Ladenburg/Edingen-Neckarhausen. Dass die Schlossanlage Kislau in Bad Schönborn bei Bruchsal zwischen 1933 bis 1939 als Konzentrationslager (KZ) diente, ist nur wenigen Menschen bekannt. Der heutige Lernort Kislau ist jedoch „Geschichte für die Zukunft“. Denn dort lässt sich „Geschichte begreifen und Demokratie erleben“, so das Motto des 2012 in Karlsruhe gegründeten Trägervereins. Der hat vor drei Jahren ein mobiles Geschichtslabor entwickelt, in dem sich anschaulich erkunden lässt, dass die „Nazis nicht mit UFOs gelandet“ waren. Die öffentliche und auch für andere Schulen zugängliche Mitmach-Ausstellung ist bis Mittwoch, 6. November, im Foyer des Carl-Benz-Gymnasiums (CBG) in Ladenburg zu sehen.
Alarmiert davon, dass laut Umfragen bis zu 37 Prozent der 18- bis 24-Jährigen in Ost-Deutschland den Kurs der AfD unterstützen, stellt Ladenburgs Bürgermeister Stefan Schmutz bei der Eröffnung des Kooperationsprojekts mit Edingen-Neckarhausen am Dienstagabend fest: „Wir müssen vor allem die Jugendlichen für die Demokratie zurückgewinnen.“ Das Geschichtslabor richtet sich unter dem Titel „Wo fängt Unrecht an?“ vor allem an Jüngere, bietet aber auch älteren Menschen Informationen. Alle können sich - ausgehend von der Geschichte des KZ Kislau - mit den Unterschieden zwischen Rechtsstaat und Unrechtsstaat, Demokratie und Diktatur auseinandersetzen.
Lob vom Ladenburger Jugendgemeinderat
„Ich wünsche Kindern und Jugendlichen wachsame Augen“, sagt Florian König vor den rund 40 Gästen. Der Bürgermeister der Doppelgemeinde lobt die „tolle Aktion“, die auf einen Antrag der Ratsfraktion UBL-FDP/FWV zurückgeht. Als sich die Neckarhäuser Schlossräume als ungeeignet für das Geschichtslabor herausstellten, habe Ladenburg unbürokratisch reagiert. Ebenso habe sich die Schulleitung sofort bereit erklärt mitzuwirken. „Man muss es ein bisschen lenken, aber die Schüler gucken sich das an“, sagt CBG-Direktorin Hannelore Buchheister im Gespräch mit König.
Begeistert ist auch der Ladenburger Jugendgemeinderat (JGR) und ehemalige CBG-Schüler Anes Bajramovic: „Die ganze Ausstellung ist super, weil hier immer viele junge Menschen sind, denen man das wichtige Thema und die Geschichte, die wir eben leider haben, näherbringen kann.“ Seine JGR-Kollegin Havin Polat findet es „sehr, sehr toll, dass man über diese Themen immer noch spricht und sie auch im Unterricht vorkommen.“
Dass das Labor auf seiner Tour durch den Südwesten seit 2021 jährlich rund 3000 Nutzer erreicht, macht Fabienne Bitz stolz. Als pädagogisch-wissenschaftliche Mitarbeiterin erläutert sie, wie an den Stationen vermeintliche Wahrheiten hinterfragt und Theorien über Vergangenheit und Gegenwart auf den Prüfstand gestellt werden können. Spannend und oft überraschend sei es, vorgestellte Denkweisen einzuordnen in demokratisch oder undemokratisch. Am Sichtfenster eines Kioskstands bestehe die Möglichkeit, „Nazi-Propaganda zu durchschauen“. Nahezu alle Stationen seien interaktiv gestaltet: Drehelemente, Klappen und Schieberegler laden dazu ein, Inhalte zu entdecken.
Ab 1935 ist Kislau das einzige KZ im Südwesten
„Wenn wir tragfähige Lehren aus der NS-Zeit ziehen wollen, müssen wir das Scheitern der Weimarer Demokratie gleichberechtigt mit in den Blick nehmen“, erklärt Wissenschaftlerin Bitzel, warum die badische Landesgeschichte ab 1918 ebenso Thema ist. Als frühes Lager - ab 1935 ist Kislau das einzige KZ im Südwesten - markiert es den Übergang von der Demokratie in die Diktatur. Von 1930 bis Ende 1933 befindet sich in Kislau auch eine Außenstelle für „geistesschwache Frauen“ der Wieslocher Heil- und Pflegeanstalt. Die Nationalsozialisten wollen ab 1933 „ihre Macht sichern und politische Gegner erniedrigen“, so Bitz. Betroffen waren 1500 Männer auch aus dieser Region. Wie Schmutz ausführt, wurden „Landwirte, Handwerker, Arbeiter, Nachbarn, Freunde und Väter allein deshalb Häftlinge, weil sie eine abweichende politische Meinung vertraten“. Ohne rechtliche Grundlage wurden politische Gegner verschleppt: Kommunisten, Sozialdemokraten, Zentrumsangehörige, Gewerkschafter und Kirchenleute.
Anfang 1939 wurde das KZ aufgelöst und die verbliebenen Häftlinge wurden nach Dachau deportiert. „Vorhof zur Hölle“ heißt deshalb eine Laborstation, die die Leidenswege von Häftlingen schildert. Zur laufenden Ausstellung hält die Mannheimer Historikerin Andrea Hoffend am Dienstag, 15. Oktober, um 18 Uhr im Schloss Neckarhausen (Hauptstraße 389) einen Vortrag über „Widerstand und Verfolgung in der Rhein-Neckar-Region“.
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