Natur - Unterwegs in Heidelberg mit Nachtretterin Brigitte Heinz

Unterwegs in Heidelberg mit Nachtretterin Brigitte Heinz

Von 
Michaela Roßner
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Nachts ist längst nicht alles dunkel: Blick über den Heidelberger Süden Richtung Rheinebene und Bahnstadt. © Michaela Roßner

Heidelberg. Tagsüber hell, nachts dunkel – Millionen von Jahren war der Tag- und Nachtrhythmus der Taktgeber des Lebens. Doch inzwischen nimmt die Lichtverschmutzung zu: Straßenlaternen, beleuchtete Fassaden, Reklameschilder, Solarlampen um Garten. Das hat Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Rhein-Neckar-Odenwald hält mit der Aktion „Nachtretter“ dagegen: Viele Lichter und Lampen, so die Beobachtungen, könnten viel früher abgeschaltet werden. Wir haben „Nachtretterin“ Brigitte Heinz bei einer Tour durch Heidelberg begleitet.

22 Uhr. Hauptbahnhof, am Welthaus. Hier gibt es viel Licht, aber hier sind auch spät noch viele Menschen unterwegs. Es gehe nicht darum, „dunkle Ecken“ zu schaffen, erklärt die Naturschützerin. Vielmehr soll die Aktion „Nachtretter gesucht“ für unnützes Licht sensibilisieren. Seit es LEDs gibt, hat das zugenommen. Als Lampen und Leuchten noch mehr Strom verbrauchten, wurde früher der Schalter betätigt – schon, um Geld zu sparen.

Nachtretterin Brigitte Heinz mit einem angestrahlten Baum. © Michaela Roßner

Jeder kennt das Bild von Insekten oder Nachtfaltern, die unentwegt um eine Lichtquelle schwirren – bis sie erschöpft zu Boden sinken und sterben. Die Lichtverschmutzung, das zeigten Forschungsergebnisse, wird inzwischen als eine der Hauptursachen für den Verlust der Artenvielfalt gesehen, berichtet Heinz. Die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg unterstützt das Projekt „Nachtretter“ mit 20 000 Euro.

Beleuchtete Parkplätze

Heinz ist auch Fledermausbeauftragte und nachts viel unterwegs. Sie sieht vieles, was aus ihrer Sicht nicht sein müsste: Große Parkplätze am Ortsrand etwa, die zu Supermärkten gehören, die längst geschlossen sind. „Wir nehmen Kontakt mit den Unternehmen auf, beschreiben die Folgen der starken Dauerbeleuchtung und bitten darum, früher abzuschalten oder herunterzudimmen“, erzählt Heinz.

Auch private Gärten, in denen Leuchtgirlanden oder Lichtkugeln als Dekoration brennen, obwohl die Bewohner längst schlafengegangen sind, fallen ihr auf. Dann steckt sie den Flyer des BUND in den Briefkasten, auf dem ein handbeschriebener gelber Notizzettel klebt: „Liebe Bewohner(innen), Ihre Außenbeleuchtung bedeutet: Sperrgebiet für Igel, Lichtfallen für Insekten, keine Nachtruhe für Vögel ... Danke fürs Ausschalten!“ Manchmal melden sich die Empfänger der sympathischen Botschaft bei der Geschäftsführerin des BUND Heidelberg direkt danach. „Das habe ich gar nicht gewusst“ sei dann meist die Reaktion, erzählt Heinz.

Igel sind nachtaktiv. Lichtquellen irritieren sie. © Jonas Walzberg/dpa

An die Unternehmen geht der Appell, ihre Außenbeleuchtung zu reduzieren und um 22 Uhr ganz auszuschalten. Immer wieder gibt es aber auch „Leuchtorgien“. Etwa das Gebäude am nördlichen Brückenkopf der Theodor-Heuss-Brücke Richtung Osten. Heidelberg Cement hat seine Beleuchtungszeiten nach einem Schreiben von Heinz reduziert. Aber: „Gewerbegebiete leuchten alle in den Himmel und Solarleuchten in Gärten findet man überall“, bedauert die Diplombiologin.

Wir radeln Richtung Bahnstadt. An der Ecke Langer Anger/Einsteinstraße blickt Heinz zufrieden Richtung Westen. Die Straßenlaternen sind runtergedimmt. Außerdem sind es insektenfreundliche Modelle, die nur nach unten strahlen und nicht 360 Grad. Für eine Straße im Wohngebiet sei es hier erfreulich wenig hell. Aber profitieren nicht gerade Fledermäuse, wenn sie an einer Laterne nur das Maul öffnen müssen, weil Schwärme an Insekten um eine Lampe alten Stils kreisen? Das, betont die Fledermausexpertin, betreffe allenfalls zwei Arten der Nachtjäger – während eine schlechte Lichtquelle in einer Nacht eine ganze Insektenart umbringen könne.

Angestrahlter Baum

Gegenüber wird ein Baum von unten angestrahlt. Das mag schön aussehen, für den Baum ist das schlecht: „Es regt die Photosynthese an und lässt größere Blätter wachsen. Kommt der Frost, erleiden diese Bäume Schäden“, gibt Heinz Einblick in die Zusammenhänge. „Igel müssen Slalom laufen“, nennt sie ein weiteres Beispiel, das Gärten betrifft. Nachtaktive Tiere scheuen das Licht, weil sie ihre Beute im Dunkeln finden oder im Lichtkegel selbst leicht zum Opfer werden. Häufig hört Heinz das Argument, dass Licht Einbrecher abhalten soll. „Da ist ein Bewegungsmelder viel besser“, rät sie. In ausgeleuchteten Räumen hingegen finden sich auch Einbrecher besser zurecht. Geht plötzlich Licht an, werden aber eher Nachbarn aufmerksam.

„Wir nehmen uns selbst etwas Tolles“ denkt Heinz etwa an den Sternenpark in der Rhön: Dort kann man wunderbar die Milchstraße am Himmel sehen. Bei uns hingegen ist es nirgendwo dunkel genug dafür.

Info: Infos unter anderem unter www.bund-bawue.de/lichtaus

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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