Schon die Bühnendekoration sagt viel: Aktentasche, Notenkoffer, Reisekoffer, Instrumente. Natürlich ein Klavier, an dem Elena Kleiser-Wälz, die Chorleiterin des Sängerbundes Großsachsen, in dem der Gast vor mehr als 60 Jahren seine musikalische Karriere begann, die „Julischka aus Budapest“ intoniert. All dies unübersehbare Hinweise auf das Leben von Volker Schneider, Chorleiter und Schulleiter. Und in Beidem ein Pädagoge. Und das aus Passion.
Die VHS Badische Bergstraße ist Veranstalter, lässt unter dem Motto „Mein Lebensweg“ Prominente aus dem Ort zu Wort kommen und damit frühere Welten hautnah erlebbar werden. Wer würde sich für die Premiere der Neuauflage dieser Erfolgsreihe besser eignen als Volker Schneider, seit mehr als 50 Jahren Dirigent (insgesamt waren es 16 Chöre!), Leiter mehrerer Schulen, zuletzt der Karrillon in Weinheim.
Ein Leben, das ein ganzes Buch füllt (das es denn auch über ihn gibt), aber unmöglich in anderthalb Stunden zu pressen ist. Das ist auch nicht Ziel der Moderatorin. Die Journalistin Christina Schäfer will den Menschen näherbringen. Das gelingt ihr vollauf. Dank einfühlsamer Vorlagen und der Mühe der Vorbereitung, die man spürt: Im Vorfeld hat sie Freunde und Verwandte konsultiert. Apropos: Der ältere Bruder, der Sohn, Tochter und Ehefrau - sie sitzen in der ehemaligen Synagoge im Publikum, auch Weggefährten wie Alt-Bürgermeister Werner Oeldorf.
Der Moderatorin gelingt es, den Menschen näherzubringen
So erfährt man viel über den Menschen. Dass der Mann, der sein Leben lang auf der Bühne steht, eigentlich eher schüchtern ist; dass er, der ein begeisterter Lehrer wurde, eher holprig durch die Schulzeit kam, sich auch im Dienst nicht beirren ließ, seinen Weg ging. „Ich habe keine Lehrpläne gebraucht“, bekennt er: „Das habe ich innen gefühlt.“ Dass er sich bewusst für die Schulart Hauptschule entschied und auch im Musikalischen gerne Chöre übernahm, die „nicht perfekt waren“.
Ein Projekt, bei dem die Pädagogik des Chor- und Schulleiters kombiniert wurde, war 1994 das Musical „Glasnost“. Und wie einst im ZDF bei Rainer Holbes „Das war Ihr Leben“, so tritt auch hier ein Zeitzeuge auf: Stefan Adler, der bei Schneider „im Kindesalter angefangen hat“, mehr als 50 Jahre des Weges mit ihm ging, großartige Projekte erlebt hat. Eben „Glasnost“, mit Aufführung in Moskau, was für ihn wie für viele andere auch eine Erweiterung des eigenen Bewusstseins war: „Die goldenen Türme, der Kreml, der Rote Platz - das kannten wir bis dahin nur aus dem Fernsehen.“ Schneider hört das sichtlich gerne, mit einem Lächeln im Mundwinkel, und kurz danach weiß man, warum: „Was er nicht erzählt hat, ist, dass ihm in Moskau ein Lkw über den Fuß gefahren ist.“
30 Jahre ist „Glasnost“ her - kann es eine Neuauflage geben, fragt die Moderatorin. Leider nein. Die meisten der damals Beteiligten sind nicht mehr. Aber vor allem: Russland ist nicht mehr so. Auch kulturelle Kontakte mit Putin-Land sind ein No Go.
Niemanden schmerzt das mehr als Schneider. Kooperation mit dem Petersburger Knabenchor etwa war ihm Herzensanliegen. Sie begann 1998, als er ihn bei einer privaten Feier in der „Krone“ hörte. Wann immer er in Deutschland auftrat, organisierte Schneider Konzerte mit ihm in der Region, um die musikalische Arbeit dieses Chors mit den Kindern in St. Petersburg zu unterstützen. Es waren musikalische Glanzereignisse - für ihn aber stets noch weit mehr.
Welch menschliche Dimension Chorgesang hat, das zeigt sich auch, als zwei Weggefährten aus dem Sängerbund auf der Bühne erscheinen: Dieter Korsch und Hans Mayer begleiten ihn seit mehr als 50 Jahren.
Am Ende die Bitte der Moderatorin um eine Kostprobe der wunderbaren Stimme des „Tenors Volker Schneider“. „Der ist inzwischen aber ein tiefer Bariton geworden“, korrigiert er, lässt sich aber natürlich nicht lange bitten: „Für Applaus mache ich alles“, lächelt er und postiert sich vor das Publikum. Er wählt die „Uhr“ von Karl Loewe, trägt die zahlreichen Strophen von Gabriel Seidl vor, ohne auch nur einmal hängen zu bleiben. Der Gänsehaut-Moment dieses Abends. Applaus bekommt er natürlich zuhauf - nicht nur dafür.
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