Wohnungsbau

Zehn Jahre Heidelberger Bahnstadt: Pioniere mit Weitsicht

Als die ersten Bewohner in den neuen Heidelberger Stadtteil zogen, war ringsum noch vieles Baustelle. Zehn Jahre später hat sich die Bahnstadt zu einem attraktiven und jungen Stadtteil entwickelt.

Von 
Michaela Roßner
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Garten- und Wohnidylle in der Bahnstadt bewundert: Marco Tidona (v.l.), Eckart Würzner, Heike Rompelberg und Jürgen Odszuck. © Tobias Dittmer

Heidelberg. Ein helles Sonnensegel spannt sich über Terrasse und Rasenfläche der Erdgeschosswohnung. In Hochbeeten wachsen Blumen, Tomaten, Salat sowie Schlangengurken. Spezielle Pflanzgefäße lassen Kräuter terrassenartig in die Höhe sprießen. Eine halbhohe Mauer schirmt die Grünfläche ab zur belebten und tiefer liegenden Promenade an der Schwetzinger Terrasse in Heidelbergs jüngstem Stadtteil Bahnstadt. Darüber öffnet sich Richtung Kirchheim der Blick auf die üppige Landschaft mit Feldern und Gartenverein. Genau zehn Jahre ist es her, dass erste Bewohner in die Bahnstadt zogen, noch von Baustellen umgeben. Heute verbringen auch Heidelberger aus anderen Stadtteilen hier gerne ihre Freizeit auf den Spielplätzen, an der Promenade oder in den Cafés. Am Samstag, 9. Juli (ab 10 Uhr) steigt zum Jubiläum ein Bahnstadtfest rund um die Pfaffengrunder Terrasse.

Statistik zum Stadtteil

  • 6455 Wohnungen sind von 2012 bis 2021 in Heidelberg gebaut worden – 3174 in der Bahnstadt. Jede zweite Neubauwohnung ist in diesem Zeitraum im jüngsten Stadtteil entstanden.
  • 4174 Arbeitsplätze gibt es aktuell in der Bahnstadt.
  • Im Durchschnitt sind die Bahnstadt-Bewohner 29,5 Jahre alt – in der gesamten Stadt 39,9 Jahre.
  • 560 Kinderbetreuungsplätze gibt es im jüngsten Stadtteil.
  • Rund 60 Geschäfte und Gastronomiebetriebe sind geöffnet.

Zwischen 3000 und 4000 Euro pro Quadratmeter: Zu diesem Preis wurden die ersten Eigentumswohnungen etwa an der Schwetzinger Terrasse 2010 angeboten. Der Andrang potenzieller Käufer war riesig, berichtete damals etwa ein Sprecher der Sparkassen Immobilien, die für den Bauherren GGH – ein städtisches Tochterunternehmen – die Vermarktung übernahm. Auch Marco Tidona und Heike Rompelberg standen mit ihren Partnern zunächst auf einer Warteliste. „Wir hatten Glück, und als der erste Interessent absprang, bekamen wir 2011 die Chance, dieses wunderbare Stück Bahnstadt zu kaufen“, erinnert sich Tidona. Als die Familie zwei Jahre später einzog, war der Sohn gerade ein Jahr alt. „Jetzt ist er elf, und er ist gemeinsam mit vielen Gleichaltrigen im Viertel großgeworden“, sagt der Bahnstädter lächelnd.

Engagiert im Stadtteilverein

Heike Rompelberg wohnt mit ihrem Mann eine Etage über der „Garten-Familie“, die sie gerne an der leckeren Gemüseproduktion teilhaben lässt. Auch für die aus Frankfurt Zugezogene war damals die zentrale Lage in Bahnhofsnähe genauso entscheidend für den Wohnungskauf wie die moderne Bauweise: Die Bahnstadt ist komplett im Passivhausstandard errichtet. Dank guter Dämmung und ausgeklügelter Lüftungstechnik muss der Energieverbrauch um 80 Prozent unter dem eines herkömmlichen Gebäudes liegen. Das spart bis zu 94 Prozent CO2 pro Person und Jahr.

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Mit der Passivhausstandard-Vorgabe war Heidelberg einer der weltweiten Vorreiter in Sachen Klimaschutz, ist Oberbürgermeister Eckart Würzner stolz. Das Vorurteil, dass man in der Bahnstadt keine Fenster öffnen dürfe, ist längst widerlegt. Aber andere Lüftungsgewohnheiten muss man indes doch entwickeln: „Das lernt man aber sehr schnell“, sagt Tidona nickend.

Damit das Neubaugebiet auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs zu einem attraktiven Wohnviertel wird, habe man unbedingt auf hochwertiges Bauen setzen müssen, erinnert sich Würzner an die Planungen vor rund 15 Jahren. Gebaut wurde unmittelbar nach der Finanzkrise, blickt auch Baubürgermeister Jürgen Odszuck zurück. Keines der Heidelberger Bauunternehmen hatte sich an dieses Abenteuer herangewagt. Mittel für Wohnungsbauförderung habe es nicht gegeben. Eines indes würde der Stadtchef heute anders angehen, wie er zugibt: „Man müsste früher mit der Begrünung beginnen.“

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Rompelberg gehört zum Vorstand des 2012 gegründeten Stadtteilvereins, der heute rund 500 Mitglieder zählt und die weitere Entstehung des Stadtteils mit begleitete – etwa in der Frage, ob und wann ein Wochenmarkt stattfindet. Mehr als 100 Nationalitäten sind hier vertreten. „Die Bahnstadt passt perfekt zu Heidelberg“, findet Würzner, der lobt, dass schon die Pioniere früh Verantwortung für den Stadtteil übernommen und sich eingebracht hätten. Offen sei man hier auch der Ansiedlung des neuen Konferenzzentrums begegnet, für das die Stadt lange nach einem Standort suchte.

Quadratmeterpreis verdreifacht

Mit der Entscheidung, in die Neubausiedlung in Bahnhofsnähe zu ziehen, hat der Familienvater Tidona Weitsicht bewiesen. Nicht nur wegen des unverbaubaren Blicks Richtung Airfield und der Aussicht, die anstehende Energiekrise vermutlich leichter bewältigen zu können als Bewohner „energieintensiver“ Immobilien – sondern auch finanziell: Denn wenn zu Beginn eine Dreizimmerwohnung noch für rund 270 000 Euro angeboten wurde, müsste man heute wohl eher die dreifache Summe hinlegen. Falls es überhaupt ein Angebot gibt.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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