitens des Kreises versichert worden, dass dies nachvollziehbar sei, man sich jedoch wegen der hohen Zahl von Geflüchteten, die das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Kreis zuweise, auch auf solche Gebäude einlassen müsse. „Wir haben wenig Handhabe und müssen das annehmen, aber klar ist auch, dass es eine riesige Aufgabe bedeutet“, so Schmutz. Die Stadt will in Zusammenarbeit mit dem Integrationshilfeverein „Ladenburg INT.AKT“ einen Fragenkatalog übergeben, der auf früheren Erfahrungen resultiere. „Wir hoffen, dass wir dadurch einen besseren Verlauf hinkriegen, als beim letzten Mal“, erklärt Schmutz.
Sein Heddesheimer Kollege Achim Weitz teilt „die Ansicht von Bürgermeister Schmutz, dass sich die Gemeinschaftsunterkunft zwischen Heddesheim und Ladenburg nicht als ideal erweist, aber wir haben auch Verständnis, sollte der Rhein-Neckar-Kreis diese Entscheidung treffen“. Die Suche nach Unterkünften gestalte sich für den Rhein-Neckar-Kreis ähnlich schwer wie im kommunalen Bereich.
„Wer diese Unterkunft kennt, weiß, wie schwer das Leben für die Männer damals dort war“, schreibt auf Anfrage ein Vorstandsmitglied von „INT.AKT“ und stellt fest: „Wir sind ziemlich besorgt, wie das werden könnte.“ Gleichwohl denke die Vorstandschaft darüber nach, „ob und wie sich unser Verein dort engagieren kann und wo unsere Grenzen liegen.“ Ein Wachdienst sei auf jeden Fall wünschenswert.
Wie sieht es in anderen Kommunen zwischen Neckar und Bergstraße aus? Der Leiter des Kreisordnungsamtes kann immerhin mitteilen, dass „im Rahmen der vorläufigen Unterbringung der Flüchtlinge, die in der Zuständigkeit des Kreises liegt, aktuell keine Belegung von Sporthallen geplant“ sei.
Folgendes teilen die Rathäuser mit:
Edingen-Neckarhausen
Der Doppelgemeinde wurden dieses Jahr bisher 112 Flüchtlinge zugeteilt. 92 davon sind privat untergebracht. Es besteht laut Kontingenttabelle ein Aufnahmerückstand von 49 Personen. „Die Flüchtlingssituation sowie die damit verbundenen Aufgaben sind weiterhin angespannt und erfordern intensive Bemühungen bei der Suche nach Wohnraum“, heißt es aus dem Rathaus.
Heddesheim
Derzeit befinden sich insgesamt 167 Geflüchtete in der kommunalen Unterbringung. Für dieses Jahr sind noch zehn weitere Zugänge in gemeindeeigenen Unterkünften geplant. Insgesamt werden derzeit etwa 275 Personen betreut – Geflüchtete aus der Ukraine ebenso wie Menschen aus anderen Herkunftsländern, die auch zum Teil privat untergebracht sind. Die Gemeinde stellt sich in naher Zukunft auf weitere Zuweisungen ein.
Hirschberg
Aktuell wohnen in Hirschberg 169 Geflüchtete. Weitere 29 sind nach aktuellem Stand dieses Jahr aufzunehmen. Damit sind die Kapazitäten dann erschöpft: „Sollten uns weitere Geflüchtete zugewiesen werden, stehen wir vor sehr großen Problemen“, teilt die Verwaltung mit. Die Nutzung der Alten Turnhalle als Flüchtlingsquartier soll möglichst vermieden werden.
Ilvesheim
Bisher hat die Inselgemeinde 77 ukrainische Flüchtlinge aufgenommen und betreut 148 Asylbewerber in der Anschlussunterbringung. Dieses Jahr sind 106 Personen aufzunehmen. „Das allein wird schwierig genug“, so Bürgermeister Andreas Metz. Für 2023 rechnet er mit weiteren Zuweisungen. Deshalb werde zusätzlicher Wohnraum gesucht und zugleich das Bürgerhaus Hirsch in der Hauptstraße als Notunterkunft vorbereitet. Allerdings hofft Metz auf die baldige Fertigstellung der drei Wohnhäuser in der Mozartstraße, wo die Gemeinde zwölf Wohnungen anmieten wolle.
Ladenburg
Insgesamt werden in der Römerstadt aktuell 294 Geflüchtete betreut, davon 131 aus der Ukraine.
Schriesheim
In den kommenden Wochen sind weitere Zuweisungen von bislang rund 20 Personen zur Anschlussunterbringung vorgesehen. Aktuell werden rund 450 geflüchtete Personen durchs Integrationsmanagement betreut. Die Betreuung und Unterbringung von geflüchteten Menschen stelle die Stadt vor große Herausforderungen. Bisher habe die Stadtgesellschaft diese Aufgabe mit vereinten Kräften bewältigen können. „Jedoch vernehmen auch wir“, so heißt es, „dass die wachsenden Herausforderungen der Stadt allmählich ihre Grenzen aufzeigen“.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Richtig, dass die Stadt ihre Geflüchteten-Politik an Dynamik des Krieges anpasst