Bad Bergzabern. Es gibt sie nicht lange, ein gutes halbes Jahr nur. Aber tatsächlich entsteht 1792 im südpfälzischen Bergzabern ein auf den Idealen der Französischen Revolution von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit basierender Kleinststaat - die Bergzaberner Republik, ein oft vergessenes Kuriosum aus der Zeit der Französischen Revolution, aber doch ein wichtiger Ort der Demokratie in der Metropolregion.
Es gärt schon früh in der Gegend. Eine Entfremdung zwischen überwiegend evangelischen Einwohnern und dem katholischen Fürstenhaus in Zweibrücken, hohe Steuern - die Unzufriedenheit ist groß in der Südpfalz. „Ich muss zur Schande der Stadt Bergzabern sagen, dass ein sehr großer Teil, wohl die Hälfte und noch mehr, mit dem leidigen Gift der Freiheitsseuche angesteckt ist“, schreibt Regierungsrat Bernhard Ludwig Klick in einem Brief an den Herzog, doch der ignoriert das.
Doch was in Paris mit dem Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 passiert, spricht sich auch im Elsass und in der Pfalz schnell herum. Am 19. September 1789 läuten Bürger in Bergzabern die Sturmglocke, besetzen das Rathaus und sperren den regierungstreuen Stadtrat aus. Auch in umliegenden Dörfern begehren die Menschen auf, prangern wirtschaftliche Missstände an, pflanzen Freiheitsbäume oder erklären sich „fürstenfrei“. Anfangs können die Herrscher die Lage noch in den Griff bekommen und sagen zu, Missstände zu beheben, bald aber helfen Beschwichtigungen nicht mehr.
„Den entscheidenden Schub“, so der frühere Landauer Stadtarchivar Michael Martin, bekommt die revolutionäre Bewegung dadurch, dass französische Truppen im September 1792 die Pfalz besetzen. Jetzt verbreitet sich die „Freiheitsseuche“ immer weiter. Anfangs wollen sich die Bergzaberner Landau, der französische Festung, anschließen. Die Landauer antworten indes, sie müssten „mit anderen gleichgesinnten Dörfern einen eigenen Freiheitsbund abschließen“.
Das passiert dann auch. Nun sind die Bürger zu jener Zeit im Prinzip, trotz aller revolutionären Gedenken, noch gewohnt, sich nach der Obrigkeit zu richten. Da hilft ihnen der Landauer Jakobiner Johann Jakob Groß. Schließlich seien ihre schon 1782 gegen ihren Herzog vorgebrachten Beschwerden ohne Ergebnis geblieben. Wenn also der Landesherr seine Pflichten gegen die Bürgerschaft nicht erfüllt habe, so sei auch diese ihren Verpflichtungen gegen den Regenten enthoben. Daher schlägt Groß vor, Bergzabern solle mit den umliegenden Dörfern eine eigene Republik bilden und sich Frankreich anschließen.
So passiert es. Am 10. November 1792 schicken Vertreter der Stadt einen Brief an den Pariser Konvent, sagen sich von ihrem Zweibrücker Herzog Karl II. August los und bitten um Aufnahme in die Französische Republik. „Gesetzgeber! Das aus mehr denn zehn Dörfern bestehende, dem Herzog von Zweibrücken bisher zugehörige Oberamt Bergzabern hat plötzlich die Fesseln der schändlichen Knechtschaft, in der es seufzte, abgestreift und stellt sich den erhabenen Stellvertretern der fränkischen Nation frei dar, um ihnen für die große, den Völkern zubereitete Wohltaten zu danken und die Vereinigung mit der Republik zu begehren.“ 273 von 285 wahlberechtigten Bürgern von Bergzabern unterzeichnen diese Petition. 31 weitere Gemeinden schließen sich an.
„Eine Art Unabhängigkeitserklärung“, wie Michael Martin das Papier definiert. Und es bleibt nicht bei dem Papier. Die Bürger wählen eine neue Gemeindeverwaltung, stellen auf dem Marktplatz und vor dem Haus des neuen Bürgermeisters Freiheitsbäume auf, verbrennen den Galgen, hissen auf dem Kirchturm die Trikolore und jeder Bürger muss sich eine Nationalkokarde (Blau-Weiß-Rot) anstecken. Am Portal und am Ludwigsbau des Schlosses werden das pfalz-zweibrückische Wappen herausgerissen. Die Bergzaberner stellen zudem eine Nationalgarde auf. Daher scheitert der Versuch des Herzogs, mit Waffengewalt gegen die Abtrünnigen vorzugehen. Seine Truppen ziehen sich angesichts der Gegenwehr zurück.
Zunächst geht alles gut. Am 7. Dezember 1792 beschließen die meisten südpfälzischen Dörfer, keine Abgaben mehr zu entrichten und ihre Repräsentanten, auch die Lehrer, selbst zu wählen. Sie beraten eine eigene Verfassung uns wollen bis zur Aufnahme in die Französische Republik einen Freistaat gründen, nennen ihre Volksvertretung „schweitzerischen Landtag“. Am 15. März beschließt der Nationalkonvent tatsächlich, die 32 abtrünnigen Dörfer dürften Teil der Französischen Republik werden, zugeordnet dem Distrikt Landau.
Schon im Sommer 1793 endet aber die Bergzaberner Republik. Preußische und österreichische Truppen rücken in der Südpfalz ein, vertreiben die französischen Soldaten. Demokratisch engagierte Bürger flüchten Richtung Elsass, herzogliche Beamte übernehmen wieder die Macht. Im Dezember 1793 ist aber auch das vorbei, als die französische Armee weder vorrückt und die südpfälzischen Gebiete besetzt. Bis 1815 bleiben sie bei Frankreich, aber die Bergzaberner Republik bleibt eine Episode. Freilich hat sich die „Freiheitsseuche“ so festgesetzt, dass viele Bergzaberner zu den Akteuren beim Hambacher Fest 1832 oder der Revolution 1848 zählen.
Lange erinnern nur die zerstörten, aber nie restaurierten Wappenreliefs am Schloss an die Ereignisse von 1792. 2022 entscheidet sich aber die Verbandsgemeinde, das Areal hinter dem Gebäude „Zum Engel“, dem früheren Verwaltungs- und Wohnsitz des herzoglichen Oberamtmanns, mit einem großen Fest „Platz der Bergzaberner Republik 1792/1793“ zu nennen.
„Uns war wichtig, die Erinnerung daran wieder in die Öffentlichkeit zu holen“, sagt Hermann Augspurger der Stadtbürgermeister von Bad Bergzabern. Zwar sei der genaue Platz der Ausrufung der ersten Republik leider nicht mehr genau bekannt, aber der Platz am „Engel“ liege zentral in der Innenstadt, und im „Engel“ ist das Stadtmuseum und künftig auch das Tourismusbüro. „Das Thema war leider in Vergessenheit geraten“, so Augspurger, aber „in der heutigen Zeit ist es sehr wichtig, das Thema Demokratie in möglichst großer Öffentlichkeit zu diskutieren.“ Der großen Mehrheit des Stadtrates und der Stadtspitze sei es „ein großes Anliegen, für die Demokratie zu werben, um sie zu erhalten“. Dafür solle der „ein gut sichtbares Zeichen und Erinnerung sein“.
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