Schauspiel

Zimmertheater Heidelberg: Premiere mit "Zahltag" in "neuer" Spielstätte

Das Zimmertheater Heidelberg ist nicht mehr in der alten Spielstätte in der Hauptstraße anzutreffen. Doch die Crew ließ sich nicht beirren. Im Alten Karlstorbahnhof hat man eine neue Bühne gefunden. Wie die Premiere lief

Von 
Eckhard Britsch
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Mutter (Mannschott) und Sohn (Baumgarten) in „Zahltag“. © Konrad Gös

Heidelberg. Neues Spiel, neues Glück. Wer durch Heidelbergs Hauptstraße wandelt, die immer mehr an individuellen Geschäften verarmt, bleibt wehmütig vor der Hausnummer 118 stehen. Nichts deutet mehr darauf hin, dass dort über Jahrzehnte hinweg die Institution „Zimmertheater“ ihre Zuschauer anlockte. Rollgitter runter. Doch der Vermieterin Wille war Befehl. Aber die Zimmertheater-Crew ließ sich nicht beirren, denn mit Hilfe der Stadt wurde eine neue, im Grunde alte Spielstätte gefunden: Oben im Alten Karlstorbahnhof. Und siehe da, es funktioniert. Einige Sitzplätze weniger, auch ist das Foyer noch nicht fertig. Indes sind auch Vorteile zu erkennen, wie etwa ein Aufzug für Leute, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. Von denen gibt es bekanntlich genug. Und die Verkehrsanbindung ist über Busse oder S-Bahn sehr gut.

Neue Bühne des Zimmertheater Heidelberg scheint kleiner

Die Bühne selbst scheint etwas kleiner als zuvor, vermittel dadurch noch mehr Unmittelbarkeit mit den Mimen. Für die bei Ute Richter gewohnte zentrale Bühnenmalerei hingegen fehlt der Platz. Sei's drum, die Inspiration der Regisseure geht andere Wege. Für die Neueröffnung jetzt steht die Tragikomödie „Zahltag“ von Sébastien Thiéry als deutschsprachige Erstaufführung auf dem Programm. Eine recht rüde Familiensaga, wenn plötzlich der längst erwachsene Sohn Matthieu durchnässt nächtens an der Tür klingelt und seine Eltern Laurence und Jean-Marc aus dem Schlaf klingelt. Die sind konsterniert, der 36-jährige Bub wähnt sich 18, will in sein Kinderzimmer, das es längst nicht mehr gibt. Amnesie?

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Vorgetäuscht oder wirklich, führt er was im Sinn? Diese Frage arbeitet Regisseur Florian von Westerholt mit griffiger Figurenzeichnung heraus. Mama im Morgenrock (Eva Mannschott) will, wie die meisten Mütter, nur das Beste. In der Inszenierung darf/soll sie etwas tüttelig auftreten, sie möchte den Sohnemann behutsam aus der Amnesie ins wirkliche Leben zurückholen. Der Herr Papa (Momme Mommsen) tritt eher holzschnittartig auf, wie ein Klischee jener Vaterfiguren, die sich nicht wirklich um Kinder kümmern, sondern alles, was Einfühlungsvermögen erfordern würde, der Gattin überlassen. Scheinbar brav fügt er sich drein, um das Verhältnis zum Sohn zu kitten, von Zornesausbrüchen unterbrochen

Viel Beifall für einen gelungenen Einstand in neuer Spielstätte des Zimmertheater Heidelberg

Philipp Oliver Baumgarten spielt den Sohn Matthieu. Wollte er sich umbringen, oder ist alles nur ein Fake, um den Eltern ein schlechtes Gewissen einzureden? Denn er, der die Schule nur mit Mühe absolvierte, wäre gerne Skipper geworden. Oder ist auch das nur Einbildung? Jedenfalls gelingt es ihm in immer engeren Schleifen, die Eltern in die Enge zu treiben, auf dass sie sich ihrer Probleme und Selbsttäuschungen bewusst werden. So nimmt das Stück nach etwas betulichem Beginn immer mehr Fahrt auf, auch streut Regisseur Florian von Westerholt einige aktualisierte Gags ein, denn im Zimmertheater darf auch gelacht werden.Am Ende bleiben alle Fragen offen. Was wird mit dem Sohn, ist er ein fieser, geldgieriger Kerl oder doch nur Opfer eines elterlichen Missverständnisses? Hält die massiv beschädigte Ehe der Eltern?

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Am Ende bleiben alle Fragen offen. Was wird mit dem Sohn, ist er ein fieser, geldgieriger Kerl oder doch nur Opfer eines elterlichen Missverständnisses? Hält die massiv beschädigte Ehe der Eltern? Man mag das als Mangel dieses Stücks empfinden, vielleicht aber auch als seine Qualität, hält es vielen Beziehungsgeschädigten doch den Spiegel mancher Lebenslügen vor. Sehr viel Beifall für den gelungenen Einstand.

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