Staatsexamen

Wieso Heidelberger Jura-Studierende für Prüfungen künftig nach Hockenheim müssen

Der schriftliche Teil des Ersten Staatsexamens hat einen neuen Prüfungsort. Wie das Justizministerium die Entscheidung begründet, was die Fachschaft kritisiert und wie aufwendig die Anfahrt ist

Von 
Vanessa Schmidt
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Die Prüflinge müssen früh los und brauchen mit dem ÖPNV rund zwei Stunden, um rechtzeitig zu Beginn der Prüfung in Hockenheim anzukommen. © DPA/ Waltraud Grubitzsch

Heidelberg. Frühmorgens aufstehen, sich anziehen, vielleicht noch etwas frühstücken, und dann auf den Weg zur Prüfung machen. So oder so ähnlich sieht der Morgen am Tag einer Prüfung für einige vermutlich aus. Heidelberger Jura-Studierende sollen für die schriftliche Prüfung im Ersten Staatsexamen in diesem Herbst nach Hockenheim reisen. Darüber hat das baden-württembergische Justiz-Ministerium entschieden.

Wie viel Mehraufwand bedeutet das für die angehenden Juristen und Juristinnen? Wie reagiert die Fachschaft, und wie rechtfertigt das Land die Beweggründe, eine Halle in Hockenheim anzumieten, wenn die Prüfungen zuvor auch in Heidelberg geschrieben werden konnten?

So lange dauert die Anreise von Heidelberg nach Hockenheim

Ein kleines Gedankenspiel verdeutlicht, wie lange ein Prüfling tatsächlich nach Hockenheim unterwegs wäre. „Der Beginn der fünfstündigen Bearbeitungszeit für die Aufsichtsarbeiten wird in der Kampagne Herbst 2023 landesweit erstmals auf 9 Uhr verschoben“, heißt es in der Bekanntmachung des Ministeriums der Justiz und für Migration. Mit dieser Verschiebung solle laut Ministerium ausreichend Zeit zur Anreise zur Verfügung stehen.

Wohnt ein Prüfling beispielsweise in einem der größten Wohnheime im Stadtteil Rohrbach, sind es von dort rund drei Kilometer bis zum Hauptbahnhof. Das wären 40 Minuten Fußweg. Mit der Straßenbahn und acht Haltestellen dazwischen benötigt man rund 20 Minuten zum Hauptbahnhof. Dort angekommen gibt es verschiedene Verbindungen zur Auswahl. Mit der Buslinie 717 Richtung Speyer Domplatz fährt man eine Stunde und sechs Minuten nach Hockenheim. Auf der Direktverbindung hält der Bus 26 Mal. Angekommen am Bahnhof Hockenheim geht es von dort nochmal rund einen Kilometer bis zur Stadthalle.

Die Studierenden haben an den Bahnhöfen nur wenige Minuten Zeit zum Umsteigen

Eine weitere Option wäre der Zug - beziehungsweise mehrere Züge. Denn direkt fährt kein Zug Hockenheim an. Mit der S 3 müsste man erst einmal nach Mannheim fahren und dort umsteigen. Allerdings sind die Umstiegszeiten mit fünf Minuten knapp bemessen. An einem Prüfungstag würde man die Bahn wohl eher ungern verpassen wollen. Bei einigen anderen Verbindungen sind sogar zwei Umstiege angegeben, ebenfalls mit nur wenigen Minuten Zeit, um das Gleis zu wechseln. Rechnet man die Zeit für die Anreise zusammen, müssen Studierende ungefähr zwei Stunden einplanen.

Hockenheim liegt etwa 25 km Wegstrecke von Heidelberg entfernt, und es erfordert einiges an Aufwand, dorthin zu gelangen.
Fachschaftsrat Jura

„Hockenheim liegt etwa 25 km Wegstrecke von Heidelberg entfernt, und es erfordert einiges an Aufwand, dorthin zu gelangen“, merkt auch der Fachschaftsrat Jura Heidelberg kritisch zum neuen Standort an. Auch auf die lange Anfahrt mit dem ÖPNV geht die Fachschaft ein. „Die Verlegung nach Hockenheim setzt die Prüflinge damit unter zusätzlichen Stress durch die langen Anfahrtswege und die Angst, dass vielleicht doch etwas auf diesem langen Weg schief geht und sie womöglich zu spät kommen. Auch müssen sie früher aufstehen“, so die Fachschaft. Sie fordert eine Suche nach Alternativen oder zumindest eine „überzeugende Begründung, warum eine andere Lösung schlicht nicht möglich gewesen sein soll“.

Diese Anforderung muss die Halle als Prüfungsort erfüllen

„Eine Halle in Heidelberg wäre uns auch lieber gewesen“, erklärt Pressesprecher Gunter Carra vom Justizministerium. Die Erfahrungen der vergangenen Prüfungskampagnen hätten gezeigt, dass die bisher genutzten Räumlichkeiten den gestiegenen Anforderungen an moderne Prüfungsräume nicht mehr vollumfänglich gerecht werden, heißt es in einem weiteren Statement. Die Anforderungen, das sei vor allem die Klimatisierung der Räume. „Allen Prüflingen sollen die gleichen Bedingungen geboten werden. Bei der Menge an Notebooks in einem Raum braucht es dabei vor allem eine Möglichkeit, um die Räume runterkühlen zu können, wenn durch die Rechner und die Personen viel Hitze entsteht“, sagt Carra.

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Hierbei sei das Ministerium auf die Suche gegangen, habe laut eigenen Angaben aber gar nicht so viele Optionen zur Auswahl gehabt. „Wir mussten eine Halle finden, die den Anforderungen gerecht wird und im Zeitraum der Prüfungen zur Verfügung steht“, führt Carra weiter aus.

Die jeweiligen Hallen würden dabei mit bedeutendem zeitlichen Vorlauf von rund zwei Jahren angemietet. Ob vor zwei Jahren noch Corona-Bedingungen bei der Auswahl der Halle eine Rolle spielten, dazu kann der Pressesprecher keine Angaben machen. Ob die Halle in Hockenheim nun langfristig als neuer Standort dient, auch dazu konnte der Pressesprecher keine Auskunft geben. Die Hallen würden für eine Dauer von zwei Wochen angemietet.

Wie reagiert das Ministerium auf die Kritik der Fachschaft?

In der ersten Wochen schreiben die Studierenden Zivilrecht, in der zweiten Woche folgen öffentliches Recht und Strafrecht. Fünf Zeitstunden stünden für jede Prüfung zur Verfügung, danach müssen die Studierenden wieder zwei Stunden mit dem ÖPNV zurück nach Heidelberg. Oder sie mieten sich für den Zeitraum der Prüfungen eine Unterkunft in Hockenheim. Wer ein Auto besitzt, wäre 30 Minuten unterwegs.

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„Ein eigenes Kraftfahrzeug hat nicht jeder Prüfling, und eine Unterkunft in einem Hotel kann für die sechs Prüfungstage sehr teuer werden“, findet allerdings die Fachschaft. Wie reagiert das Ministerium auf diese Kritik? „Es gibt Gespräche mit dem Landesverband“, so Carra. Das Ministerium habe auch bei der Suche einer Halle mit dem Landesverband in Austausch gestanden.

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