Heidelberg möchte ab April 2024 per Allgemeinverfügung Mietwagenangeboten wie Uber Preise vorschreiben, weil Taxidienste sonst benachteiligt würden. Ist das eine gute Idee? Stefan Korte ist Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, insbesondere Wirtschafts- und Klimaschutzrecht, an der Uni Speyer.
Wie fällt die verwaltungsrechtliche Bewertung aus?
Stefan Korte: Es geht um das altbekannte Problem der Fixierung von Höchst- beziehungsweise Mindestpreisen durch die Hoheitsgewalt; solche Rahmenpreise finden sich etwa in den Honorar-Ordnungen freier Berufe. Heidelberg wählt hier offenbar den Weg des Erlasses eines Verwaltungsaktes im Sinne des Paragrafen 35 Verwaltungsverfahrensgesetz. Satz 2 erlaubt Allgemeinverfügungen mit einem nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Adressaten (Mietwagenbetreiber), denen Preise vorgegeben werden. Insoweit scheint der Regelungsgegenstand hinreichend konkret, was ebenfalls eine Voraussetzung des Paragrafen 35 Satz 2 ist.
Gibt es bundesweit ähnliche Fälle ?
Korte: Mit Allgemeinverfügung vom 22. März dieses Jahres hat der Landkreis Lörrach ein Mindestbeförderungsentgelt für den Verkehr mit Mietwagen festgesetzt. Dieser begründet sein Vorgehen unter anderem mit dem Schutz des ÖPNV. In Leipzig gibt es scheinbar eine verwaltungsinterne Anweisung in Form einer Verwaltungsvorschrift. Derzeit läuft dort offenbar ein Rechtsbehelfsverfahren.
Welche Rechtsgrundlage besteht?
Korte: Sie findet sich in Paragraf 51a Abs. 1 Personenbeförderungsgesetz, wonach die Genehmigungsbehörde zum Schutz der öffentlichen Interessen für den Verkehr mit Mietwagen tarifbezogene Regelungen, insbesondere Mindestbeförderungsentgelte, festlegen kann. Die Vorschrift ist sehr offen formuliert, wobei der Bezugspunkt der öffentlichen Verkehrsinteressen im Personenbeförderungsrecht durchaus häufig gewählt wird, etwa wenn es darum geht, den Verkehr als Infrastruktur, Wirtschaftsfaktor oder Garant individueller Mobilität zu schützen. Hinzu kommen Ermessensspielräume („kann“).
Wo laufen Fallstricke?
Korte: Der Gesetzgeber hat der Verwaltung ein erhebliches Maß an Freiraum eingeräumt. Es wird spätestens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu prüfen sein, ob die Behörde diese Freiräume rechtskonform ausgeübt hat. Dabei spielt die Verhältnismäßigkeit eine Rolle, wenn man die Rechtspositionen der Mietwagenbetreiber betrachtet. Ungemach bringen insoweit vor allem die Grundfreiheiten aus dem Recht der EU mit sich.
Da sich die Regelung vor allem auf Mietwagenbetreiber beziehen dürfte, die in der Stadt ihren Unternehmenssitz haben, greift die Niederlassungsfreiheit. Es reicht, dass ausländische Mietwagenbetreiber hier tätig werden könnten. Da Mindestpreise das Angebot teurer machen, erschweren sie den Marktzugang und beeinträchtigen die Grundfreiheiten.
Also wird das kassiert werden?
Korte: Die Rechtfertigung einer Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit kann möglicherweise gelingen, wenn auf den Schutz des Bestandes des ÖPNV in Gänze als Bestandteil der Daseinsvorsorge abgestellt wird. Taxis sind als eine Form des ÖPNV an Tarife gebunden. Grund für diese Tarifpflicht ist die Wahrung der öffentlichen Verkehrsinteressen; hierzu gehört vor allem das Ziel der Daseinsvorsorge, indem Taxis insbesondere die letzte Meile zum Ziel, aber dann eben möglichst auch nur diese, bedienen. Wenn Taxis einer Tarifpflicht unterliegen, ist nicht hinreichend ersichtlich, wieso das bei Mietwagenanbietern anders sein soll.
Wo liegt der Knackpunkt?
Korte: Beim Personennahverkehr handelt es sich um ein besonders schützenswertes Gut. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung zur Rechtslage in Barcelona festgestellt, dass die Organisation der Beförderung, des Verkehrs in einem Großraum einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann (EuGH, Urteil vom 8. Juni 2023). Der wirtschaftliche Schutz des Taxigewerbes spielt als Rechtfertigung für einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit hier keine Rolle. Der ÖPNV trägt maßgeblich dazu bei, die Luftverschmutzung zu reduzieren und den Straßenverkehr zu entlasten. Sind Mietwagenanbieter in der Lage ihre Fahrten zu Dumpingpreisen anzubieten, kann dies zu einem deutlichen Rückgang der Fahrgastzahlen im ÖPNV und zu finanziellen Problemen im Bereich der Daseinsvorsorge führen. Ob die Allgemeinverfügung Bestand haben wird, ist letztlich eine Frage der Verhältnismäßigkeit und des Einzelfalls.
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